Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.Deiner Schönheit und Sittsamkeit, von Deinem Sange, "Horch, was war das, -- da klatscht die Wärterin! "Noch einen Kuß!" "Leb' wohl!" Melitta war auf ihrem Posten, von Müdigkeit und Als sich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem Zur höchsten Eile drängend, schob sie das erschreckte "Du bist noch auf, Sappho?" fragte dieselbe. "Was Melitta bebte, und hatte eine Lüge auf den Lippen; Deiner Schönheit und Sittſamkeit, von Deinem Sange, „Horch, was war das, — da klatſcht die Wärterin! „Noch einen Kuß!“ „Leb’ wohl!“ Melitta war auf ihrem Poſten, von Müdigkeit und Als ſich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem Zur höchſten Eile drängend, ſchob ſie das erſchreckte „Du biſt noch auf, Sappho?“ fragte dieſelbe. „Was Melitta bebte, und hatte eine Lüge auf den Lippen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="168"/> Deiner Schönheit und Sittſamkeit, von Deinem Sange,<lb/> deſſen Wohllaut ſelbſt die Nachtigall, wenn ſie ihn hören<lb/> darf, zum Lauſchen zwingt, von Deiner Liebe, Deiner<lb/> Zärtlichkeit gar viel erzählen. Dieß Alles aber übertrage<lb/> ich von Dir auf Kypris göttliche Geſtalt und küſſe meine<lb/> Schweſter, wenn ſie ruft: ‚O Aphrodite, könnte ich Dich<lb/> ſehen!‘“</p><lb/> <p>„Horch, was war das, — da klatſcht die Wärterin!<lb/> Leb’ wohl, wir müſſen fort! auf baldiges Wiederſehen!“</p><lb/> <p>„Noch einen Kuß!“</p><lb/> <p>„Leb’ wohl!“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Melitta war auf ihrem Poſten, von Müdigkeit und<lb/> Alter überwältigt, eingeſchlafen. Endlich wurde ſie durch<lb/> ein lautes Geräuſch aus ihren Träumen geriſſen. Sie<lb/> klatſchte ſogleich in die Hände, um das Paar zu warnen<lb/> und Sappho herbeizurufen, denn ſie ſah an den Sternen,<lb/> daß der Morgen nicht mehr fern ſei.</p><lb/> <p>Als ſich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem<lb/> Hauſe näherte, bemerkte ſie, daß jenes Geräuſch, welches<lb/> ſie vorher geweckt hatte, von den Gäſten ausgehe, die ſich<lb/> zum Aufbruch anſchickten.</p><lb/> <p>Zur höchſten Eile drängend, ſchob ſie das erſchreckte<lb/> Mädchen durch die Hinterthür in das Haus, führte ſie in<lb/> ihr Schlafzimmer und wollte eben beginnen die Jungfrau<lb/> zu entkleiden, als Rhodopis eintrat.</p><lb/> <p>„Du biſt noch auf, Sappho?“ fragte dieſelbe. „Was<lb/> bedeutet das, mein Kind?“</p><lb/> <p>Melitta bebte, und hatte eine Lüge auf den Lippen;<lb/> Sappho aber warf ſich ihrer Großmutter an die Bruſt,<lb/> umſchlang ſie zärtlich, küßte ſie voller Jnnigkeit und er-<lb/> zählte ihr die ganze Geſchichte ihrer Liebe.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [168/0186]
Deiner Schönheit und Sittſamkeit, von Deinem Sange,
deſſen Wohllaut ſelbſt die Nachtigall, wenn ſie ihn hören
darf, zum Lauſchen zwingt, von Deiner Liebe, Deiner
Zärtlichkeit gar viel erzählen. Dieß Alles aber übertrage
ich von Dir auf Kypris göttliche Geſtalt und küſſe meine
Schweſter, wenn ſie ruft: ‚O Aphrodite, könnte ich Dich
ſehen!‘“
„Horch, was war das, — da klatſcht die Wärterin!
Leb’ wohl, wir müſſen fort! auf baldiges Wiederſehen!“
„Noch einen Kuß!“
„Leb’ wohl!“
Melitta war auf ihrem Poſten, von Müdigkeit und
Alter überwältigt, eingeſchlafen. Endlich wurde ſie durch
ein lautes Geräuſch aus ihren Träumen geriſſen. Sie
klatſchte ſogleich in die Hände, um das Paar zu warnen
und Sappho herbeizurufen, denn ſie ſah an den Sternen,
daß der Morgen nicht mehr fern ſei.
Als ſich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem
Hauſe näherte, bemerkte ſie, daß jenes Geräuſch, welches
ſie vorher geweckt hatte, von den Gäſten ausgehe, die ſich
zum Aufbruch anſchickten.
Zur höchſten Eile drängend, ſchob ſie das erſchreckte
Mädchen durch die Hinterthür in das Haus, führte ſie in
ihr Schlafzimmer und wollte eben beginnen die Jungfrau
zu entkleiden, als Rhodopis eintrat.
„Du biſt noch auf, Sappho?“ fragte dieſelbe. „Was
bedeutet das, mein Kind?“
Melitta bebte, und hatte eine Lüge auf den Lippen;
Sappho aber warf ſich ihrer Großmutter an die Bruſt,
umſchlang ſie zärtlich, küßte ſie voller Jnnigkeit und er-
zählte ihr die ganze Geſchichte ihrer Liebe.
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Zitationshilfe: | Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/186>, abgerufen am 22.07.2024. |