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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Pisistratus ließ dies sogleich verkünden, nach Athen zurück-
kehren, und somit wartet auch Deiner die lang ersehnte
Stunde der Heimkehr!"

Die Glut der Freude verschwand bei dieser Rede von
den Wangen des Obersten, und der selbstbewußte Stolz
seiner Blicke wandelte sich in Zorn, als er ausrief:

"Jch sollte mich freuen, thörichter Kallias? Weinen
möchte ich, wenn ich bedenke, daß ein Nachkomme des
Ajax seinen wohlverdienten Ruhm so schmählich dem Ge-
walthaber zu Füßen zu legen vermag. -- Heimkehren
soll ich? Ha, ich schwöre bei Athene, beim Vater Zeus
und Apollo, daß ich eher in der Fremde verhungern, als
meinen Fuß zur Heimat lenken will, so lange der Pisistra-
tide mein Vaterland knechtet. Frei bin ich, wie der Vo-
gel in der Luft, nachdem ich den Dienst des Amasis ver-
lassen; aber ich möchte lieber der Sclav eines Bauern in
fremdem Lande werden, als in der Heimat der erste Die-
ner des Pisistratus sein. Uns, dem Adel, uns gebührt
die Herrschaft in Athen; Kimon aber hat, indem er seinen
Kranz zu Füßen des Pisistratus legte, die Tyrannis an-
erkannt und sich selbst den Stempel des Knechtes aufge-
drückt. Mich, den Phanes, das werde ich Kimon selber
zurufen, kann die Gnade des Gewalthabers wenig küm-
mern; ja ich will ein Verbannter bleiben, bis daß mein
Vaterland befreit ist, und Adel und Volk von Neuem sich
selbst regieren, sich selbst ihre Gesetze vorschreiben! Phanes
huldigt dem Bedrücker nicht, wenn sich auch alle Philaiden
und Alkmaeoniden, wenn sich auch Dein Geschlecht, Kallias,
die reichen Daduchen 69), dem Pisistratus zu Füßen werfen
sollten!"

Mit flammenden Blicken überschaute der Athener die
Versammlung; aber auch der alte Kallias musterte stolz

Piſiſtratus ließ dies ſogleich verkünden, nach Athen zurück-
kehren, und ſomit wartet auch Deiner die lang erſehnte
Stunde der Heimkehr!“

Die Glut der Freude verſchwand bei dieſer Rede von
den Wangen des Oberſten, und der ſelbſtbewußte Stolz
ſeiner Blicke wandelte ſich in Zorn, als er ausrief:

„Jch ſollte mich freuen, thörichter Kallias? Weinen
möchte ich, wenn ich bedenke, daß ein Nachkomme des
Ajax ſeinen wohlverdienten Ruhm ſo ſchmählich dem Ge-
walthaber zu Füßen zu legen vermag. — Heimkehren
ſoll ich? Ha, ich ſchwöre bei Athene, beim Vater Zeus
und Apollo, daß ich eher in der Fremde verhungern, als
meinen Fuß zur Heimat lenken will, ſo lange der Piſiſtra-
tide mein Vaterland knechtet. Frei bin ich, wie der Vo-
gel in der Luft, nachdem ich den Dienſt des Amaſis ver-
laſſen; aber ich möchte lieber der Sclav eines Bauern in
fremdem Lande werden, als in der Heimat der erſte Die-
ner des Piſiſtratus ſein. Uns, dem Adel, uns gebührt
die Herrſchaft in Athen; Kimon aber hat, indem er ſeinen
Kranz zu Füßen des Piſiſtratus legte, die Tyrannis an-
erkannt und ſich ſelbſt den Stempel des Knechtes aufge-
drückt. Mich, den Phanes, das werde ich Kimon ſelber
zurufen, kann die Gnade des Gewalthabers wenig küm-
mern; ja ich will ein Verbannter bleiben, bis daß mein
Vaterland befreit iſt, und Adel und Volk von Neuem ſich
ſelbſt regieren, ſich ſelbſt ihre Geſetze vorſchreiben! Phanes
huldigt dem Bedrücker nicht, wenn ſich auch alle Philaiden
und Alkmaeoniden, wenn ſich auch Dein Geſchlecht, Kallias,
die reichen Daduchen 69), dem Piſiſtratus zu Füßen werfen
ſollten!“

Mit flammenden Blicken überſchaute der Athener die
Verſammlung; aber auch der alte Kallias muſterte ſtolz

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[35/0053] Piſiſtratus ließ dies ſogleich verkünden, nach Athen zurück- kehren, und ſomit wartet auch Deiner die lang erſehnte Stunde der Heimkehr!“ Die Glut der Freude verſchwand bei dieſer Rede von den Wangen des Oberſten, und der ſelbſtbewußte Stolz ſeiner Blicke wandelte ſich in Zorn, als er ausrief: „Jch ſollte mich freuen, thörichter Kallias? Weinen möchte ich, wenn ich bedenke, daß ein Nachkomme des Ajax ſeinen wohlverdienten Ruhm ſo ſchmählich dem Ge- walthaber zu Füßen zu legen vermag. — Heimkehren ſoll ich? Ha, ich ſchwöre bei Athene, beim Vater Zeus und Apollo, daß ich eher in der Fremde verhungern, als meinen Fuß zur Heimat lenken will, ſo lange der Piſiſtra- tide mein Vaterland knechtet. Frei bin ich, wie der Vo- gel in der Luft, nachdem ich den Dienſt des Amaſis ver- laſſen; aber ich möchte lieber der Sclav eines Bauern in fremdem Lande werden, als in der Heimat der erſte Die- ner des Piſiſtratus ſein. Uns, dem Adel, uns gebührt die Herrſchaft in Athen; Kimon aber hat, indem er ſeinen Kranz zu Füßen des Piſiſtratus legte, die Tyrannis an- erkannt und ſich ſelbſt den Stempel des Knechtes aufge- drückt. Mich, den Phanes, das werde ich Kimon ſelber zurufen, kann die Gnade des Gewalthabers wenig küm- mern; ja ich will ein Verbannter bleiben, bis daß mein Vaterland befreit iſt, und Adel und Volk von Neuem ſich ſelbſt regieren, ſich ſelbſt ihre Geſetze vorſchreiben! Phanes huldigt dem Bedrücker nicht, wenn ſich auch alle Philaiden und Alkmaeoniden, wenn ſich auch Dein Geſchlecht, Kallias, die reichen Daduchen 69), dem Piſiſtratus zu Füßen werfen ſollten!“ Mit flammenden Blicken überſchaute der Athener die Verſammlung; aber auch der alte Kallias muſterte ſtolz

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/53>, abgerufen am 27.04.2024.