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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Als Bartja, Darius und Theopompos das Haus
der Rhodopis verließen, graute schon der Morgen.
Ein edler Hellene, Syloson 61), der Bruder des Poly-
krates, welcher durch den Tyrannen aus seiner Hei-
mat vertrieben worden war, hatte den Abend mit ihnen
getheilt und kehrte jetzt in ihrer Gesellschaft nach
Naukratis, woselbst er seit mehreren Jahren wohnte,
zurück.

Dieser Mann, den sein Bruder zwar verbannt hielt,
dennoch aber reichlich mit Geld versorgte, führte das glän-
zendste Haus in Naukratis und war ebenso berühmt wegen
seiner verschwenderischen Gastlichkeit, als wegen seiner Kraft
und Gewandtheit. Außerdem zeichnete sich Syloson durch
Schönheit und Kleiderpracht ganz besonders aus. Alle
Jünglinge von Naukratis rechneten es sich zur Ehre, den
Schnitt und Faltenwurf seiner Gewänder nachzuahmen.
Unverheirathet, wie er war, brachte er viele Abende im
Hause der Rhodopis zu, welche ihn zu ihren besten Freun-
den zählte und ihn auch in das Geheimniß ihrer Enkelin
eingeweiht hatte.

An jenem Abende war bestimmt worden, die Hochzeit
solle in vier Tagen still und heimlich begangen werden.
Bartja hatte den Quittenapfel bereits mit seiner Geliebten,
welche dem Zeus, der Hera und den andern Schutzgöttern
der Ehe am selben Tage Opfer darbrachte 62), verzehrt,
und sich durch diese Ceremonie mit derselben förmlich ver-
lobt. Syloson übernahm es jetzt, für Sänger des Hyme-
näos und Fackelträger zu sorgen. Der Hochzeitsschmaus
sollte im Hause des Theopompos, als dem des Bräuti-
gams 63), zugerichtet werden. Die kostbaren Brautgeschenke
des Königssohnes waren der Greisin bereits übergeben
worden, während Bartja das bedeutende väterliche Erbtheil

Als Bartja, Darius und Theopompos das Haus
der Rhodopis verließen, graute ſchon der Morgen.
Ein edler Hellene, Syloſon 61), der Bruder des Poly-
krates, welcher durch den Tyrannen aus ſeiner Hei-
mat vertrieben worden war, hatte den Abend mit ihnen
getheilt und kehrte jetzt in ihrer Geſellſchaft nach
Naukratis, woſelbſt er ſeit mehreren Jahren wohnte,
zurück.

Dieſer Mann, den ſein Bruder zwar verbannt hielt,
dennoch aber reichlich mit Geld verſorgte, führte das glän-
zendſte Haus in Naukratis und war ebenſo berühmt wegen
ſeiner verſchwenderiſchen Gaſtlichkeit, als wegen ſeiner Kraft
und Gewandtheit. Außerdem zeichnete ſich Syloſon durch
Schönheit und Kleiderpracht ganz beſonders aus. Alle
Jünglinge von Naukratis rechneten es ſich zur Ehre, den
Schnitt und Faltenwurf ſeiner Gewänder nachzuahmen.
Unverheirathet, wie er war, brachte er viele Abende im
Hauſe der Rhodopis zu, welche ihn zu ihren beſten Freun-
den zählte und ihn auch in das Geheimniß ihrer Enkelin
eingeweiht hatte.

An jenem Abende war beſtimmt worden, die Hochzeit
ſolle in vier Tagen ſtill und heimlich begangen werden.
Bartja hatte den Quittenapfel bereits mit ſeiner Geliebten,
welche dem Zeus, der Hera und den andern Schutzgöttern
der Ehe am ſelben Tage Opfer darbrachte 62), verzehrt,
und ſich durch dieſe Ceremonie mit derſelben förmlich ver-
lobt. Syloſon übernahm es jetzt, für Sänger des Hyme-
näos und Fackelträger zu ſorgen. Der Hochzeitsſchmaus
ſollte im Hauſe des Theopompos, als dem des Bräuti-
gams 63), zugerichtet werden. Die koſtbaren Brautgeſchenke
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worden, während Bartja das bedeutende väterliche Erbtheil

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[102/0112] Als Bartja, Darius und Theopompos das Haus der Rhodopis verließen, graute ſchon der Morgen. Ein edler Hellene, Syloſon 61), der Bruder des Poly- krates, welcher durch den Tyrannen aus ſeiner Hei- mat vertrieben worden war, hatte den Abend mit ihnen getheilt und kehrte jetzt in ihrer Geſellſchaft nach Naukratis, woſelbſt er ſeit mehreren Jahren wohnte, zurück. Dieſer Mann, den ſein Bruder zwar verbannt hielt, dennoch aber reichlich mit Geld verſorgte, führte das glän- zendſte Haus in Naukratis und war ebenſo berühmt wegen ſeiner verſchwenderiſchen Gaſtlichkeit, als wegen ſeiner Kraft und Gewandtheit. Außerdem zeichnete ſich Syloſon durch Schönheit und Kleiderpracht ganz beſonders aus. Alle Jünglinge von Naukratis rechneten es ſich zur Ehre, den Schnitt und Faltenwurf ſeiner Gewänder nachzuahmen. Unverheirathet, wie er war, brachte er viele Abende im Hauſe der Rhodopis zu, welche ihn zu ihren beſten Freun- den zählte und ihn auch in das Geheimniß ihrer Enkelin eingeweiht hatte. An jenem Abende war beſtimmt worden, die Hochzeit ſolle in vier Tagen ſtill und heimlich begangen werden. Bartja hatte den Quittenapfel bereits mit ſeiner Geliebten, welche dem Zeus, der Hera und den andern Schutzgöttern der Ehe am ſelben Tage Opfer darbrachte 62), verzehrt, und ſich durch dieſe Ceremonie mit derſelben förmlich ver- lobt. Syloſon übernahm es jetzt, für Sänger des Hyme- näos und Fackelträger zu ſorgen. Der Hochzeitsſchmaus ſollte im Hauſe des Theopompos, als dem des Bräuti- gams 63), zugerichtet werden. Die koſtbaren Brautgeſchenke des Königsſohnes waren der Greiſin bereits übergeben worden, während Bartja das bedeutende väterliche Erbtheil

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/112>, abgerufen am 24.11.2024.