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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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welche Heilung spenden, und Rhodopis, so sagte Krösus
oft, gleicht einer Rose, welche Duft verleiht und Labungsöl
für schwache Kranke spendet, selbst wenn sie welkend Blatt
auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der
sie ganz verweht."

"O, daß sie lange lebe! Liebster Mann, gewähre mir
noch eine große Bitte!"

"Sie ist gewährt, schon eh' ich sie vernommen."

"Laß Rhodopis, wenn Du mich heimwärts führst, in
diesem Lande nicht zurück. Sie soll uns folgen. O, sie
ist so gut und liebt mich, so innig, daß sie, was mich
beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen
theuer ist, auch ihrem liebenswerth erscheinen muß."

"Sie sei der erste Gast in unserem Hause!"

"Wie gut Du bist! Jetzt bin ich ganz zufrieden und
beruhigt. Die gute Greisin bedarf ja meiner! Sie kann
nicht leben ohne mich, ihr Kind. Jch lache ihr die trüben
Sorgen fort, und wenn sie, mich belehrend, bei mir sitzt,
wenn sie mir Lieder singt, wenn sie mir zeigt, wie man
den Griffel führt, die Laute schlägt, dann glänzt ein rei-
neres Licht von ihrer Stirn, und alle Furchen, die der
Gram gepflügt, sie glätten sich, ihr mildes Auge lacht, und
sie vergißt an manchen bösen Tag, indem sie froh der
Gegenwart genießt."

"Jch frage sie, bevor wir scheiden, ob sie uns in
meine ferne Heimat folgen will?"

"O, wie bin ich froh! -- Und weißt Du auch, daß
mir die erste Zeit der Trennung gar nicht furchtbar scheint?
-- Jetzt darf ich Dir, als meinem Bräutigam, wohl Alles
sagen, was mich schmerzt und freut; vor Anderen aber
muß ich schweigsam sein. So wisse, Liebster, daß wir,
wenn ihr in eure Heimat zieht, zwei kleine Gäste in un-

welche Heilung ſpenden, und Rhodopis, ſo ſagte Kröſus
oft, gleicht einer Roſe, welche Duft verleiht und Labungsöl
für ſchwache Kranke ſpendet, ſelbſt wenn ſie welkend Blatt
auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der
ſie ganz verweht.“

„O, daß ſie lange lebe! Liebſter Mann, gewähre mir
noch eine große Bitte!“

„Sie iſt gewährt, ſchon eh’ ich ſie vernommen.“

„Laß Rhodopis, wenn Du mich heimwärts führſt, in
dieſem Lande nicht zurück. Sie ſoll uns folgen. O, ſie
iſt ſo gut und liebt mich, ſo innig, daß ſie, was mich
beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen
theuer iſt, auch ihrem liebenswerth erſcheinen muß.“

„Sie ſei der erſte Gaſt in unſerem Hauſe!“

„Wie gut Du biſt! Jetzt bin ich ganz zufrieden und
beruhigt. Die gute Greiſin bedarf ja meiner! Sie kann
nicht leben ohne mich, ihr Kind. Jch lache ihr die trüben
Sorgen fort, und wenn ſie, mich belehrend, bei mir ſitzt,
wenn ſie mir Lieder ſingt, wenn ſie mir zeigt, wie man
den Griffel führt, die Laute ſchlägt, dann glänzt ein rei-
neres Licht von ihrer Stirn, und alle Furchen, die der
Gram gepflügt, ſie glätten ſich, ihr mildes Auge lacht, und
ſie vergißt an manchen böſen Tag, indem ſie froh der
Gegenwart genießt.“

„Jch frage ſie, bevor wir ſcheiden, ob ſie uns in
meine ferne Heimat folgen will?“

„O, wie bin ich froh! — Und weißt Du auch, daß
mir die erſte Zeit der Trennung gar nicht furchtbar ſcheint?
— Jetzt darf ich Dir, als meinem Bräutigam, wohl Alles
ſagen, was mich ſchmerzt und freut; vor Anderen aber
muß ich ſchweigſam ſein. So wiſſe, Liebſter, daß wir,
wenn ihr in eure Heimat zieht, zwei kleine Gäſte in un-

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[166/0184] welche Heilung ſpenden, und Rhodopis, ſo ſagte Kröſus oft, gleicht einer Roſe, welche Duft verleiht und Labungsöl für ſchwache Kranke ſpendet, ſelbſt wenn ſie welkend Blatt auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der ſie ganz verweht.“ „O, daß ſie lange lebe! Liebſter Mann, gewähre mir noch eine große Bitte!“ „Sie iſt gewährt, ſchon eh’ ich ſie vernommen.“ „Laß Rhodopis, wenn Du mich heimwärts führſt, in dieſem Lande nicht zurück. Sie ſoll uns folgen. O, ſie iſt ſo gut und liebt mich, ſo innig, daß ſie, was mich beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen theuer iſt, auch ihrem liebenswerth erſcheinen muß.“ „Sie ſei der erſte Gaſt in unſerem Hauſe!“ „Wie gut Du biſt! Jetzt bin ich ganz zufrieden und beruhigt. Die gute Greiſin bedarf ja meiner! Sie kann nicht leben ohne mich, ihr Kind. Jch lache ihr die trüben Sorgen fort, und wenn ſie, mich belehrend, bei mir ſitzt, wenn ſie mir Lieder ſingt, wenn ſie mir zeigt, wie man den Griffel führt, die Laute ſchlägt, dann glänzt ein rei- neres Licht von ihrer Stirn, und alle Furchen, die der Gram gepflügt, ſie glätten ſich, ihr mildes Auge lacht, und ſie vergißt an manchen böſen Tag, indem ſie froh der Gegenwart genießt.“ „Jch frage ſie, bevor wir ſcheiden, ob ſie uns in meine ferne Heimat folgen will?“ „O, wie bin ich froh! — Und weißt Du auch, daß mir die erſte Zeit der Trennung gar nicht furchtbar ſcheint? — Jetzt darf ich Dir, als meinem Bräutigam, wohl Alles ſagen, was mich ſchmerzt und freut; vor Anderen aber muß ich ſchweigſam ſein. So wiſſe, Liebſter, daß wir, wenn ihr in eure Heimat zieht, zwei kleine Gäſte in un-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/184>, abgerufen am 30.04.2024.