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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Aber ihre Flammen sind bunt und leuchtend!"

"Sie verursacht Schmerzen!"

"Aber diese Schmerzen sind süß."

"Sie verwirrt den Geist!"

"Aber sie kräftigt das Herz!"

"O, diese Liebe!" rief Rhodopis. "Redet der Knabe
nicht, von Eros begeistert, als sei er sein Lebenlang bei
einem attischen Sprachmeister in die Schule gegangen?"

"Und doch," erwiederte Krösus, "nenne ich die Lie-
benden die ungelehrigsten aller Schüler. Man mag den-
selben noch so klar beweisen, ihre Leidenschaft sei Gift,
Feuer, Narrheit, Tod, so werden sie trotzdem ausrufen:
,aber sie ist süß', und unbeirrt zu lieben fortfahren!"

Jn diesem Augenblicke trat auch Sappho in das Zim-
mer. Ein weißes Festgewand mit purpurrothen gestickten
Rändern und weiten Aermeln umwallte ihre zarten Glie-
der in freien Falten, welche an den Hüften von einem
goldnen Gürtel zusammengehalten wurden. Jn ihren Haa-
ren prangten frische Rosen und ihren Busen schmückte der
blitzende Stern, das erste Geschenk des Geliebten.

Anmuthsvoll und schämig verneigte sie sich vor dem
Greise, dessen Blicke lange auf ihr ruhen blieben. Und
je länger er in dieses jungfräulich holde Antlitz schaute, je
freundlicher wurde das seine. Erinnerungsbilder stellten
sich vor seine Seele, während eines Augenblickes wurde er
selbst wieder jung, unwillkürlich näherte er sich dem Mäd-
chen, liebreich drückte er einen Kuß auf ihre Stirn, faßte
ihre Hand, führte sie Bartja entgegen und rief: "Nimm
sie hin, sie muß Dein Weib werden, und wenn sich alle
Achämeniden gegen uns verschwören sollten!"

"Habe ich denn gar nichts mitzureden?" fragte Rho-
dopis, unter Thränen lächelnd.

„Aber ihre Flammen ſind bunt und leuchtend!“

„Sie verurſacht Schmerzen!“

„Aber dieſe Schmerzen ſind ſüß.“

„Sie verwirrt den Geiſt!“

„Aber ſie kräftigt das Herz!“

„O, dieſe Liebe!“ rief Rhodopis. „Redet der Knabe
nicht, von Eros begeiſtert, als ſei er ſein Lebenlang bei
einem attiſchen Sprachmeiſter in die Schule gegangen?“

„Und doch,“ erwiederte Kröſus, „nenne ich die Lie-
benden die ungelehrigſten aller Schüler. Man mag den-
ſelben noch ſo klar beweiſen, ihre Leidenſchaft ſei Gift,
Feuer, Narrheit, Tod, ſo werden ſie trotzdem ausrufen:
‚aber ſie iſt ſüß‘, und unbeirrt zu lieben fortfahren!“

Jn dieſem Augenblicke trat auch Sappho in das Zim-
mer. Ein weißes Feſtgewand mit purpurrothen geſtickten
Rändern und weiten Aermeln umwallte ihre zarten Glie-
der in freien Falten, welche an den Hüften von einem
goldnen Gürtel zuſammengehalten wurden. Jn ihren Haa-
ren prangten friſche Roſen und ihren Buſen ſchmückte der
blitzende Stern, das erſte Geſchenk des Geliebten.

Anmuthsvoll und ſchämig verneigte ſie ſich vor dem
Greiſe, deſſen Blicke lange auf ihr ruhen blieben. Und
je länger er in dieſes jungfräulich holde Antlitz ſchaute, je
freundlicher wurde das ſeine. Erinnerungsbilder ſtellten
ſich vor ſeine Seele, während eines Augenblickes wurde er
ſelbſt wieder jung, unwillkürlich näherte er ſich dem Mäd-
chen, liebreich drückte er einen Kuß auf ihre Stirn, faßte
ihre Hand, führte ſie Bartja entgegen und rief: „Nimm
ſie hin, ſie muß Dein Weib werden, und wenn ſich alle
Achämeniden gegen uns verſchwören ſollten!“

„Habe ich denn gar nichts mitzureden?“ fragte Rho-
dopis, unter Thränen lächelnd.

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[175/0193] „Aber ihre Flammen ſind bunt und leuchtend!“ „Sie verurſacht Schmerzen!“ „Aber dieſe Schmerzen ſind ſüß.“ „Sie verwirrt den Geiſt!“ „Aber ſie kräftigt das Herz!“ „O, dieſe Liebe!“ rief Rhodopis. „Redet der Knabe nicht, von Eros begeiſtert, als ſei er ſein Lebenlang bei einem attiſchen Sprachmeiſter in die Schule gegangen?“ „Und doch,“ erwiederte Kröſus, „nenne ich die Lie- benden die ungelehrigſten aller Schüler. Man mag den- ſelben noch ſo klar beweiſen, ihre Leidenſchaft ſei Gift, Feuer, Narrheit, Tod, ſo werden ſie trotzdem ausrufen: ‚aber ſie iſt ſüß‘, und unbeirrt zu lieben fortfahren!“ Jn dieſem Augenblicke trat auch Sappho in das Zim- mer. Ein weißes Feſtgewand mit purpurrothen geſtickten Rändern und weiten Aermeln umwallte ihre zarten Glie- der in freien Falten, welche an den Hüften von einem goldnen Gürtel zuſammengehalten wurden. Jn ihren Haa- ren prangten friſche Roſen und ihren Buſen ſchmückte der blitzende Stern, das erſte Geſchenk des Geliebten. Anmuthsvoll und ſchämig verneigte ſie ſich vor dem Greiſe, deſſen Blicke lange auf ihr ruhen blieben. Und je länger er in dieſes jungfräulich holde Antlitz ſchaute, je freundlicher wurde das ſeine. Erinnerungsbilder ſtellten ſich vor ſeine Seele, während eines Augenblickes wurde er ſelbſt wieder jung, unwillkürlich näherte er ſich dem Mäd- chen, liebreich drückte er einen Kuß auf ihre Stirn, faßte ihre Hand, führte ſie Bartja entgegen und rief: „Nimm ſie hin, ſie muß Dein Weib werden, und wenn ſich alle Achämeniden gegen uns verſchwören ſollten!“ „Habe ich denn gar nichts mitzureden?“ fragte Rho- dopis, unter Thränen lächelnd.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/193>, abgerufen am 30.04.2024.