"Das bring' ich Dir mit 66)," sagte er, sich an die hocherfreute Greisin wendend, "für Dich, Freund Phanes, habe ich aber noch etwas Besseres. Rathe, wer beim Viergespann-Rennen den Preis gewann?"
",Ein Athener?'" fragte Phanes mit glühenden Wan- gen; gehörte doch jeder olympische Sieg dem ganzen Volke, dessen Bürger ihn errang, war doch der olympische Oel- zweig die höchste Ehre und das größte Glück, welches einem hellenischen Manne, ja einem ganzen griechischen Stamm zu Theil werden konnte.
"Recht gerathen, Phanes!" rief der Freudenbote, "ein Athener hat den ersten aller Preise errungen und mehr noch, Dein Vetter Kimon, der Sohn des Kypselos, der Bruder jenes Miltiades, welcher uns vor neun Olym- piaden dieselbe Ehre brachte, war es, der in diesem Jahre, mit denselben Rossen, die ihm am vorigen Feste den Preis gewannen, zum zweitenmale siegte 67). Wahrlich, die Phi- laiden 68) verdunkeln immer mehr den Ruhm des Alkmaeo- niden! Bist Du stolz, fühlst Du Dich glücklich über den Ruhm Deiner Familie, Phanes?"
Jn hoher Freude war der Angeredete aufgestanden, und seine Gestalt schien plötzlich um eines Hauptes Länge gewachsen zu sein.
Unsagbar stolz und selbstbewußt, reichte er dem Sie- gesboten die Hand, welcher, den Landsmann umarmend, fortfuhr:
"Ja, wir dürfen stolz und glücklich sein, Phanes; und Du vor Allen magst Dich freuen, denn, nachdem die Kampfrichter dem Kimon einstimmig den Preis zuerkannt hatten, ließ dieser den Gewalthaber Pisistratus von den Herolden als Besitzer des herrlichen Viergespanns, und somit als Sieger, ausrufen. -- Euer Stamm darf nun,
„Das bring’ ich Dir mit 66),“ ſagte er, ſich an die hocherfreute Greiſin wendend, „für Dich, Freund Phanes, habe ich aber noch etwas Beſſeres. Rathe, wer beim Viergeſpann-Rennen den Preis gewann?“
„‚Ein Athener?‘“ fragte Phanes mit glühenden Wan- gen; gehörte doch jeder olympiſche Sieg dem ganzen Volke, deſſen Bürger ihn errang, war doch der olympiſche Oel- zweig die höchſte Ehre und das größte Glück, welches einem helleniſchen Manne, ja einem ganzen griechiſchen Stamm zu Theil werden konnte.
„Recht gerathen, Phanes!“ rief der Freudenbote, „ein Athener hat den erſten aller Preiſe errungen und mehr noch, Dein Vetter Kimon, der Sohn des Kypſelos, der Bruder jenes Miltiades, welcher uns vor neun Olym- piaden dieſelbe Ehre brachte, war es, der in dieſem Jahre, mit denſelben Roſſen, die ihm am vorigen Feſte den Preis gewannen, zum zweitenmale ſiegte 67). Wahrlich, die Phi- laiden 68) verdunkeln immer mehr den Ruhm des Alkmaeo- niden! Biſt Du ſtolz, fühlſt Du Dich glücklich über den Ruhm Deiner Familie, Phanes?“
Jn hoher Freude war der Angeredete aufgeſtanden, und ſeine Geſtalt ſchien plötzlich um eines Hauptes Länge gewachſen zu ſein.
Unſagbar ſtolz und ſelbſtbewußt, reichte er dem Sie- gesboten die Hand, welcher, den Landsmann umarmend, fortfuhr:
„Ja, wir dürfen ſtolz und glücklich ſein, Phanes; und Du vor Allen magſt Dich freuen, denn, nachdem die Kampfrichter dem Kimon einſtimmig den Preis zuerkannt hatten, ließ dieſer den Gewalthaber Piſiſtratus von den Herolden als Beſitzer des herrlichen Viergeſpanns, und ſomit als Sieger, ausrufen. — Euer Stamm darf nun,
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„Das bring’ ich Dir mit 66),“ ſagte er, ſich an die
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habe ich aber noch etwas Beſſeres. Rathe, wer beim
Viergeſpann-Rennen den Preis gewann?“
„‚Ein Athener?‘“ fragte Phanes mit glühenden Wan-
gen; gehörte doch jeder olympiſche Sieg dem ganzen Volke,
deſſen Bürger ihn errang, war doch der olympiſche Oel-
zweig die höchſte Ehre und das größte Glück, welches einem
helleniſchen Manne, ja einem ganzen griechiſchen Stamm
zu Theil werden konnte.
„Recht gerathen, Phanes!“ rief der Freudenbote,
„ein Athener hat den erſten aller Preiſe errungen und
mehr noch, Dein Vetter Kimon, der Sohn des Kypſelos,
der Bruder jenes Miltiades, welcher uns vor neun Olym-
piaden dieſelbe Ehre brachte, war es, der in dieſem Jahre,
mit denſelben Roſſen, die ihm am vorigen Feſte den Preis
gewannen, zum zweitenmale ſiegte 67). Wahrlich, die Phi-
laiden 68) verdunkeln immer mehr den Ruhm des Alkmaeo-
niden! Biſt Du ſtolz, fühlſt Du Dich glücklich über den
Ruhm Deiner Familie, Phanes?“
Jn hoher Freude war der Angeredete aufgeſtanden,
und ſeine Geſtalt ſchien plötzlich um eines Hauptes Länge
gewachſen zu ſein.
Unſagbar ſtolz und ſelbſtbewußt, reichte er dem Sie-
gesboten die Hand, welcher, den Landsmann umarmend,
fortfuhr:
„Ja, wir dürfen ſtolz und glücklich ſein, Phanes;
und Du vor Allen magſt Dich freuen, denn, nachdem die
Kampfrichter dem Kimon einſtimmig den Preis zuerkannt
hatten, ließ dieſer den Gewalthaber Piſiſtratus von den
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ſomit als Sieger, ausrufen. — Euer Stamm darf nun,
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/52>, abgerufen am 12.12.2024.
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