Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.hen. Mögen sie mein Streben unweiblich nennen, im- "So gefällst Du mir," sprach jetzt der Athener. hen. Mögen ſie mein Streben unweiblich nennen, im- „So gefällſt Du mir,“ ſprach jetzt der Athener. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="52"/> hen. Mögen ſie mein Streben unweiblich nennen, im-<lb/> merhin! Jn dieſer durchweinten Nacht habe ich gefühlt,<lb/> daß noch unendlich viel von jener Frauenſchwäche in mir<lb/> wohnt, welche zu gleicher Zeit das Glück und Unglück<lb/> meines Geſchlechts ausmacht. Dieſe Schwäche, vereint mit<lb/> der ganzen Fülle zarter Weiblichkeit in meiner Enkelin zu<lb/> erhalten, iſt meine erſte Aufgabe geweſen; die zweite war,<lb/> mich ſelbſt von aller Weichheit zu befreien. Doch es<lb/> iſt unmöglich, gegen die Natur zu kämpfen! — Will mich<lb/> ein Schmerz unterjochen, will ich verzweifeln, dann iſt<lb/> mein einziges Mittel, jenes Pythagoras, des herrlichſten<lb/> aller Lebenden, meines Freundes <hi rendition="#sup">87</hi>), und ſeiner Worte zu<lb/> gedenken: ‚Bewahre das Ebenmaß in allen Dingen, hüte<lb/> Dich vor jubelnder Luſt, wie vor klagendem Jammer, und<lb/> ſtrebe danach, Deine Seele harmoniſch und wohlklingend<lb/> zu erhalten, wie die Saiten einer ſchöngeſtimmten Harfe!‘<lb/> Dieſer pythagoraeiſche Seelenfrieden, dieſe tiefe, ungetrübte<lb/> Ruhe des Gemüths, habe ich täglich in meiner Sappho<lb/> vor Augen; ich aber ringe danach, trotz mancher Griffe des<lb/> Schickſals, welche die Saiten meiner Herzenslaute gewalt-<lb/> ſam verſtimmen. Jetzt bin ich ruhig! Du glaubſt nicht,<lb/> welche Macht der bloße Gedanke an jenen erſten aller<lb/> Denker, jenen ſtillen gemeſſenen Mann, — der wie ein<lb/> weicher, ſüßer Ton an meinem Leben vorüberzog, auf mich<lb/> ausübt. Auch Du haſt ihn gekannt, und mußt verſtehen,<lb/> was ich meine. — Jetzt bitte ich Dich, Dein Anliegen<lb/> vorzubringen. Mein Herz iſt ruhig, wie die Wogen des<lb/> Nils, welcher dort ſo ſtill und ungetrübt an uns vorüber-<lb/> fließt. Sei es Schlimmes, ſei es-Gutes, ich bin bereit,<lb/> Dich zu hören.“</p><lb/> <p>„So gefällſt Du mir,“ ſprach jetzt der Athener.<lb/> „Hätteſt Du früher des edlen Freundes der Weisheit, wie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0070]
hen. Mögen ſie mein Streben unweiblich nennen, im-
merhin! Jn dieſer durchweinten Nacht habe ich gefühlt,
daß noch unendlich viel von jener Frauenſchwäche in mir
wohnt, welche zu gleicher Zeit das Glück und Unglück
meines Geſchlechts ausmacht. Dieſe Schwäche, vereint mit
der ganzen Fülle zarter Weiblichkeit in meiner Enkelin zu
erhalten, iſt meine erſte Aufgabe geweſen; die zweite war,
mich ſelbſt von aller Weichheit zu befreien. Doch es
iſt unmöglich, gegen die Natur zu kämpfen! — Will mich
ein Schmerz unterjochen, will ich verzweifeln, dann iſt
mein einziges Mittel, jenes Pythagoras, des herrlichſten
aller Lebenden, meines Freundes 87), und ſeiner Worte zu
gedenken: ‚Bewahre das Ebenmaß in allen Dingen, hüte
Dich vor jubelnder Luſt, wie vor klagendem Jammer, und
ſtrebe danach, Deine Seele harmoniſch und wohlklingend
zu erhalten, wie die Saiten einer ſchöngeſtimmten Harfe!‘
Dieſer pythagoraeiſche Seelenfrieden, dieſe tiefe, ungetrübte
Ruhe des Gemüths, habe ich täglich in meiner Sappho
vor Augen; ich aber ringe danach, trotz mancher Griffe des
Schickſals, welche die Saiten meiner Herzenslaute gewalt-
ſam verſtimmen. Jetzt bin ich ruhig! Du glaubſt nicht,
welche Macht der bloße Gedanke an jenen erſten aller
Denker, jenen ſtillen gemeſſenen Mann, — der wie ein
weicher, ſüßer Ton an meinem Leben vorüberzog, auf mich
ausübt. Auch Du haſt ihn gekannt, und mußt verſtehen,
was ich meine. — Jetzt bitte ich Dich, Dein Anliegen
vorzubringen. Mein Herz iſt ruhig, wie die Wogen des
Nils, welcher dort ſo ſtill und ungetrübt an uns vorüber-
fließt. Sei es Schlimmes, ſei es-Gutes, ich bin bereit,
Dich zu hören.“
„So gefällſt Du mir,“ ſprach jetzt der Athener.
„Hätteſt Du früher des edlen Freundes der Weisheit, wie
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