Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Freundes aber, der im Greisenalter vom angesehensten,
glücklichsten Manne zum elenden Bettler wurde, durfte ich
beweinen!"

Kambyses nickte dem Unglücklichen beifällig zu und
bemerkte, als er sich umschaute, daß nicht allein in seinem
Auge eine Thräne schwamm. Krösus, Bartja und alle
anwesenden Perser, ja sogar Phanes, der den beiden Kö-
nigen als Dolmetscher gedient hatte, weinten laut.

Der stolze Sieger sah diese Thränen gern und sagte,
sich dem Athener zuwendend: "Jch meine, hellenischer
Freund, daß wir jetzt mit unsrer Rache zufrieden sein
können. Steh' auf, Psamtik, und suche Dich, wie dieser
edle Greis (dabei zeigte er auf Krösus), an Dein neues
Schicksal zu gewöhnen. Der Betrug Deines Vaters ist
an Dir und Deinem Hause streng genug bestraft worden.
Dieselbe Krone, welche Amasis der Tochter des Hophra,
meiner unvergeßlichen Gattin, raubte, habe ich von Deinem
Haupte gerissen. Um Nitetis willen begann ich diesen
Krieg; jetzt schenke ich Deinem Sohne das Leben, weil sie
ihn liebte. Ungekränkt magst Du von nun an als Tisch-
genosse an unsrem Hofe leben und die Ehren meiner
Großen theilen. Hole den Knaben, Gyges! Derselbe soll,
wie Du vor Jahren, mit den Söhnen der Achämeniden
erzogen werden!"

Der Lyder eilte, um diesen erfreulichen Auftrag aus-
zurichten, der Thüre des Altans zu; Phanes aber rief ihn,
ehe er dieselbe erreichen konnte, zurück, stellte sich in stolzer
Haltung zwischen den König und den vor Wonne bebenden
Psamtik und sprach: "Dein Gang, edler Lyder, würde
vergebens sein; Ramses, der Sohn des Psamtik, ist nicht
mehr! Deinem Befehle trotzend, mein Herrscher, hab' ich
unter dem Vorgeben, eine Vollmacht von Dir zu besitzen,

Freundes aber, der im Greiſenalter vom angeſehenſten,
glücklichſten Manne zum elenden Bettler wurde, durfte ich
beweinen!“

Kambyſes nickte dem Unglücklichen beifällig zu und
bemerkte, als er ſich umſchaute, daß nicht allein in ſeinem
Auge eine Thräne ſchwamm. Kröſus, Bartja und alle
anweſenden Perſer, ja ſogar Phanes, der den beiden Kö-
nigen als Dolmetſcher gedient hatte, weinten laut.

Der ſtolze Sieger ſah dieſe Thränen gern und ſagte,
ſich dem Athener zuwendend: „Jch meine, helleniſcher
Freund, daß wir jetzt mit unſrer Rache zufrieden ſein
können. Steh’ auf, Pſamtik, und ſuche Dich, wie dieſer
edle Greis (dabei zeigte er auf Kröſus), an Dein neues
Schickſal zu gewöhnen. Der Betrug Deines Vaters iſt
an Dir und Deinem Hauſe ſtreng genug beſtraft worden.
Dieſelbe Krone, welche Amaſis der Tochter des Hophra,
meiner unvergeßlichen Gattin, raubte, habe ich von Deinem
Haupte geriſſen. Um Nitetis willen begann ich dieſen
Krieg; jetzt ſchenke ich Deinem Sohne das Leben, weil ſie
ihn liebte. Ungekränkt magſt Du von nun an als Tiſch-
genoſſe an unſrem Hofe leben und die Ehren meiner
Großen theilen. Hole den Knaben, Gyges! Derſelbe ſoll,
wie Du vor Jahren, mit den Söhnen der Achämeniden
erzogen werden!“

