die Perser Sardes nahmen und ein Soldat sein Schwert über meinen Scheitel erhob, da hörte ich nach langen Jahren das erste Wort aus dem Munde meines geliebten Sohnes, ward mir zum Erstenmale klar, wo das wahre Glück zu suchen sei. Ein jeder trägt es als verborgenen Keim in seinem Herzen. Der zufriedene geduldige Sinn, der sich auch an dem Kleinsten erfreut, -- das Leid ohne Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen versüßt, das Maßhalten in allen Dingen, das feste Zutrauen auf die Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das Schlimmste an uns vorübergehen muß, weil ja jedes Ding dem Wechsel unterworfen ist, -- dieß Alles zeitigt unfehlbar den verborgenen Glückskeim in unserer Brust, und gewährt uns die Kraft zu lächeln, -- wenn der Glückspilz, welcher sein Gold für das Höchste achtet und sein armes Jch auf den Altar der Gottheit erhebt, verza- gen und verzweifeln möchte."
Amasis hörte aufmerksam zu, mit der goldenen Blume auf seinem Stabe, Figuren in den Sand kritzelnd; dann sagte er:
"Wahrhaftig, Krösus, ich, der ,große Gott', ,die Sonne der Gerechtigkeit', ,der Sohn der Neith', wie die Aegypter mich nennen 112), bin versucht, Dich, Aermsten, Beraubten und Entthronten, zu beneiden. Ach, in frühe- ren Tagen war ich glücklich, wie Du es bist. Ganz Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns, wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenstreiche, meines leichten Sinns und meines Uebermuths 113). Der gemeine Soldat trug mich auf Händen, -- meine Vorge- setzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amasis ließ man aber Alles durchgehen; meine Genossen, die Un- terbefehlshaber des Heeres, kannten keine Festfreude ohne
die Perſer Sardes nahmen und ein Soldat ſein Schwert über meinen Scheitel erhob, da hörte ich nach langen Jahren das erſte Wort aus dem Munde meines geliebten Sohnes, ward mir zum Erſtenmale klar, wo das wahre Glück zu ſuchen ſei. Ein jeder trägt es als verborgenen Keim in ſeinem Herzen. Der zufriedene geduldige Sinn, der ſich auch an dem Kleinſten erfreut, — das Leid ohne Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen verſüßt, das Maßhalten in allen Dingen, das feſte Zutrauen auf die Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das Schlimmſte an uns vorübergehen muß, weil ja jedes Ding dem Wechſel unterworfen iſt, — dieß Alles zeitigt unfehlbar den verborgenen Glückskeim in unſerer Bruſt, und gewährt uns die Kraft zu lächeln, — wenn der Glückspilz, welcher ſein Gold für das Höchſte achtet und ſein armes Jch auf den Altar der Gottheit erhebt, verza- gen und verzweifeln möchte.“
Amaſis hörte aufmerkſam zu, mit der goldenen Blume auf ſeinem Stabe, Figuren in den Sand kritzelnd; dann ſagte er:
„Wahrhaftig, Kröſus, ich, der ‚große Gott‘, ‚die Sonne der Gerechtigkeit‘, ‚der Sohn der Neith‘, wie die Aegypter mich nennen 112), bin verſucht, Dich, Aermſten, Beraubten und Entthronten, zu beneiden. Ach, in frühe- ren Tagen war ich glücklich, wie Du es biſt. Ganz Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns, wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenſtreiche, meines leichten Sinns und meines Uebermuths 113). Der gemeine Soldat trug mich auf Händen, — meine Vorge- ſetzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amaſis ließ man aber Alles durchgehen; meine Genoſſen, die Un- terbefehlshaber des Heeres, kannten keine Feſtfreude ohne
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0085"n="67"/>
die Perſer Sardes nahmen und ein Soldat ſein Schwert<lb/>
über meinen Scheitel erhob, da hörte ich nach langen<lb/>
Jahren das erſte Wort aus dem Munde meines geliebten<lb/>
