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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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nach Susa schickte. Bewährt er sich; ist man mit ihm
zufrieden?"

"Recht gut," antwortete Krösus. "Er hat manchem
Blinden geholfen; die Mutter des Königs ist aber leider
noch immer des Lichtes beraubt. Nebenchari war es auch,
der Kambyses auf die Anmuth Deiner Tochter Tachot auf-
merksam machte. Wir bedauern übrigens, daß er nur die
Augen zu heilen versteht. Er war, als die Prinzessin
Atossa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr irgend
einen Rath zu ertheilen."

"Das ist sehr natürlich, denn unsere Aerzte dürfen
immer nur einen gewissen Theil des Körpers behandeln.
Wir besitzen Ohren-, Zahn- und Augenärzte, Aerzte für
Knochenbrüche, und andere für innere Krankheiten. Kein
Zahnarzt darf nach den alten Priestergesetzen einen Tauben,
kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, --
wenn er sich auch vortrefflich auf innere Leiden verstehen
sollte 119). Man will mit diesem Gesetze, glaub' ich, grö-
ßere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Priester, zu denen
auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichsten
Ernste der Wissenschaft obliegen. Dort drüben liegt das
Haus des Oberpriesters Neithoteph, dessen Stern- und
Meßkunde selbst Pythagoras hochpries. Es grenzt an die
Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Her-
rin von Sais, führt. Jch wollte, ich dürfte Dir den hei-
ligen Hain mit seinen prächtigen Bäumen, die köstlichen
Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Gestalt der
Lotosblumen 120) nachahmen, und die kolossale Kapelle
von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem
Stein arbeiten ließ, um sie der Göttin zu verehren 121);
die Priester untersagen aber leider jedem Fremden den Zu-
tritt. Komm', wir wollen jetzt meine Gattin und Töchter

nach Suſa ſchickte. Bewährt er ſich; iſt man mit ihm
zufrieden?“

„Recht gut,“ antwortete Kröſus. „Er hat manchem
Blinden geholfen; die Mutter des Königs iſt aber leider
noch immer des Lichtes beraubt. Nebenchari war es auch,
der Kambyſes auf die Anmuth Deiner Tochter Tachot auf-
merkſam machte. Wir bedauern übrigens, daß er nur die
Augen zu heilen verſteht. Er war, als die Prinzeſſin
Atoſſa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr irgend
einen Rath zu ertheilen.“

„Das iſt ſehr natürlich, denn unſere Aerzte dürfen
immer nur einen gewiſſen Theil des Körpers behandeln.
Wir beſitzen Ohren-, Zahn- und Augenärzte, Aerzte für
Knochenbrüche, und andere für innere Krankheiten. Kein
Zahnarzt darf nach den alten Prieſtergeſetzen einen Tauben,
kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, —
wenn er ſich auch vortrefflich auf innere Leiden verſtehen
ſollte 119). Man will mit dieſem Geſetze, glaub’ ich, grö-
ßere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Prieſter, zu denen
auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichſten
Ernſte der Wiſſenſchaft obliegen. Dort drüben liegt das
Haus des Oberprieſters Neithoteph, deſſen Stern- und
Meßkunde ſelbſt Pythagoras hochpries. Es grenzt an die
Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Her-
rin von Sais, führt. Jch wollte, ich dürfte Dir den hei-
ligen Hain mit ſeinen prächtigen Bäumen, die köſtlichen
Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Geſtalt der
Lotosblumen 120) nachahmen, und die koloſſale Kapelle
von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem
Stein arbeiten ließ, um ſie der Göttin zu verehren 121);
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[73/0091] nach Suſa ſchickte. Bewährt er ſich; iſt man mit ihm zufrieden?“ „Recht gut,“ antwortete Kröſus. „Er hat manchem Blinden geholfen; die Mutter des Königs iſt aber leider noch immer des Lichtes beraubt. Nebenchari war es auch, der Kambyſes auf die Anmuth Deiner Tochter Tachot auf- merkſam machte. Wir bedauern übrigens, daß er nur die Augen zu heilen verſteht. Er war, als die Prinzeſſin Atoſſa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr irgend einen Rath zu ertheilen.“ „Das iſt ſehr natürlich, denn unſere Aerzte dürfen immer nur einen gewiſſen Theil des Körpers behandeln. Wir beſitzen Ohren-, Zahn- und Augenärzte, Aerzte für Knochenbrüche, und andere für innere Krankheiten. Kein Zahnarzt darf nach den alten Prieſtergeſetzen einen Tauben, kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, — wenn er ſich auch vortrefflich auf innere Leiden verſtehen ſollte 119). Man will mit dieſem Geſetze, glaub’ ich, grö- ßere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Prieſter, zu denen auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichſten Ernſte der Wiſſenſchaft obliegen. Dort drüben liegt das Haus des Oberprieſters Neithoteph, deſſen Stern- und Meßkunde ſelbſt Pythagoras hochpries. Es grenzt an die Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Her- rin von Sais, führt. Jch wollte, ich dürfte Dir den hei- ligen Hain mit ſeinen prächtigen Bäumen, die köſtlichen Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Geſtalt der Lotosblumen 120) nachahmen, und die koloſſale Kapelle von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem Stein arbeiten ließ, um ſie der Göttin zu verehren 121); die Prieſter unterſagen aber leider jedem Fremden den Zu- tritt. Komm’, wir wollen jetzt meine Gattin und Töchter

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/91>, abgerufen am 27.04.2024.