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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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aufsuchen, denn sie haben Dich herzlich lieb gewonnen, und
ich wünsche, daß Du dem armen Mädchen freundlich ge-
sinnt sein mögest, -- ehe Du mit ihr in das ferne Land
und zu den fremden Menschen ziehst, deren Fürstin sie
werden soll. Nicht wahr, Du wirst Dich ihrer annehmen?"
-- "Verlasse Dich darauf," betheuerte Krösus, den Hände-
druck des Amasis erwiedernd. "Jch will Deiner Nitetis
gleich einem Vater zur Seite stehen, und sie wird meiner
bedürfen, denn die Frauengemächer der persischen Paläste
haben gar schlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit
vieler Rücksicht begegnet werden. Kambyses darf mit sei-
ner Wahl zufrieden sein und wird es hoch aufnehmen, daß
Du ihm Dein schönstes Kind anvertraust. Nebenchari hatte
nur von Deiner andern Tochter, Tachot, gesprochen."

"Jch aber sende dennoch meine schöne Nitetis. Tachot
ist so zart, daß sie die Anstrengungen der Reise und den
Schmerz der Trennung kaum ertragen würde. Wenn ich
meinem Herzen folgte, so dürfte auch Nitetis nicht nach
Persien. Aber Aegypten bedarf des Friedens und ich war
König, bevor ich Vater wurde!"



aufſuchen, denn ſie haben Dich herzlich lieb gewonnen, und
ich wünſche, daß Du dem armen Mädchen freundlich ge-
ſinnt ſein mögeſt, — ehe Du mit ihr in das ferne Land
und zu den fremden Menſchen ziehſt, deren Fürſtin ſie
werden ſoll. Nicht wahr, Du wirſt Dich ihrer annehmen?“
— „Verlaſſe Dich darauf,“ betheuerte Kröſus, den Hände-
druck des Amaſis erwiedernd. „Jch will Deiner Nitetis
gleich einem Vater zur Seite ſtehen, und ſie wird meiner
bedürfen, denn die Frauengemächer der perſiſchen Paläſte
haben gar ſchlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit
vieler Rückſicht begegnet werden. Kambyſes darf mit ſei-
ner Wahl zufrieden ſein und wird es hoch aufnehmen, daß
Du ihm Dein ſchönſtes Kind anvertrauſt. Nebenchari hatte
nur von Deiner andern Tochter, Tachot, geſprochen.“

„Jch aber ſende dennoch meine ſchöne Nitetis. Tachot
iſt ſo zart, daß ſie die Anſtrengungen der Reiſe und den
Schmerz der Trennung kaum ertragen würde. Wenn ich
meinem Herzen folgte, ſo dürfte auch Nitetis nicht nach
Perſien. Aber Aegypten bedarf des Friedens und ich war
König, bevor ich Vater wurde!“



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[74/0092] aufſuchen, denn ſie haben Dich herzlich lieb gewonnen, und ich wünſche, daß Du dem armen Mädchen freundlich ge- ſinnt ſein mögeſt, — ehe Du mit ihr in das ferne Land und zu den fremden Menſchen ziehſt, deren Fürſtin ſie werden ſoll. Nicht wahr, Du wirſt Dich ihrer annehmen?“ — „Verlaſſe Dich darauf,“ betheuerte Kröſus, den Hände- druck des Amaſis erwiedernd. „Jch will Deiner Nitetis gleich einem Vater zur Seite ſtehen, und ſie wird meiner bedürfen, denn die Frauengemächer der perſiſchen Paläſte haben gar ſchlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit vieler Rückſicht begegnet werden. Kambyſes darf mit ſei- ner Wahl zufrieden ſein und wird es hoch aufnehmen, daß Du ihm Dein ſchönſtes Kind anvertrauſt. Nebenchari hatte nur von Deiner andern Tochter, Tachot, geſprochen.“ „Jch aber ſende dennoch meine ſchöne Nitetis. Tachot iſt ſo zart, daß ſie die Anſtrengungen der Reiſe und den Schmerz der Trennung kaum ertragen würde. Wenn ich meinem Herzen folgte, ſo dürfte auch Nitetis nicht nach Perſien. Aber Aegypten bedarf des Friedens und ich war König, bevor ich Vater wurde!“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/92>, abgerufen am 27.04.2024.