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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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lange sie sich dem Zwingherrn schmählich unterwirft. Willst
Du dem geängstigten Herzen eines Vaters seine Ruhe wie-
dergeben, willst Du ...?"

"Jch will, ich will, Phanes!" rief die Greisin in
unverstellter Herzensfreude. "Du bittest mich um Nichts,
Du machst mir ein Geschenk. O, wie ich mich auf die
Kleinen freue! Und wie wird Sappho jubeln, wenn die
lieben Geschöpfe ankommen und ihre Einsamkeit beleben
werden! Aber das sage ich Dir, Phanes, mit dem ersten
thrakischen Schiffe lasse ich meine kleinen Gäste auf keinen
Fall abreisen! Ein halbes Jährchen länger kannst Du
Dich wohl von ihnen trennen, denn ich stehe dafür, daß
sie trefflichen Unterricht erhalten und zu allem Schönen
und Guten angehalten werden sollen."

"Darüber wäre ich unbesorgt," erwiederte Phanes,
dankbar lächelnd; -- "doch muß es dabei bleiben, daß
Du die beiden Störenfriede mit dem ersten Schiffe reisen
läßt. -- Meine Furcht vor der Rache des Psamtik ist
leider nur zu begründet. Nimm denn schon im Voraus
den herzlichsten Dank für Deine Liebe und Güte gegen die
Kinder. Uebrigens glaube ich selbst, daß die Zerstreuung
durch die munteren Geschöpfe Deiner Sappho in ihrer Ein-
samkeit wohlthun wird."

"Und ferner," unterbrach ihn Rhodopis mit nie-
dergeschlagenen Blicken, "überbietet dieses Zeichen des
Vertrauens tausendfach die mir im Rausche angethane
Schmach. -- Da kommt Sappho!"



lange ſie ſich dem Zwingherrn ſchmählich unterwirft. Willſt
Du dem geängſtigten Herzen eines Vaters ſeine Ruhe wie-
dergeben, willſt Du ...?“

„Jch will, ich will, Phanes!“ rief die Greiſin in
unverſtellter Herzensfreude. „Du bitteſt mich um Nichts,
Du machſt mir ein Geſchenk. O, wie ich mich auf die
Kleinen freue! Und wie wird Sappho jubeln, wenn die
lieben Geſchöpfe ankommen und ihre Einſamkeit beleben
werden! Aber das ſage ich Dir, Phanes, mit dem erſten
thrakiſchen Schiffe laſſe ich meine kleinen Gäſte auf keinen
Fall abreiſen! Ein halbes Jährchen länger kannſt Du
Dich wohl von ihnen trennen, denn ich ſtehe dafür, daß
ſie trefflichen Unterricht erhalten und zu allem Schönen
und Guten angehalten werden ſollen.“

„Darüber wäre ich unbeſorgt,“ erwiederte Phanes,
dankbar lächelnd; — „doch muß es dabei bleiben, daß
Du die beiden Störenfriede mit dem erſten Schiffe reiſen
läßt. — Meine Furcht vor der Rache des Pſamtik iſt
leider nur zu begründet. Nimm denn ſchon im Voraus
den herzlichſten Dank für Deine Liebe und Güte gegen die
Kinder. Uebrigens glaube ich ſelbſt, daß die Zerſtreuung
durch die munteren Geſchöpfe Deiner Sappho in ihrer Ein-
ſamkeit wohlthun wird.“

„Und ferner,“ unterbrach ihn Rhodopis mit nie-
dergeſchlagenen Blicken, „überbietet dieſes Zeichen des
Vertrauens tauſendfach die mir im Rauſche angethane
Schmach. — Da kommt Sappho!“



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[56/0074] lange ſie ſich dem Zwingherrn ſchmählich unterwirft. Willſt Du dem geängſtigten Herzen eines Vaters ſeine Ruhe wie- dergeben, willſt Du ...?“ „Jch will, ich will, Phanes!“ rief die Greiſin in unverſtellter Herzensfreude. „Du bitteſt mich um Nichts, Du machſt mir ein Geſchenk. O, wie ich mich auf die Kleinen freue! Und wie wird Sappho jubeln, wenn die lieben Geſchöpfe ankommen und ihre Einſamkeit beleben werden! Aber das ſage ich Dir, Phanes, mit dem erſten thrakiſchen Schiffe laſſe ich meine kleinen Gäſte auf keinen Fall abreiſen! Ein halbes Jährchen länger kannſt Du Dich wohl von ihnen trennen, denn ich ſtehe dafür, daß ſie trefflichen Unterricht erhalten und zu allem Schönen und Guten angehalten werden ſollen.“ „Darüber wäre ich unbeſorgt,“ erwiederte Phanes, dankbar lächelnd; — „doch muß es dabei bleiben, daß Du die beiden Störenfriede mit dem erſten Schiffe reiſen läßt. — Meine Furcht vor der Rache des Pſamtik iſt leider nur zu begründet. Nimm denn ſchon im Voraus den herzlichſten Dank für Deine Liebe und Güte gegen die Kinder. Uebrigens glaube ich ſelbſt, daß die Zerſtreuung durch die munteren Geſchöpfe Deiner Sappho in ihrer Ein- ſamkeit wohlthun wird.“ „Und ferner,“ unterbrach ihn Rhodopis mit nie- dergeſchlagenen Blicken, „überbietet dieſes Zeichen des Vertrauens tauſendfach die mir im Rauſche angethane Schmach. — Da kommt Sappho!“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/74>, abgerufen am 27.04.2024.