Der Lyder eilte, um dieſen erfreulichen Auftrag aus-
zurichten, der Thüre des Altans zu; Phanes aber rief ihn,
ehe er dieſelbe erreichen konnte, zurück, ſtellte ſich in ſtolzer
Haltung zwiſchen den König und den vor Wonne bebenden
Pſamtik und ſprach: „Dein Gang, edler Lyder, würde
vergebens ſein; Ramſes, der Sohn des Pſamtik, iſt nicht
mehr! Deinem Befehle trotzend, mein Herrſcher, hab’ ich
unter dem Vorgeben, eine Vollmacht von Dir zu beſitzen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="166"/>
Freundes aber, der im Grei&#x017F;enalter vom ange&#x017F;ehen&#x017F;ten,<lb/>
glücklich&#x017F;ten Manne zum elenden Bettler wurde, durfte ich<lb/>
beweinen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Kamby&#x017F;es nickte dem Unglücklichen beifällig zu und<lb/>
bemerkte, als er &#x017F;ich um&#x017F;chaute, daß nicht allein in &#x017F;einem<lb/>
Auge eine Thräne &#x017F;chwamm. Krö&#x017F;us, Bartja und alle<lb/>
anwe&#x017F;enden Per&#x017F;er, ja &#x017F;ogar Phanes, der den beiden Kö-<lb/>
nigen als Dolmet&#x017F;cher gedient hatte, weinten laut.</p><lb/>
        <p>Der &#x017F;tolze Sieger &#x017F;ah die&#x017F;e Thränen gern und &#x017F;agte,<lb/>
&#x017F;ich dem Athener zuwendend: &#x201E;Jch meine, helleni&#x017F;cher<lb/>
Freund, daß wir jetzt mit un&#x017F;rer Rache zufrieden &#x017F;ein<lb/>
können. Steh&#x2019; auf, P&#x017F;amtik, und &#x017F;uche Dich, wie die&#x017F;er<lb/>
edle Greis (dabei zeigte er auf Krö&#x017F;us), an Dein neues<lb/>
Schick&#x017F;al zu gewöhnen. Der Betrug Deines Vaters i&#x017F;t<lb/>
an Dir und Deinem Hau&#x017F;e &#x017F;treng genug be&#x017F;traft worden.<lb/>
Die&#x017F;elbe Krone, welche Ama&#x017F;is der Tochter des Hophra,<lb/>
meiner unvergeßlichen Gattin, raubte, habe ich von Deinem<lb/>
Haupte geri&#x017F;&#x017F;en. Um Nitetis willen begann ich die&#x017F;en<lb/>
Krieg; jetzt &#x017F;chenke ich Deinem Sohne das Leben, weil &#x017F;ie<lb/>
ihn liebte. Ungekränkt mag&#x017F;t Du von nun an als Ti&#x017F;ch-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;e an un&#x017F;rem Hofe leben und die Ehren meiner<lb/>
Großen theilen. Hole den Knaben, Gyges! Der&#x017F;elbe &#x017F;oll,<lb/>
wie Du vor Jahren, mit den Söhnen der Achämeniden<lb/>
erzogen werden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Lyder eilte, um die&#x017F;en erfreulichen Auftrag aus-<lb/>
zurichten, der Thüre des Altans zu; Phanes aber rief ihn,<lb/>
ehe er die&#x017F;elbe erreichen konnte, zurück, &#x017F;tellte &#x017F;ich in &#x017F;tolzer<lb/>
Haltung zwi&#x017F;chen den König und den vor Wonne bebenden<lb/>
P&#x017F;amtik und &#x017F;prach: &#x201E;Dein Gang, edler Lyder, würde<lb/>
vergebens &#x017F;ein; Ram&#x017F;es, der Sohn des P&#x017F;amtik, i&#x017F;t nicht<lb/>
mehr! Deinem Befehle trotzend, mein Herr&#x017F;cher, hab&#x2019; ich<lb/>
unter dem Vorgeben, eine Vollmacht von Dir zu be&#x017F;itzen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0176] Freundes aber, der im Greiſenalter vom angeſehenſten, glücklichſten Manne zum elenden Bettler wurde, durfte ich beweinen!“ Kambyſes nickte dem Unglücklichen beifällig zu und bemerkte, als er ſich umſchaute, daß nicht allein in ſeinem Auge eine Thräne ſchwamm. Kröſus, Bartja und alle anweſenden Perſer, ja ſogar Phanes, der den beiden Kö- nigen als Dolmetſcher gedient hatte, weinten laut. Der ſtolze Sieger ſah dieſe Thränen gern und ſagte, ſich dem Athener zuwendend: „Jch meine, helleniſcher Freund, daß wir jetzt mit unſrer Rache zufrieden ſein können. Steh’ auf, Pſamtik, und ſuche Dich, wie dieſer edle Greis (dabei zeigte er auf Kröſus), an Dein neues Schickſal zu gewöhnen. Der Betrug Deines Vaters iſt an Dir und Deinem Hauſe ſtreng genug beſtraft worden. Dieſelbe Krone, welche Amaſis der Tochter des Hophra, meiner unvergeßlichen Gattin, raubte, habe ich von Deinem Haupte geriſſen. Um Nitetis willen begann ich dieſen Krieg; jetzt ſchenke ich Deinem Sohne das Leben, weil ſie ihn liebte. Ungekränkt magſt Du von nun an als Tiſch- genoſſe an unſrem Hofe leben und die Ehren meiner Großen theilen. Hole den Knaben, Gyges! Derſelbe ſoll, wie Du vor Jahren, mit den Söhnen der Achämeniden erzogen werden!“ Der Lyder eilte, um dieſen erfreulichen Auftrag aus- zurichten, der Thüre des Altans zu; Phanes aber rief ihn, ehe er dieſelbe erreichen konnte, zurück, ſtellte ſich in ſtolzer Haltung zwiſchen den König und den vor Wonne bebenden Pſamtik und ſprach: „Dein Gang, edler Lyder, würde vergebens ſein; Ramſes, der Sohn des Pſamtik, iſt nicht mehr! Deinem Befehle trotzend, mein Herrſcher, hab’ ich unter dem Vorgeben, eine Vollmacht von Dir zu beſitzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/176
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/176>, abgerufen am 10.05.2024.