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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Und Du der meine," unterbrach ihn der Lyder.

"Jch bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem
Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte
durchzusetzen verstehst, -- ich bin Dir dankbar, wegen der
Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begeg-
nest, ich betrachte Dich wie einen Glücksverwandten,
denn auch Du hast alles Wohl und Wehe, welches das
Leben nur immer bieten kann, durchlaufen!"

"Mit dem Unterschiede," lächelte Amasis, "daß wir
von verschiedenen Enden angefangen haben. Dir ward
erst das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging
es umgekehrt; wenn ich nämlich voraussetze," fügte er
seufzend hinzu, "daß ich mich in meinem jetzigen Glücke
wohl befinde."

"Und ich," lächelte Krösus, "wenn ich zugebe, unter
meinem sogenannten Unglücke zu leiden."

"Wie könnte das anders sein nach dem Verluste so
großen Besitzes?"

"Liegt denn das Glück im Besitze?" fragte Krösus.
"Jst denn das Glück überhaupt ein Besitz? Nimmermehr!
Glück ist nichts als eine Empfindung, ein Gefühl, wel-
ches die neidischen Götter dem Dürftigen öfter gewähren,
als dem Mächtigen, dessen klarer Blick von prunkenden
Schätzen geblendet wird."

Amasis seufzte und sprach: "Jch wünschte, daß ich
Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Ver-
gangenheit zurückdenke, so muß ich gestehen, daß von der
Stunde an, welche mir das sogenannte Glück brachte, die
Sorgen meines Lebens begannen." -- "Und ich versichere
Dich," unterbrach ihn Krösus, "daß ich Dir für Deine
verspätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des
Unheils das erste reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als

„Und Du der meine,“ unterbrach ihn der Lyder.

„Jch bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem
Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte
durchzuſetzen verſtehſt, — ich bin Dir dankbar, wegen der
Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begeg-
neſt, ich betrachte Dich wie einen Glücksverwandten,
denn auch Du haſt alles Wohl und Wehe, welches das
Leben nur immer bieten kann, durchlaufen!“

„Mit dem Unterſchiede,“ lächelte Amaſis, „daß wir
von verſchiedenen Enden angefangen haben. Dir ward
erſt das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging
es umgekehrt; wenn ich nämlich vorausſetze,“ fügte er
ſeufzend hinzu, „daß ich mich in meinem jetzigen Glücke
wohl befinde.“

„Und ich,“ lächelte Kröſus, „wenn ich zugebe, unter
meinem ſogenannten Unglücke zu leiden.“

„Wie könnte das anders ſein nach dem Verluſte ſo
großen Beſitzes?“

„Liegt denn das Glück im Beſitze?“ fragte Kröſus.
„Jſt denn das Glück überhaupt ein Beſitz? Nimmermehr!
Glück iſt nichts als eine Empfindung, ein Gefühl, wel-
ches die neidiſchen Götter dem Dürftigen öfter gewähren,
als dem Mächtigen, deſſen klarer Blick von prunkenden
Schätzen geblendet wird.“

Amaſis ſeufzte und ſprach: „Jch wünſchte, daß ich
Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Ver-
gangenheit zurückdenke, ſo muß ich geſtehen, daß von der
Stunde an, welche mir das ſogenannte Glück brachte, die
Sorgen meines Lebens begannen.“ — „Und ich verſichere
Dich,“ unterbrach ihn Kröſus, „daß ich Dir für Deine
verſpätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des
Unheils das erſte reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als

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[66/0084] „Und Du der meine,“ unterbrach ihn der Lyder. „Jch bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte durchzuſetzen verſtehſt, — ich bin Dir dankbar, wegen der Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begeg- neſt, ich betrachte Dich wie einen Glücksverwandten, denn auch Du haſt alles Wohl und Wehe, welches das Leben nur immer bieten kann, durchlaufen!“ „Mit dem Unterſchiede,“ lächelte Amaſis, „daß wir von verſchiedenen Enden angefangen haben. Dir ward erſt das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging es umgekehrt; wenn ich nämlich vorausſetze,“ fügte er ſeufzend hinzu, „daß ich mich in meinem jetzigen Glücke wohl befinde.“ „Und ich,“ lächelte Kröſus, „wenn ich zugebe, unter meinem ſogenannten Unglücke zu leiden.“ „Wie könnte das anders ſein nach dem Verluſte ſo großen Beſitzes?“ „Liegt denn das Glück im Beſitze?“ fragte Kröſus. „Jſt denn das Glück überhaupt ein Beſitz? Nimmermehr! Glück iſt nichts als eine Empfindung, ein Gefühl, wel- ches die neidiſchen Götter dem Dürftigen öfter gewähren, als dem Mächtigen, deſſen klarer Blick von prunkenden Schätzen geblendet wird.“ Amaſis ſeufzte und ſprach: „Jch wünſchte, daß ich Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Ver- gangenheit zurückdenke, ſo muß ich geſtehen, daß von der Stunde an, welche mir das ſogenannte Glück brachte, die Sorgen meines Lebens begannen.“ — „Und ich verſichere Dich,“ unterbrach ihn Kröſus, „daß ich Dir für Deine verſpätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des Unheils das erſte reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/84>, abgerufen am 27.04.2024.