Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Aerzten aufgegeben, seine letzte Stunde erwarte. Jeden
Augenblick müssen wir auf das Ableben des Königs und
auf ernste Wendungen der Dinge gefaßt sein. -- Der
Tod dieses Monarchen ist der schwerste Verlust, welcher
uns Hellenen treffen kann, denn er war uns stets mit
Freundschaft zugethan und begünstigte uns, wo er konnte,
während sein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles auf-
bieten wird, um uns womöglich vollkommen aus Aegypten
zu verdrängen. Naukratis ist ihm schon lange ein Dorn
im Auge! Hätte sein Vater ihn nicht verhindert, und be-
dürfte er nicht der hellenischen Söldner nothwendig, so
würde er uns, die verhaßten Fremden, schon lange aus
seinem Reiche vertrieben haben. Wenn Amasis todt ist,
so wird ganz Naukratis den Heeren des Kambyses ent-
gegenjubeln; wissen wir doch von meiner Heimat her, daß
ihr auch Nichtperser zu ehren und in ihren Rechten zu
schützen pflegt."

"Jch werde dafür sorgen," sagte Bartja, "daß mein
Bruder all' eure alten Freiheiten bestätigt und denselben
neue hinzufügt."

"Möge derselbe schnell in Aegypten eindringen!" rief
der Hellene. "Wir wissen, daß uns Psamtik, sobald er
nur irgend kann, befehlen wird, unsre Tempel, die ihm
ein Greuel sind, niederzureißen; -- der Bau einer helleni-
schen Opferstätte zu Memphis ist schon längst verboten
worden."

"Hier aber," sagte Darius, "haben wir stattliche
Tempel gesehen, als wir vom Hafen kamen."

"Wir besitzen deren mehrere *). Doch da kommt
Zopyros mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von

*) Siehe I. Theil. Anmerk. 3.

Aerzten aufgegeben, ſeine letzte Stunde erwarte. Jeden
Augenblick müſſen wir auf das Ableben des Königs und
auf ernſte Wendungen der Dinge gefaßt ſein. — Der
Tod dieſes Monarchen iſt der ſchwerſte Verluſt, welcher
uns Hellenen treffen kann, denn er war uns ſtets mit
Freundſchaft zugethan und begünſtigte uns, wo er konnte,
während ſein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles auf-
bieten wird, um uns womöglich vollkommen aus Aegypten
zu verdrängen. Naukratis iſt ihm ſchon lange ein Dorn
im Auge! Hätte ſein Vater ihn nicht verhindert, und be-
dürfte er nicht der helleniſchen Söldner nothwendig, ſo
würde er uns, die verhaßten Fremden, ſchon lange aus
ſeinem Reiche vertrieben haben. Wenn Amaſis todt iſt,
ſo wird ganz Naukratis den Heeren des Kambyſes ent-
gegenjubeln; wiſſen wir doch von meiner Heimat her, daß
ihr auch Nichtperſer zu ehren und in ihren Rechten zu
ſchützen pflegt.“

„Jch werde dafür ſorgen,“ ſagte Bartja, „daß mein
Bruder all’ eure alten Freiheiten beſtätigt und denſelben
neue hinzufügt.“

„Möge derſelbe ſchnell in Aegypten eindringen!“ rief
der Hellene. „Wir wiſſen, daß uns Pſamtik, ſobald er
nur irgend kann, befehlen wird, unſre Tempel, die ihm
ein Greuel ſind, niederzureißen; — der Bau einer helleni-
ſchen Opferſtätte zu Memphis iſt ſchon längſt verboten
worden.“

„Hier aber,“ ſagte Darius, „haben wir ſtattliche
Tempel geſehen, als wir vom Hafen kamen.“

„Wir beſitzen deren mehrere *). Doch da kommt
Zopyros mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von

