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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Sind denn alle persischen Weiber so schlechter, bos-
hafter Art?"

"Sie sind eben Weiber und werden diejenige benei-
den, welche den Mann zu gewinnen wußte, nach dem sie
alle für sich oder ihre Töchter sehnsüchtig ausschauten.
Neid gestaltet sich in den müßigen, einförmigen Räumen
des Harems gar leicht zum Hasse, und die Befriedigung
desselben muß diesen armseligen Geschöpfen zum Ersatze für
ihren Mangel an Liebe und Freiheit dienen. Sappho
wird, das wiederhole ich Dir, je schöner sie ist, je bos-
hafteren Anfeindungen ausgesetzt sein, und selbst, wenn
Bartja sie innig liebt und in den ersten Jahren keine
zweite Gattin heimführt, so schwere Stunden zu bestehen
haben, daß ich in der That nicht weiß, ob ich Dir zu der
scheinbar glänzenden Zukunft Deiner Enkelin Glück wün-
schen darf."

"Dasselbe empfinde auch ich. Ein schlichter Hellene
wäre mir zum Eidam lieber gewesen, als dieser edle Sohn
eines großen Königs."

Jn diesem Augenblicke trat, von Knakias eingeführt,
Bartja in's Zimmer. Er flehte die Greisin an, ihm ihre
Enkelin nicht zu versagen, schilderte seine große Liebe zu
derselben, und betheuerte, daß Rhodopis sein Glück ver-
doppeln würde, wenn sie mit ihm nach Persien ziehen
wolle. Dann ergriff er die Hand des Krösus, bat ihn
um Verzeihung, weil er ihm, seinem väterlichen Freunde,
so lange verschwiegen habe, was sein Herz beglücke, und
flehte ihn an, seine Werbung zu unterstützen.

Lächelnd hörte der Greis die leidenschaftlichen Worte
des Jünglings und sprach: "Wie oft, mein Bartja, hab
ich Dich vor der Liebe gewarnt. Sie ist ein brennendes
Feuer."

„Sind denn alle perſiſchen Weiber ſo ſchlechter, bos-
hafter Art?“

„Sie ſind eben Weiber und werden diejenige benei-
den, welche den Mann zu gewinnen wußte, nach dem ſie
alle für ſich oder ihre Töchter ſehnſüchtig ausſchauten.
Neid geſtaltet ſich in den müßigen, einförmigen Räumen
des Harems gar leicht zum Haſſe, und die Befriedigung
deſſelben muß dieſen armſeligen Geſchöpfen zum Erſatze für
ihren Mangel an Liebe und Freiheit dienen. Sappho
wird, das wiederhole ich Dir, je ſchöner ſie iſt, je bos-
hafteren Anfeindungen ausgeſetzt ſein, und ſelbſt, wenn
Bartja ſie innig liebt und in den erſten Jahren keine
zweite Gattin heimführt, ſo ſchwere Stunden zu beſtehen
haben, daß ich in der That nicht weiß, ob ich Dir zu der
ſcheinbar glänzenden Zukunft Deiner Enkelin Glück wün-
ſchen darf.“

„Daſſelbe empfinde auch ich. Ein ſchlichter Hellene
wäre mir zum Eidam lieber geweſen, als dieſer edle Sohn
eines großen Königs.“

Jn dieſem Augenblicke trat, von Knakias eingeführt,
Bartja in’s Zimmer. Er flehte die Greiſin an, ihm ihre
Enkelin nicht zu verſagen, ſchilderte ſeine große Liebe zu
derſelben, und betheuerte, daß Rhodopis ſein Glück ver-
doppeln würde, wenn ſie mit ihm nach Perſien ziehen
wolle. Dann ergriff er die Hand des Kröſus, bat ihn
um Verzeihung, weil er ihm, ſeinem väterlichen Freunde,
ſo lange verſchwiegen habe, was ſein Herz beglücke, und
flehte ihn an, ſeine Werbung zu unterſtützen.

Lächelnd hörte der Greis die leidenſchaftlichen Worte
des Jünglings und ſprach: „Wie oft, mein Bartja, hab
ich Dich vor der Liebe gewarnt. Sie iſt ein brennendes
Feuer.“

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[174/0192] „Sind denn alle perſiſchen Weiber ſo ſchlechter, bos- hafter Art?“ „Sie ſind eben Weiber und werden diejenige benei- den, welche den Mann zu gewinnen wußte, nach dem ſie alle für ſich oder ihre Töchter ſehnſüchtig ausſchauten. Neid geſtaltet ſich in den müßigen, einförmigen Räumen des Harems gar leicht zum Haſſe, und die Befriedigung deſſelben muß dieſen armſeligen Geſchöpfen zum Erſatze für ihren Mangel an Liebe und Freiheit dienen. Sappho wird, das wiederhole ich Dir, je ſchöner ſie iſt, je bos- hafteren Anfeindungen ausgeſetzt ſein, und ſelbſt, wenn Bartja ſie innig liebt und in den erſten Jahren keine zweite Gattin heimführt, ſo ſchwere Stunden zu beſtehen haben, daß ich in der That nicht weiß, ob ich Dir zu der ſcheinbar glänzenden Zukunft Deiner Enkelin Glück wün- ſchen darf.“ „Daſſelbe empfinde auch ich. Ein ſchlichter Hellene wäre mir zum Eidam lieber geweſen, als dieſer edle Sohn eines großen Königs.“ Jn dieſem Augenblicke trat, von Knakias eingeführt, Bartja in’s Zimmer. Er flehte die Greiſin an, ihm ihre Enkelin nicht zu verſagen, ſchilderte ſeine große Liebe zu derſelben, und betheuerte, daß Rhodopis ſein Glück ver- doppeln würde, wenn ſie mit ihm nach Perſien ziehen wolle. Dann ergriff er die Hand des Kröſus, bat ihn um Verzeihung, weil er ihm, ſeinem väterlichen Freunde, ſo lange verſchwiegen habe, was ſein Herz beglücke, und flehte ihn an, ſeine Werbung zu unterſtützen. Lächelnd hörte der Greis die leidenſchaftlichen Worte des Jünglings und ſprach: „Wie oft, mein Bartja, hab ich Dich vor der Liebe gewarnt. Sie iſt ein brennendes Feuer.“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/192>, abgerufen am 30.04.2024.