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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Gattin werden, und müßte ich deßwegen meine Heimat
und alle meine Freunde aufgeben. -- Aber beruhige Dich;
denn unsere Gesetze befehlen nicht, sie gestatten nur, viele
Weiber zu nehmen. Auch mein Vater hatte zwar hundert
Sclavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Gattin,
unsere Mutter Kassandane."

"Und ich werde Deine Kassandane sein?"

"Bis an mein Ende."

"Wann kommst Du mich zu holen?"

"Sobald ich kann und darf."

"O, ich will geduldig warten!"

"Und werde ich Nachricht von Dir erhalten?"

"Jch schreibe Dir lange, lange Briefe und trage allen
Winden Grüße für Dich auf ..."

"Thu' das, mein Liebchen; und was die Briefe anbe-
langt, so übergib dieselben dem Boten, welcher Nitetis
von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen
wird."

"Wo find' ich ihn?"

"Jch werde einen Mann zu Naukratis anstellen, der
Alles, was Du ihm übergibst, besorgen soll. Das Nähere
laß mich mit Melitta besprechen."

"Wir dürfen ihr vertrauen, denn sie ist klug und
treu; doch habe ich noch eine andere Freundin, welche mich
nach Dir am meisten liebt, und die auch ich nach meinem
Bartja am liebsten habe."

"Du meinst Deine Großmutter Rhodopis?"

"Meine treue Pflegerin und Lehrerin!"

"Sie ist ein edles Weib! Mein Vater Krösus hält
sie für die trefflichste der Frauen, und er kennt die Men-
schen, wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. Jn
jenen weiß er, schlummert arges Gift, in diesen Tropfen,

Gattin werden, und müßte ich deßwegen meine Heimat
und alle meine Freunde aufgeben. — Aber beruhige Dich;
denn unſere Geſetze befehlen nicht, ſie geſtatten nur, viele
Weiber zu nehmen. Auch mein Vater hatte zwar hundert
Sclavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Gattin,
unſere Mutter Kaſſandane.“

„Und ich werde Deine Kaſſandane ſein?“

„Bis an mein Ende.“

„Wann kommſt Du mich zu holen?“

„Sobald ich kann und darf.“

„O, ich will geduldig warten!“

„Und werde ich Nachricht von Dir erhalten?“

„Jch ſchreibe Dir lange, lange Briefe und trage allen
Winden Grüße für Dich auf ...“

„Thu’ das, mein Liebchen; und was die Briefe anbe-
langt, ſo übergib dieſelben dem Boten, welcher Nitetis
von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen
wird.“

„Wo find’ ich ihn?“

„Jch werde einen Mann zu Naukratis anſtellen, der
Alles, was Du ihm übergibſt, beſorgen ſoll. Das Nähere
laß mich mit Melitta beſprechen.“

„Wir dürfen ihr vertrauen, denn ſie iſt klug und
treu; doch habe ich noch eine andere Freundin, welche mich
nach Dir am meiſten liebt, und die auch ich nach meinem
Bartja am liebſten habe.“

„Du meinſt Deine Großmutter Rhodopis?“

„Meine treue Pflegerin und Lehrerin!“

„Sie iſt ein edles Weib! Mein Vater Kröſus hält
ſie für die trefflichſte der Frauen, und er kennt die Men-
ſchen, wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. Jn
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[165/0183] Gattin werden, und müßte ich deßwegen meine Heimat und alle meine Freunde aufgeben. — Aber beruhige Dich; denn unſere Geſetze befehlen nicht, ſie geſtatten nur, viele Weiber zu nehmen. Auch mein Vater hatte zwar hundert Sclavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Gattin, unſere Mutter Kaſſandane.“ „Und ich werde Deine Kaſſandane ſein?“ „Bis an mein Ende.“ „Wann kommſt Du mich zu holen?“ „Sobald ich kann und darf.“ „O, ich will geduldig warten!“ „Und werde ich Nachricht von Dir erhalten?“ „Jch ſchreibe Dir lange, lange Briefe und trage allen Winden Grüße für Dich auf ...“ „Thu’ das, mein Liebchen; und was die Briefe anbe- langt, ſo übergib dieſelben dem Boten, welcher Nitetis von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen wird.“ „Wo find’ ich ihn?“ „Jch werde einen Mann zu Naukratis anſtellen, der Alles, was Du ihm übergibſt, beſorgen ſoll. Das Nähere laß mich mit Melitta beſprechen.“ „Wir dürfen ihr vertrauen, denn ſie iſt klug und treu; doch habe ich noch eine andere Freundin, welche mich nach Dir am meiſten liebt, und die auch ich nach meinem Bartja am liebſten habe.“ „Du meinſt Deine Großmutter Rhodopis?“ „Meine treue Pflegerin und Lehrerin!“ „Sie iſt ein edles Weib! Mein Vater Kröſus hält ſie für die trefflichſte der Frauen, und er kennt die Men- ſchen, wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. Jn jenen weiß er, ſchlummert arges Gift, in dieſen Tropfen,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/183>, abgerufen am 30.04.2024.