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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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weit hierher geschleppt. Unter ihnen sollen Menschen sein,
die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder
Salben zu bereiten 109). Auch ihre Priester, die sie Ma-
gier nennen, haben sie bei sich. Jch möchte nur wissen,
wozu diese Menschen da sind? Was soll der Priester, wo
kein Tempel ist?"



Der greise König Amasis von Aegypten hatte die
persische Gesandtschaft mit aller ihm eignen Liebenswürdig-
keit, kurz nach ihrer Ankunft empfangen. -- Vier Tage
später ging er, nachdem er seine Geschäfte, denen er sich
alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet
hatte, mit dem alten Krösus im Schloßgarten spazieren,
während sich die übrigen Perser in Begleitung des Thron-
erben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden.

Der Schloßgarten, welcher zwar viel großartiger, aber
dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei
der im Nordwesten der Stadt auf einem Hügel gelegenen
Königsburg.

Die beiden Greise ließen sich unter dem Schatten einer
breitästigen Platane, unweit eines riesengroßen Beckens
von rothem Granit, in welches Krokodile von schwarzem
Basalt aus weit geöffnetem Rachen eine Fülle klaren Was-
sers speiten, nieder.

Der entthronte König, um einige Jahre älter als
der mächtige Herrscher an seiner Seite, sah dennoch weit
frischer und kräftiger aus, als dieser. Der Nacken des
hochgewachsenen Amasis war gebeugt; schmächtige Beine
trugen seinen starken Leib, -- sein Antlitz war wohlge-
formt, aber voller Falten. Aus seinen kleinen blitzenden
Augen leuchtete ein frischer Geist, und seine übervollen
Lippen wurden fortwährend von einem schalkhaften, necki-

weit hierher geſchleppt. Unter ihnen ſollen Menſchen ſein,
die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder
Salben zu bereiten 109). Auch ihre Prieſter, die ſie Ma-
gier nennen, haben ſie bei ſich. Jch möchte nur wiſſen,
wozu dieſe Menſchen da ſind? Was ſoll der Prieſter, wo
kein Tempel iſt?“



Der greiſe König Amaſis von Aegypten hatte die
perſiſche Geſandtſchaft mit aller ihm eignen Liebenswürdig-
keit, kurz nach ihrer Ankunft empfangen. — Vier Tage
ſpäter ging er, nachdem er ſeine Geſchäfte, denen er ſich
alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet
hatte, mit dem alten Kröſus im Schloßgarten ſpazieren,
während ſich die übrigen Perſer in Begleitung des Thron-
erben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden.

Der Schloßgarten, welcher zwar viel großartiger, aber
dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei
der im Nordweſten der Stadt auf einem Hügel gelegenen
Königsburg.

Die beiden Greiſe ließen ſich unter dem Schatten einer
breitäſtigen Platane, unweit eines rieſengroßen Beckens
von rothem Granit, in welches Krokodile von ſchwarzem
Baſalt aus weit geöffnetem Rachen eine Fülle klaren Waſ-
ſers ſpeiten, nieder.

Der entthronte König, um einige Jahre älter als
der mächtige Herrſcher an ſeiner Seite, ſah dennoch weit
friſcher und kräftiger aus, als dieſer. Der Nacken des
hochgewachſenen Amaſis war gebeugt; ſchmächtige Beine
trugen ſeinen ſtarken Leib, — ſein Antlitz war wohlge-
formt, aber voller Falten. Aus ſeinen kleinen blitzenden
Augen leuchtete ein friſcher Geiſt, und ſeine übervollen
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[64/0082] weit hierher geſchleppt. Unter ihnen ſollen Menſchen ſein, die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder Salben zu bereiten 109). Auch ihre Prieſter, die ſie Ma- gier nennen, haben ſie bei ſich. Jch möchte nur wiſſen, wozu dieſe Menſchen da ſind? Was ſoll der Prieſter, wo kein Tempel iſt?“ Der greiſe König Amaſis von Aegypten hatte die perſiſche Geſandtſchaft mit aller ihm eignen Liebenswürdig- keit, kurz nach ihrer Ankunft empfangen. — Vier Tage ſpäter ging er, nachdem er ſeine Geſchäfte, denen er ſich alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet hatte, mit dem alten Kröſus im Schloßgarten ſpazieren, während ſich die übrigen Perſer in Begleitung des Thron- erben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden. Der Schloßgarten, welcher zwar viel großartiger, aber dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei der im Nordweſten der Stadt auf einem Hügel gelegenen Königsburg. Die beiden Greiſe ließen ſich unter dem Schatten einer breitäſtigen Platane, unweit eines rieſengroßen Beckens von rothem Granit, in welches Krokodile von ſchwarzem Baſalt aus weit geöffnetem Rachen eine Fülle klaren Waſ- ſers ſpeiten, nieder. Der entthronte König, um einige Jahre älter als der mächtige Herrſcher an ſeiner Seite, ſah dennoch weit friſcher und kräftiger aus, als dieſer. Der Nacken des hochgewachſenen Amaſis war gebeugt; ſchmächtige Beine trugen ſeinen ſtarken Leib, — ſein Antlitz war wohlge- formt, aber voller Falten. Aus ſeinen kleinen blitzenden Augen leuchtete ein friſcher Geiſt, und ſeine übervollen Lippen wurden fortwährend von einem ſchalkhaften, necki-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/82>, abgerufen am 27.04.2024.