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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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brachten mit abergläubiger Ehrfurcht hangen, sie, denen
alles Fremde ein Gräuel ist und jeden Ausländer für den
natürlichen Gegner ihres Ansehens und ihrer Lehren hal-
ten, lenken das Frömmste aller Völker mit beinahe unum-
schränkter Gewalt. Darum mußte ich ihnen die schönsten
meiner Pläne opfern, darum muß ich mein Leben nach
ihren strengen Satzungen, als unfreiester aller Menschen,
hinschwinden sehen, darum werde ich unbefriedigt sterben
und nicht einmal sicher sein, ob mir die zürnende, stolze
Schaar der Vermittler zwischen Mensch und Gottheit die
ewige Ruhe im Grabe gönnen wird!"

"Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher!" unter-
brach ihn Krösus mitleidig lächelnd, "ich verstehe Deine
Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben
schon manchen einzelnen Menschen gekannt habe, der ernst
und finster durch's Leben ging, -- so glaubte ich doch
nicht, daß es ein ganzes großes Geschlecht geben könne,
dem düstere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen
der Giftzahn. So viele Priester ich auf meiner Reise
hierher und an Deinem Hofe gesehen habe, so vielen fin-
steren Gesichtern bin ich begegnet. Selbst die Jünglinge,
welche Dich bedienen, sah ich niemals lächeln; und Froh-
sinn pflegt doch, -- wie die Blumen dem Frühling, der
Jugend als holdes Vermächtniß der Gottheit anzugehören."

"Euer Anblick ist den Priestern verhaßt," antwortete
Amasis," und sie lassen mich meine Verbindung mit euch,
den Fremden, durch mürrisches Wesen entgelten. Jene
Knaben, deren Du erwähntest, die Söhne der Vornehm-
sten unter ihnen 116), sind die größte Plage meines Lebens.
Sie thun mir Sclavendienste und gehorchen meinen leise-
sten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu solchen
Geschäften hergeben, sollte man für die gehorsamsten, ehr-

brachten mit abergläubiger Ehrfurcht hangen, ſie, denen
alles Fremde ein Gräuel iſt und jeden Ausländer für den
natürlichen Gegner ihres Anſehens und ihrer Lehren hal-
ten, lenken das Frömmſte aller Völker mit beinahe unum-
ſchränkter Gewalt. Darum mußte ich ihnen die ſchönſten
meiner Pläne opfern, darum muß ich mein Leben nach
ihren ſtrengen Satzungen, als unfreieſter aller Menſchen,
hinſchwinden ſehen, darum werde ich unbefriedigt ſterben
und nicht einmal ſicher ſein, ob mir die zürnende, ſtolze
Schaar der Vermittler zwiſchen Menſch und Gottheit die
ewige Ruhe im Grabe gönnen wird!“

„Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher!“ unter-
brach ihn Kröſus mitleidig lächelnd, „ich verſtehe Deine
Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben
ſchon manchen einzelnen Menſchen gekannt habe, der ernſt
und finſter durch’s Leben ging, — ſo glaubte ich doch
nicht, daß es ein ganzes großes Geſchlecht geben könne,
dem düſtere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen
der Giftzahn. So viele Prieſter ich auf meiner Reiſe
hierher und an Deinem Hofe geſehen habe, ſo vielen fin-
ſteren Geſichtern bin ich begegnet. Selbſt die Jünglinge,
welche Dich bedienen, ſah ich niemals lächeln; und Froh-
ſinn pflegt doch, — wie die Blumen dem Frühling, der
Jugend als holdes Vermächtniß der Gottheit anzugehören.“

„Euer Anblick iſt den Prieſtern verhaßt,“ antwortete
Amaſis,“ und ſie laſſen mich meine Verbindung mit euch,
den Fremden, durch mürriſches Weſen entgelten. Jene
Knaben, deren Du erwähnteſt, die Söhne der Vornehm-
ſten unter ihnen 116), ſind die größte Plage meines Lebens.
Sie thun mir Sclavendienſte und gehorchen meinen leiſe-
ſten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu ſolchen
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[70/0088] brachten mit abergläubiger Ehrfurcht hangen, ſie, denen alles Fremde ein Gräuel iſt und jeden Ausländer für den natürlichen Gegner ihres Anſehens und ihrer Lehren hal- ten, lenken das Frömmſte aller Völker mit beinahe unum- ſchränkter Gewalt. Darum mußte ich ihnen die ſchönſten meiner Pläne opfern, darum muß ich mein Leben nach ihren ſtrengen Satzungen, als unfreieſter aller Menſchen, hinſchwinden ſehen, darum werde ich unbefriedigt ſterben und nicht einmal ſicher ſein, ob mir die zürnende, ſtolze Schaar der Vermittler zwiſchen Menſch und Gottheit die ewige Ruhe im Grabe gönnen wird!“ „Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher!“ unter- brach ihn Kröſus mitleidig lächelnd, „ich verſtehe Deine Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben ſchon manchen einzelnen Menſchen gekannt habe, der ernſt und finſter durch’s Leben ging, — ſo glaubte ich doch nicht, daß es ein ganzes großes Geſchlecht geben könne, dem düſtere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen der Giftzahn. So viele Prieſter ich auf meiner Reiſe hierher und an Deinem Hofe geſehen habe, ſo vielen fin- ſteren Geſichtern bin ich begegnet. Selbſt die Jünglinge, welche Dich bedienen, ſah ich niemals lächeln; und Froh- ſinn pflegt doch, — wie die Blumen dem Frühling, der Jugend als holdes Vermächtniß der Gottheit anzugehören.“ „Euer Anblick iſt den Prieſtern verhaßt,“ antwortete Amaſis,“ und ſie laſſen mich meine Verbindung mit euch, den Fremden, durch mürriſches Weſen entgelten. Jene Knaben, deren Du erwähnteſt, die Söhne der Vornehm- ſten unter ihnen 116), ſind die größte Plage meines Lebens. Sie thun mir Sclavendienſte und gehorchen meinen leiſe- ſten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu ſolchen Geſchäften hergeben, ſollte man für die gehorſamſten, ehr-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/88>, abgerufen am 27.04.2024.