Sohnes, ward mir zum Erſtenmale klar, wo das wahre<lb/>
Glück zu ſuchen ſei. Ein jeder trägt es als verborgenen<lb/>
Keim in ſeinem Herzen. Der zufriedene geduldige Sinn,<lb/>
der ſich auch an dem Kleinſten erfreut, — das Leid ohne<lb/>
Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen verſüßt, das<lb/>
Maßhalten in allen Dingen, das feſte Zutrauen auf die<lb/>
Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das<lb/>
Schlimmſte an uns vorübergehen muß, weil ja jedes<lb/>
Ding dem Wechſel unterworfen iſt, — dieß Alles zeitigt<lb/>
unfehlbar den verborgenen Glückskeim in unſerer Bruſt,<lb/>
und gewährt uns die Kraft zu lächeln, — wenn der<lb/>
Glückspilz, welcher ſein Gold für das Höchſte achtet und<lb/>ſein armes Jch auf den Altar der Gottheit erhebt, verza-<lb/>
gen und verzweifeln möchte.“</p><lb/><p>Amaſis hörte aufmerkſam zu, mit der goldenen<lb/>
Blume auf ſeinem Stabe, Figuren in den Sand kritzelnd;<lb/>
dann ſagte er:</p><lb/><p>„Wahrhaftig, Kröſus, ich, der ‚große Gott‘, ‚die<lb/>
Sonne der Gerechtigkeit‘, ‚der Sohn der Neith‘, wie die<lb/>
Aegypter mich nennen <hirendition="#sup">112</hi>), bin verſucht, Dich, Aermſten,<lb/>
Beraubten und Entthronten, zu beneiden. Ach, in frühe-<lb/>
ren Tagen war ich glücklich, wie Du es biſt. Ganz<lb/>
Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns,<lb/>
wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenſtreiche,<lb/>
meines leichten Sinns und meines Uebermuths <hirendition="#sup">113</hi>). Der<lb/>
gemeine Soldat trug mich auf Händen, — meine Vorge-<lb/>ſetzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amaſis<lb/>
ließ man aber Alles durchgehen; meine Genoſſen, die Un-<lb/>
terbefehlshaber des Heeres, kannten keine Feſtfreude ohne<lb/></p></div></body></text></TEI>
[67/0085]
die Perſer Sardes nahmen und ein Soldat ſein Schwert
über meinen Scheitel erhob, da hörte ich nach langen
Jahren das erſte Wort aus dem Munde meines geliebten
Sohnes, ward mir zum Erſtenmale klar, wo das wahre
Glück zu ſuchen ſei. Ein jeder trägt es als verborgenen
Keim in ſeinem Herzen. Der zufriedene geduldige Sinn,
der ſich auch an dem Kleinſten erfreut, — das Leid ohne
Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen verſüßt, das
Maßhalten in allen Dingen, das feſte Zutrauen auf die
Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das
Schlimmſte an uns vorübergehen muß, weil ja jedes
Ding dem Wechſel unterworfen iſt, — dieß Alles zeitigt
unfehlbar den verborgenen Glückskeim in unſerer Bruſt,
und gewährt uns die Kraft zu lächeln, — wenn der
Glückspilz, welcher ſein Gold für das Höchſte achtet und
ſein armes Jch auf den Altar der Gottheit erhebt, verza-
gen und verzweifeln möchte.“
Amaſis hörte aufmerkſam zu, mit der goldenen
Blume auf ſeinem Stabe, Figuren in den Sand kritzelnd;
dann ſagte er:
„Wahrhaftig, Kröſus, ich, der ‚große Gott‘, ‚die
Sonne der Gerechtigkeit‘, ‚der Sohn der Neith‘, wie die
Aegypter mich nennen 112), bin verſucht, Dich, Aermſten,
Beraubten und Entthronten, zu beneiden. Ach, in frühe-
ren Tagen war ich glücklich, wie Du es biſt. Ganz
Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns,
wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenſtreiche,
meines leichten Sinns und meines Uebermuths 113). Der
gemeine Soldat trug mich auf Händen, — meine Vorge-
ſetzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amaſis
ließ man aber Alles durchgehen; meine Genoſſen, die Un-
terbefehlshaber des Heeres, kannten keine Feſtfreude ohne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/85>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.