*) Siehe I. Theil. Anmerk. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="100"/>
Aerzten aufgegeben, &#x017F;eine letzte Stunde erwarte. Jeden<lb/>
Augenblick mü&#x017F;&#x017F;en wir auf das Ableben des Königs und<lb/>
auf ern&#x017F;te Wendungen der Dinge gefaßt &#x017F;ein. &#x2014; Der<lb/>
Tod die&#x017F;es Monarchen i&#x017F;t der &#x017F;chwer&#x017F;te Verlu&#x017F;t, welcher<lb/>
uns Hellenen treffen kann, denn er war uns &#x017F;tets mit<lb/>
Freund&#x017F;chaft zugethan und begün&#x017F;tigte uns, wo er konnte,<lb/>
während &#x017F;ein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles auf-<lb/>
bieten wird, um uns womöglich vollkommen aus Aegypten<lb/>
zu verdrängen. Naukratis i&#x017F;t ihm &#x017F;chon lange ein Dorn<lb/>
im Auge! Hätte &#x017F;ein Vater ihn nicht verhindert, und be-<lb/>
dürfte er nicht der helleni&#x017F;chen Söldner nothwendig, &#x017F;o<lb/>
würde er uns, die verhaßten Fremden, &#x017F;chon lange aus<lb/>
&#x017F;einem Reiche vertrieben haben. Wenn Ama&#x017F;is todt i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o wird ganz Naukratis den Heeren des Kamby&#x017F;es ent-<lb/>
gegenjubeln; wi&#x017F;&#x017F;en wir doch von meiner Heimat her, daß<lb/>
ihr auch Nichtper&#x017F;er zu ehren und in ihren Rechten zu<lb/>
&#x017F;chützen pflegt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch werde dafür &#x017F;orgen,&#x201C; &#x017F;agte Bartja, &#x201E;daß mein<lb/>
Bruder all&#x2019; eure alten Freiheiten be&#x017F;tätigt und den&#x017F;elben<lb/>
neue hinzufügt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Möge der&#x017F;elbe &#x017F;chnell in Aegypten eindringen!&#x201C; rief<lb/>
der Hellene. &#x201E;Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß uns P&#x017F;amtik, &#x017F;obald er<lb/>
nur irgend kann, befehlen wird, un&#x017F;re Tempel, die ihm<lb/>
ein Greuel &#x017F;ind, niederzureißen; &#x2014; der Bau einer helleni-<lb/>
&#x017F;chen Opfer&#x017F;tätte zu Memphis i&#x017F;t &#x017F;chon läng&#x017F;t verboten<lb/>
worden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier aber,&#x201C; &#x017F;agte Darius, &#x201E;haben wir &#x017F;tattliche<lb/>
Tempel ge&#x017F;ehen, als wir vom Hafen kamen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir be&#x017F;itzen deren mehrere <note place="foot" n="*)">Siehe <hi rendition="#aq">I.</hi> Theil. Anmerk. 3.</note>. Doch da kommt<lb/>
Zopyros mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0110] Aerzten aufgegeben, ſeine letzte Stunde erwarte. Jeden Augenblick müſſen wir auf das Ableben des Königs und auf ernſte Wendungen der Dinge gefaßt ſein. — Der Tod dieſes Monarchen iſt der ſchwerſte Verluſt, welcher uns Hellenen treffen kann, denn er war uns ſtets mit Freundſchaft zugethan und begünſtigte uns, wo er konnte, während ſein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles auf- bieten wird, um uns womöglich vollkommen aus Aegypten zu verdrängen. Naukratis iſt ihm ſchon lange ein Dorn im Auge! Hätte ſein Vater ihn nicht verhindert, und be- dürfte er nicht der helleniſchen Söldner nothwendig, ſo würde er uns, die verhaßten Fremden, ſchon lange aus ſeinem Reiche vertrieben haben. Wenn Amaſis todt iſt, ſo wird ganz Naukratis den Heeren des Kambyſes ent- gegenjubeln; wiſſen wir doch von meiner Heimat her, daß ihr auch Nichtperſer zu ehren und in ihren Rechten zu ſchützen pflegt.“ „Jch werde dafür ſorgen,“ ſagte Bartja, „daß mein Bruder all’ eure alten Freiheiten beſtätigt und denſelben neue hinzufügt.“ „Möge derſelbe ſchnell in Aegypten eindringen!“ rief der Hellene. „Wir wiſſen, daß uns Pſamtik, ſobald er nur irgend kann, befehlen wird, unſre Tempel, die ihm ein Greuel ſind, niederzureißen; — der Bau einer helleni- ſchen Opferſtätte zu Memphis iſt ſchon längſt verboten worden.“ „Hier aber,“ ſagte Darius, „haben wir ſtattliche Tempel geſehen, als wir vom Hafen kamen.“ „Wir beſitzen deren mehrere *). Doch da kommt Zopyros mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von *) Siehe I. Theil. Anmerk. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/110
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/110>, abgerufen am 13.05.2024.