Perser, Freund des Bartja und Darius; endlich aber er- schien der schlanke, bleiche Sohn des Krösus, Gyges, der, nachdem er in seinem vierten Jahre stumm geworden war, durch die Todesangst, welche er bei der Einnahme von Sardes um seinen Vater ausgestanden, die Sprache zurück- erlangt hatte 106).
Psamtik stieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen entgegen. Sein gelbliches, strenges Angesicht bemühte sich freundlich zn lächeln. Die Würdenträger, welche ihm folgten, verneigten sich beinahe bis zur Erde vor den Fremden, indem sie die Arme schlaff herunter hängen lie- ßen. Die Perser kreuzten die Hände über der Brust und warfen sich vor dem Thronerben nieder. Als die ersten Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der Sitte seiner Heimat, zur Verwunderung des, solchen Anblicks ungewohnten Volkes die gelbe Wange des ägyp- tischen Königssohnes, und begab sich mit seinen Führern zu den harrenden Sänften, um sich in die, für ihn und seine Begleiter bestimmte Wohnung im Königsschlosse von Sais tragen zu lassen.
Ein Theil des Volkes strömte den Fremdlingen nach; die meisten Zuschauer verharrten aber auf ihren Plätzen, denn sie wußten, daß noch mancher nie gesehene Anblick ihrer wartete.
"Willst Du dem geputzten Grasaffen und den andern Kindern des Typhon nachlaufen?" fragte der mißvergnügte Tempeldiener seinen Nachbar, einen ehrsamen saitischen Schneidermeister.
"Jch sage Dir, Puhor, und auch der Oberpriester hat es gesagt, diese Eindringlinge werden dem schwarzen Lande nichts als Unheil bringen! Da lob' ich mir die alte gute Zeit, wo kein Fremdling, der sein Leben lieb
Perſer, Freund des Bartja und Darius; endlich aber er- ſchien der ſchlanke, bleiche Sohn des Kröſus, Gyges, der, nachdem er in ſeinem vierten Jahre ſtumm geworden war, durch die Todesangſt, welche er bei der Einnahme von Sardes um ſeinen Vater ausgeſtanden, die Sprache zurück- erlangt hatte 106).
Pſamtik ſtieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen entgegen. Sein gelbliches, ſtrenges Angeſicht bemühte ſich freundlich zn lächeln. Die Würdenträger, welche ihm folgten, verneigten ſich beinahe bis zur Erde vor den Fremden, indem ſie die Arme ſchlaff herunter hängen lie- ßen. Die Perſer kreuzten die Hände über der Bruſt und warfen ſich vor dem Thronerben nieder. Als die erſten Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der Sitte ſeiner Heimat, zur Verwunderung des, ſolchen Anblicks ungewohnten Volkes die gelbe Wange des ägyp- tiſchen Königsſohnes, und begab ſich mit ſeinen Führern zu den harrenden Sänften, um ſich in die, für ihn und ſeine Begleiter beſtimmte Wohnung im Königsſchloſſe von Sais tragen zu laſſen.
Ein Theil des Volkes ſtrömte den Fremdlingen nach; die meiſten Zuſchauer verharrten aber auf ihren Plätzen, denn ſie wußten, daß noch mancher nie geſehene Anblick ihrer wartete.
„Willſt Du dem geputzten Grasaffen und den andern Kindern des Typhon nachlaufen?“ fragte der mißvergnügte Tempeldiener ſeinen Nachbar, einen ehrſamen ſaitiſchen Schneidermeiſter.
„Jch ſage Dir, Puhor, und auch der Oberprieſter hat es geſagt, dieſe Eindringlinge werden dem ſchwarzen Lande nichts als Unheil bringen! Da lob’ ich mir die alte gute Zeit, wo kein Fremdling, der ſein Leben lieb
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Perſer, Freund des Bartja und Darius; endlich aber er-
ſchien der ſchlanke, bleiche Sohn des Kröſus, Gyges, der,
nachdem er in ſeinem vierten Jahre ſtumm geworden war,
durch die Todesangſt, welche er bei der Einnahme von
Sardes um ſeinen Vater ausgeſtanden, die Sprache zurück-
erlangt hatte 106).
Pſamtik ſtieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen
entgegen. Sein gelbliches, ſtrenges Angeſicht bemühte ſich
freundlich zn lächeln. Die Würdenträger, welche ihm
folgten, verneigten ſich beinahe bis zur Erde vor den
Fremden, indem ſie die Arme ſchlaff herunter hängen lie-
ßen. Die Perſer kreuzten die Hände über der Bruſt und
warfen ſich vor dem Thronerben nieder. Als die erſten
Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der
Sitte ſeiner Heimat, zur Verwunderung des, ſolchen
Anblicks ungewohnten Volkes die gelbe Wange des ägyp-
tiſchen Königsſohnes, und begab ſich mit ſeinen Führern
zu den harrenden Sänften, um ſich in die, für ihn und
ſeine Begleiter beſtimmte Wohnung im Königsſchloſſe von
Sais tragen zu laſſen.
Ein Theil des Volkes ſtrömte den Fremdlingen nach;
die meiſten Zuſchauer verharrten aber auf ihren Plätzen,
denn ſie wußten, daß noch mancher nie geſehene Anblick
ihrer wartete.
„Willſt Du dem geputzten Grasaffen und den andern
Kindern des Typhon nachlaufen?“ fragte der mißvergnügte
Tempeldiener ſeinen Nachbar, einen ehrſamen ſaitiſchen
Schneidermeiſter.
„Jch ſage Dir, Puhor, und auch der Oberprieſter hat
es geſagt, dieſe Eindringlinge werden dem ſchwarzen
Lande nichts als Unheil bringen! Da lob’ ich mir die
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/80>, abgerufen am 22.07.2024.
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