Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Kapitel.


Fünf Tage nach jenem Abend im Hause der Rho-
dopis sah man ein ungeheures Menschengedränge am Ha-
fen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Ge-
schlechts standen Kopf an Kopf am Rande des Wassers.

Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Fran-
zen besetzten Kleidern, deren Länge sich nach dem höheren
oder niederen Stande der Träger richteten, mischten sich in
die große Schaar sehniger, halbnackter Männer, deren ein-
zige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemei-
nen Mannes, bestand. Nackte Kinder drängten, stießen
und schlugen sich, um einen bessern Platz zu erlangen. --
Mütter in kurzen Mänteln 92) hielten ihre Kleinen, wenn
sie dadurch auch selbst des erwarteten Anblicks beraubt
wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und
Katzen balgte sich zu Füßen der Schaulustigen, welche sich
vorsichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu tre-
ten oder zu verletzen.

Sicherheitsbeamte mit langen Stäben 93) in der Hand,
deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten,
sorgten für Ruhe und Ordnung, besonders aber dafür, daß
niemand durch seinen nachdrängenden Hintermann in den

Viertes Kapitel.


Fünf Tage nach jenem Abend im Hauſe der Rho-
dopis ſah man ein ungeheures Menſchengedränge am Ha-
fen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Ge-
ſchlechts ſtanden Kopf an Kopf am Rande des Waſſers.

Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Fran-
zen beſetzten Kleidern, deren Länge ſich nach dem höheren
oder niederen Stande der Träger richteten, miſchten ſich in
die große Schaar ſehniger, halbnackter Männer, deren ein-
zige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemei-
nen Mannes, beſtand. Nackte Kinder drängten, ſtießen
und ſchlugen ſich, um einen beſſern Platz zu erlangen. —
Mütter in kurzen Mänteln 92) hielten ihre Kleinen, wenn
ſie dadurch auch ſelbſt des erwarteten Anblicks beraubt
wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und
Katzen balgte ſich zu Füßen der Schauluſtigen, welche ſich
vorſichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu tre-
ten oder zu verletzen.

Sicherheitsbeamte mit langen Stäben 93) in der Hand,
deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten,
ſorgten für Ruhe und Ordnung, beſonders aber dafür, daß
niemand durch ſeinen nachdrängenden Hintermann in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0075" n="[57]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Viertes Kapitel.</hi> </hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">F</hi>ünf Tage nach jenem Abend im Hau&#x017F;e der Rho-<lb/>
dopis &#x017F;ah man ein ungeheures Men&#x017F;chengedränge am Ha-<lb/>
fen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts &#x017F;tanden Kopf an Kopf am Rande des Wa&#x017F;&#x017F;ers.</p><lb/>
        <p>Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Fran-<lb/>
zen be&#x017F;etzten Kleidern, deren Länge &#x017F;ich nach dem höheren<lb/>
oder niederen Stande der Träger richteten, mi&#x017F;chten &#x017F;ich in<lb/>
die große Schaar &#x017F;ehniger, halbnackter Männer, deren ein-<lb/>
zige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemei-<lb/>
nen Mannes, be&#x017F;tand. Nackte Kinder drängten, &#x017F;tießen<lb/>
und &#x017F;chlugen &#x017F;ich, um einen be&#x017F;&#x017F;ern Platz zu erlangen. &#x2014;<lb/>
Mütter in kurzen Mänteln <hi rendition="#sup">92</hi>) hielten ihre Kleinen, wenn<lb/>
&#x017F;ie dadurch auch &#x017F;elb&#x017F;t des erwarteten Anblicks beraubt<lb/>
wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und<lb/>
Katzen balgte &#x017F;ich zu Füßen der Schaulu&#x017F;tigen, welche &#x017F;ich<lb/>
vor&#x017F;ichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu tre-<lb/>
ten oder zu verletzen.</p><lb/>
        <p>Sicherheitsbeamte mit langen Stäben <hi rendition="#sup">93</hi>) in der Hand,<lb/>
deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten,<lb/>
&#x017F;orgten für Ruhe und Ordnung, be&#x017F;onders aber dafür, daß<lb/>
niemand durch &#x017F;einen nachdrängenden Hintermann in den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[57]/0075] Viertes Kapitel. Fünf Tage nach jenem Abend im Hauſe der Rho- dopis ſah man ein ungeheures Menſchengedränge am Ha- fen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Ge- ſchlechts ſtanden Kopf an Kopf am Rande des Waſſers. Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Fran- zen beſetzten Kleidern, deren Länge ſich nach dem höheren oder niederen Stande der Träger richteten, miſchten ſich in die große Schaar ſehniger, halbnackter Männer, deren ein- zige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemei- nen Mannes, beſtand. Nackte Kinder drängten, ſtießen und ſchlugen ſich, um einen beſſern Platz zu erlangen. — Mütter in kurzen Mänteln 92) hielten ihre Kleinen, wenn ſie dadurch auch ſelbſt des erwarteten Anblicks beraubt wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und Katzen balgte ſich zu Füßen der Schauluſtigen, welche ſich vorſichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu tre- ten oder zu verletzen. Sicherheitsbeamte mit langen Stäben 93) in der Hand, deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten, ſorgten für Ruhe und Ordnung, beſonders aber dafür, daß niemand durch ſeinen nachdrängenden Hintermann in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/75
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/75>, abgerufen am 27.04.2024.