Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.von der Greisin aufgenommen und in das Geheimniß des Knakias, der alte Sklave, hatte zwar die Empfangs- Der Athener wußte viel Neues zu erzählen und führte Nachdem er die schöne, ziemlich große Laute von Gold "Tantalos Tochter ward gebannt Zu einem Fels' im Phrygerland, Und als ein Vogel flog vor Zeiten Pandion's Kind in alle Weiten; von der Greiſin aufgenommen und in das Geheimniß des Knakias, der alte Sklave, hatte zwar die Empfangs- Der Athener wußte viel Neues zu erzählen und führte Nachdem er die ſchöne, ziemlich große Laute von Gold „Tantalos Tochter ward gebannt Zu einem Fels’ im Phrygerland, Und als ein Vogel flog vor Zeiten Pandion’s Kind in alle Weiten; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="128"/> von der Greiſin aufgenommen und in das Geheimniß des<lb/> Hauſes eingeweiht worden.</p><lb/> <p>Knakias, der alte Sklave, hatte zwar die Empfangs-<lb/> fahne ſeit zwei Tagen mit in’s Haus genommen, wußte<lb/> aber, daß Kallias ſeiner Herrin ſtets willkommen ſei und<lb/> führte ihn deßwegen ebenſo ſchleunig zu ihr, als er jeden<lb/> andern Beſucher zurückwies.</p><lb/> <p>Der Athener wußte viel Neues zu erzählen und führte<lb/> endlich, als ſich Rhodopis in Geſchäften entfernte, Sappho,<lb/> ſeinen Liebling, in den Garten, um dort mit ihr ſcherzend<lb/> und neckend nach dem ſehnlich erwarteten Geliebten aus-<lb/> zuſchauen. Als derſelbe immer nicht kommen wollte, und<lb/> die Jungfrau beſorgt zu werden begann, rief er die alte<lb/> Melitta, die beinahe noch ängſtlicher als ihre Herrin nach<lb/> Naukratis blickte, und erſuchte dieſelbe, das Saitenſpiel,<lb/> welches er mitgebracht hatte, in den Garten zu bringen.</p><lb/> <p>Nachdem er die ſchöne, ziemlich große Laute von Gold<lb/> und Elfenbein der Jungfrau überreicht hatte, ſagte er<lb/> lächelnd: „Dieſes herrliche Jnſtrument hat der Erfinder<lb/> deſſelben, der göttliche Anakreon, auf meine Beſtellung<lb/> eigens für Dich machen laſſen. Er nennt es Barbiton<lb/> und entlockt demſelben wunderbare Töne, die ſelbſt noch<lb/> im Schattenreiche fortklingen werden <hi rendition="#sup">82</hi>). Jch habe dem<lb/> Dichter, der ſein Leben wie ein großes, den Muſen, Eros<lb/> und Dionyſos dargebrachtes Opfer verbringt <hi rendition="#sup">83</hi>), von Dir<lb/> erzählt und ihm verſprechen müſſen, Dir folgendes Liedchen,<lb/> das er für Dich erſonnen, als ein Geſchenk von ihm zu<lb/> überbringen. Höre:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Tantalos Tochter ward gebannt</l><lb/> <l>Zu einem Fels’ im Phrygerland,</l><lb/> <l>Und als ein Vogel flog vor Zeiten</l><lb/> <l>Pandion’s Kind in alle Weiten;</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [128/0138]
von der Greiſin aufgenommen und in das Geheimniß des
Hauſes eingeweiht worden.
Knakias, der alte Sklave, hatte zwar die Empfangs-
fahne ſeit zwei Tagen mit in’s Haus genommen, wußte
aber, daß Kallias ſeiner Herrin ſtets willkommen ſei und
führte ihn deßwegen ebenſo ſchleunig zu ihr, als er jeden
andern Beſucher zurückwies.
Der Athener wußte viel Neues zu erzählen und führte
endlich, als ſich Rhodopis in Geſchäften entfernte, Sappho,
ſeinen Liebling, in den Garten, um dort mit ihr ſcherzend
und neckend nach dem ſehnlich erwarteten Geliebten aus-
zuſchauen. Als derſelbe immer nicht kommen wollte, und
die Jungfrau beſorgt zu werden begann, rief er die alte
Melitta, die beinahe noch ängſtlicher als ihre Herrin nach
Naukratis blickte, und erſuchte dieſelbe, das Saitenſpiel,
welches er mitgebracht hatte, in den Garten zu bringen.
Nachdem er die ſchöne, ziemlich große Laute von Gold
und Elfenbein der Jungfrau überreicht hatte, ſagte er
lächelnd: „Dieſes herrliche Jnſtrument hat der Erfinder
deſſelben, der göttliche Anakreon, auf meine Beſtellung
eigens für Dich machen laſſen. Er nennt es Barbiton
und entlockt demſelben wunderbare Töne, die ſelbſt noch
im Schattenreiche fortklingen werden 82). Jch habe dem
Dichter, der ſein Leben wie ein großes, den Muſen, Eros
und Dionyſos dargebrachtes Opfer verbringt 83), von Dir
erzählt und ihm verſprechen müſſen, Dir folgendes Liedchen,
das er für Dich erſonnen, als ein Geſchenk von ihm zu
überbringen. Höre:
„Tantalos Tochter ward gebannt
Zu einem Fels’ im Phrygerland,
Und als ein Vogel flog vor Zeiten
Pandion’s Kind in alle Weiten;
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