Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864."Meine Frau starb im vorigen Sommer; die Kinder, "Jn vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlassen, und "Jch habe beschlossen, mich nach dem thrakischen Cher- "Willst Du zeigen, daß Du in der That meine "Du siehst, wie hoch ich Dich schätze, denn ich über- „Meine Frau ſtarb im vorigen Sommer; die Kinder, „Jn vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlaſſen, und „Jch habe beſchloſſen, mich nach dem thrakiſchen Cher- „Willſt Du zeigen, daß Du in der That meine „Du ſiehſt, wie hoch ich Dich ſchätze, denn ich über- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0073" n="55"/> <p>„Meine Frau ſtarb im vorigen Sommer; die Kinder,<lb/> ein Knabe von elf und ein Mädchen von zehn Jahren,<lb/> blieben bei ihrer Muhme in Halikarnaß. Auch dieſe ver-<lb/> fiel dem unerbittlichen Hades. Nun habe ich die Kleinen<lb/> vor wenigen Tagen hierher beſtellt; dieſelben können aber<lb/> nicht vor Ablauf dreier Wochen zu Naukratis eintreffen<lb/> und würden ſchön abgereist ſein, ehe ſie ein Gegenbefehl<lb/> erreichen möchte.</p><lb/> <p>„Jn vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlaſſen, und<lb/> vermag darum die Kinder nicht ſelbſt zu empfangen.</p><lb/> <p>„Jch habe beſchloſſen, mich nach dem thrakiſchen Cher-<lb/> ſonnes zu begeben, wohin mein Oheim, wie Du weißt, von<lb/> dem Stamme der Dolonker <hi rendition="#sup">91</hi>) berufen worden iſt. Dorthin<lb/> ſollen auch die Kinder nachkommen. Korax, mein alter,<lb/> treuer Sclave, wird in Naukratis bleiben, um die Klei-<lb/> nen zu mir zu bringen.</p><lb/> <p>„Willſt Du zeigen, daß Du in der That meine<lb/> Freundin biſt, ſo empfange ſie, pflege derſelben, bis ein<lb/> Schiff nach Thrakien ſegelt, und verbirg ſie ſorgfältig vor<lb/> den Blicken der Spione des Thronerben Pſamtik. Du<lb/> weißt, daß mich dieſer tödtlich haßt, und ſich leicht durch<lb/> die Kinder an dem Vater rächen könnte. — Jch habe<lb/> Dich um dieſe große Gunſt gebeten, weil ich erſtens Deine<lb/> Güte kenne; zweitens aber, weil Dein Haus durch jenen<lb/> Freibrief des Königs, welcher daſſelbe zum Aſyle macht,<lb/> die Kinder vor allen Nachforſchungen der Sicherheitsbe-<lb/> hörde ſchützt, die ja in dieſem formenreichen Lande gebie-<lb/> tet, jeden Fremden, ſelbſt Kinder, bei den Bezirksbeamten<lb/> anzumelden.</p><lb/> <p>„Du ſiehſt, wie hoch ich Dich ſchätze, denn ich über-<lb/> gebe Dir das Einzige, was mir das Leben noch lebens-<lb/> werth macht. Selbſt die Heimat iſt mir nicht theuer, ſo<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0073]
„Meine Frau ſtarb im vorigen Sommer; die Kinder,
ein Knabe von elf und ein Mädchen von zehn Jahren,
blieben bei ihrer Muhme in Halikarnaß. Auch dieſe ver-
fiel dem unerbittlichen Hades. Nun habe ich die Kleinen
vor wenigen Tagen hierher beſtellt; dieſelben können aber
nicht vor Ablauf dreier Wochen zu Naukratis eintreffen
und würden ſchön abgereist ſein, ehe ſie ein Gegenbefehl
erreichen möchte.
„Jn vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlaſſen, und
vermag darum die Kinder nicht ſelbſt zu empfangen.
„Jch habe beſchloſſen, mich nach dem thrakiſchen Cher-
ſonnes zu begeben, wohin mein Oheim, wie Du weißt, von
dem Stamme der Dolonker 91) berufen worden iſt. Dorthin
ſollen auch die Kinder nachkommen. Korax, mein alter,
treuer Sclave, wird in Naukratis bleiben, um die Klei-
nen zu mir zu bringen.
„Willſt Du zeigen, daß Du in der That meine
Freundin biſt, ſo empfange ſie, pflege derſelben, bis ein
Schiff nach Thrakien ſegelt, und verbirg ſie ſorgfältig vor
den Blicken der Spione des Thronerben Pſamtik. Du
weißt, daß mich dieſer tödtlich haßt, und ſich leicht durch
die Kinder an dem Vater rächen könnte. — Jch habe
Dich um dieſe große Gunſt gebeten, weil ich erſtens Deine
Güte kenne; zweitens aber, weil Dein Haus durch jenen
Freibrief des Königs, welcher daſſelbe zum Aſyle macht,
die Kinder vor allen Nachforſchungen der Sicherheitsbe-
hörde ſchützt, die ja in dieſem formenreichen Lande gebie-
tet, jeden Fremden, ſelbſt Kinder, bei den Bezirksbeamten
anzumelden.
„Du ſiehſt, wie hoch ich Dich ſchätze, denn ich über-
gebe Dir das Einzige, was mir das Leben noch lebens-
werth macht. Selbſt die Heimat iſt mir nicht theuer, ſo
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