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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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hatte, seinen Fuß auf ägyptischen Boden setzen durfte.
Jetzt wimmeln unsere Straßen freilich von trügerischen
Syrern, besonders aber von jenen unverschämten Helle-
nen, welche die Götter vernichten mögen! Da sieh nur,
das ist nun schon die dritte Barke voller Fremder. Und
weißt Du, wer diese Perser sind? Der Oberpriester hat
gesagt, in ihrem ganzen Reiche, das so groß sei, wie die
halbe Welt, gäbe es keinen einzigen Tempel für die Göt-
ter; die Mumien ihrer Todten ließen sie aber, statt ihnen
ein ehrenvolles Begräbniß zu gewähren, von Hunden und
Geiern zerreißen" 107).

Der Schneider gab Zeichen großen Erstaunens und
noch größerer Entrüstung von sich; dann wies er mit dem
Finger nach der Landungstreppe und sagte:

"Das ist doch zu arg; da landet die sechste Barke
voller Fremder!"

"Ja es ist arg!" seufzte der Tempeldiener, "sollte
man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran?
Amasis wird es noch so lange treiben, bis ihn die Frem-
den von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie
einst die bösen Hyksos 108) und die schwarzen Aethioper,
knechten und plündern."

"Die siebente Barke!" rief der Schneider.

"Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais,
soll mich verderben," klagte der Tempeldiener, "wenn ich
den König begreife. Drei Lastbarken hat er für das Ge-
päck und die Dienerschaft der persischen Gesandten nach
dem gottverhaßten Giftneste Naukratis geschickt; statt jener
drei mußten aber acht Kähne herbeigeschafft werden, denn
neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kisten,
Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Tod-
tenschänder ein ganzes Heer von Dienern 1000 Meilen

hatte, ſeinen Fuß auf ägyptiſchen Boden ſetzen durfte.
Jetzt wimmeln unſere Straßen freilich von trügeriſchen
Syrern, beſonders aber von jenen unverſchämten Helle-
nen, welche die Götter vernichten mögen! Da ſieh nur,
das iſt nun ſchon die dritte Barke voller Fremder. Und
weißt Du, wer dieſe Perſer ſind? Der Oberprieſter hat
geſagt, in ihrem ganzen Reiche, das ſo groß ſei, wie die
halbe Welt, gäbe es keinen einzigen Tempel für die Göt-
ter; die Mumien ihrer Todten ließen ſie aber, ſtatt ihnen
ein ehrenvolles Begräbniß zu gewähren, von Hunden und
Geiern zerreißen“ 107).

Der Schneider gab Zeichen großen Erſtaunens und
noch größerer Entrüſtung von ſich; dann wies er mit dem
Finger nach der Landungstreppe und ſagte:

„Das iſt doch zu arg; da landet die ſechste Barke
voller Fremder!“

„Ja es iſt arg!“ ſeufzte der Tempeldiener, „ſollte
man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran?
Amaſis wird es noch ſo lange treiben, bis ihn die Frem-
den von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie
einſt die böſen Hykſos 108) und die ſchwarzen Aethioper,
knechten und plündern.“

„Die ſiebente Barke!“ rief der Schneider.

„Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais,
ſoll mich verderben,“ klagte der Tempeldiener, „wenn ich
den König begreife. Drei Laſtbarken hat er für das Ge-
päck und die Dienerſchaft der perſiſchen Geſandten nach
dem gottverhaßten Giftneſte Naukratis geſchickt; ſtatt jener
drei mußten aber acht Kähne herbeigeſchafft werden, denn
neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kiſten,
Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Tod-
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[63/0081] hatte, ſeinen Fuß auf ägyptiſchen Boden ſetzen durfte. Jetzt wimmeln unſere Straßen freilich von trügeriſchen Syrern, beſonders aber von jenen unverſchämten Helle- nen, welche die Götter vernichten mögen! Da ſieh nur, das iſt nun ſchon die dritte Barke voller Fremder. Und weißt Du, wer dieſe Perſer ſind? Der Oberprieſter hat geſagt, in ihrem ganzen Reiche, das ſo groß ſei, wie die halbe Welt, gäbe es keinen einzigen Tempel für die Göt- ter; die Mumien ihrer Todten ließen ſie aber, ſtatt ihnen ein ehrenvolles Begräbniß zu gewähren, von Hunden und Geiern zerreißen“ 107). Der Schneider gab Zeichen großen Erſtaunens und noch größerer Entrüſtung von ſich; dann wies er mit dem Finger nach der Landungstreppe und ſagte: „Das iſt doch zu arg; da landet die ſechste Barke voller Fremder!“ „Ja es iſt arg!“ ſeufzte der Tempeldiener, „ſollte man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran? Amaſis wird es noch ſo lange treiben, bis ihn die Frem- den von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie einſt die böſen Hykſos 108) und die ſchwarzen Aethioper, knechten und plündern.“ „Die ſiebente Barke!“ rief der Schneider. „Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais, ſoll mich verderben,“ klagte der Tempeldiener, „wenn ich den König begreife. Drei Laſtbarken hat er für das Ge- päck und die Dienerſchaft der perſiſchen Geſandten nach dem gottverhaßten Giftneſte Naukratis geſchickt; ſtatt jener drei mußten aber acht Kähne herbeigeſchafft werden, denn neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kiſten, Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Tod- tenſchänder ein ganzes Heer von Dienern 1000 Meilen

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/81>, abgerufen am 27.04.2024.