Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

nennen, mit ihrem Liebsten, dort drüben in dem Rosen-
busche, zu verhandeln hat. Darfst Du verrathen, was der
Vogel spricht?"

"Jch will Dir's leise sagen! Philomele singt dem
Gatten zu: ,Jch liebe Dich!' Und seine Antwort lautet;
höre nur: ,Jtys, ito, itys' 202)."

"Und was heißt ,Jto, Jto?'"

"Jch nehm' es an, ich nehm' es an!"

"Und ,Jtys?'"

"Das müßte man, um's richtig zu verstehen, schon
künstlich deuten. Jtys ist ein Kreis; der Kreis bedeutet,
so ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen
Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: ,Jch
nehm' es an, -- ich nehm' es an für alle Ewigkeit!'"

"Und wenn ich Dir nun sag': Jch liebe Dich?"

"So geb' ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir
jubelnd wieder: Jch nehm' es an, für heut', für morgen,
für die Ewigkeit!"

"O welche Nacht, wie Alles ruht und schweigt; ich
höre selbst die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im
Akazienbaume, dessen Blütentrauben so süßen Duft ver-
senden, weilt sie jetzt. Der Palmen Kronen spiegeln sich
im Nil und zwischen ihnen schimmert des Mondes Bild,
gleich einem weißen Schwan."

"Und seine Strahlen fesseln, mit Silberfäden Alles,
was da lebt. Drum liegt die ganze Welt, wie ein ge-
fangnes Weib, in tiefem Schweigen da und regt sich nicht.
Jch könnte jetzt, so froh ich bin, nicht lachen und noch
viel weniger mit lauter Stimme sprechen."

"So flüstere, oder singe!"

"Du hast recht. Gib mir mein Saitenspiel! Jch
danke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Busen lehnen

nennen, mit ihrem Liebſten, dort drüben in dem Roſen-
buſche, zu verhandeln hat. Darfſt Du verrathen, was der
Vogel ſpricht?“

„Jch will Dir’s leiſe ſagen! Philomele ſingt dem
Gatten zu: ‚Jch liebe Dich!‘ Und ſeine Antwort lautet;
höre nur: ‚Jtys, ito, itys‘ 202).“

„Und was heißt ‚Jto, Jto?‘“

„Jch nehm’ es an, ich nehm’ es an!“

„Und ‚Jtys?‘“

„Das müßte man, um’s richtig zu verſtehen, ſchon
künſtlich deuten. Jtys iſt ein Kreis; der Kreis bedeutet,
ſo ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen
Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: ‚Jch
nehm’ es an, — ich nehm’ es an für alle Ewigkeit!‘“

„Und wenn ich Dir nun ſag’: Jch liebe Dich?“

„So geb’ ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir
jubelnd wieder: Jch nehm’ es an, für heut’, für morgen,
für die Ewigkeit!“

„O welche Nacht, wie Alles ruht und ſchweigt; ich
höre ſelbſt die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im
Akazienbaume, deſſen Blütentrauben ſo ſüßen Duft ver-
ſenden, weilt ſie jetzt. Der Palmen Kronen ſpiegeln ſich
im Nil und zwiſchen ihnen ſchimmert des Mondes Bild,
gleich einem weißen Schwan.“

„Und ſeine Strahlen feſſeln, mit Silberfäden Alles,
was da lebt. Drum liegt die ganze Welt, wie ein ge-
fangnes Weib, in tiefem Schweigen da und regt ſich nicht.
Jch könnte jetzt, ſo froh ich bin, nicht lachen und noch
viel weniger mit lauter Stimme ſprechen.“

„So flüſtere, oder ſinge!“

„Du haſt recht. Gib mir mein Saitenſpiel! Jch
danke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Buſen lehnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="162"/>
nennen, mit ihrem Lieb&#x017F;ten, dort drüben in dem Ro&#x017F;en-<lb/>
bu&#x017F;che, zu verhandeln hat. Darf&#x017F;t Du verrathen, was der<lb/>
Vogel &#x017F;pricht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch will Dir&#x2019;s lei&#x017F;e &#x017F;agen! Philomele &#x017F;ingt dem<lb/>
Gatten zu: &#x201A;Jch liebe Dich!&#x2018; Und &#x017F;eine Antwort lautet;<lb/>
höre nur: &#x201A;Jtys, ito, itys&#x2018; <hi rendition="#sup">202</hi>).&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was heißt &#x201A;Jto, Jto?&#x2018;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch nehm&#x2019; es an, ich nehm&#x2019; es an!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und &#x201A;Jtys?&#x2018;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das müßte man, um&#x2019;s richtig zu ver&#x017F;tehen, &#x017F;chon<lb/>
kün&#x017F;tlich deuten. Jtys i&#x017F;t ein Kreis; der Kreis bedeutet,<lb/>
&#x017F;o ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen<lb/>
Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: &#x201A;Jch<lb/>
nehm&#x2019; es an, &#x2014; ich nehm&#x2019; es an für alle Ewigkeit!&#x2018;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wenn ich Dir nun &#x017F;ag&#x2019;: Jch liebe Dich?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So geb&#x2019; ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir<lb/>
jubelnd wieder: Jch nehm&#x2019; es an, für heut&#x2019;, für morgen,<lb/>
für die Ewigkeit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O welche Nacht, wie Alles ruht und &#x017F;chweigt; ich<lb/>
höre &#x017F;elb&#x017F;t die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im<lb/>
Akazienbaume, de&#x017F;&#x017F;en Blütentrauben &#x017F;o &#x017F;üßen Duft ver-<lb/>
&#x017F;enden, weilt &#x017F;ie jetzt. Der Palmen Kronen &#x017F;piegeln &#x017F;ich<lb/>
im Nil und zwi&#x017F;chen ihnen &#x017F;chimmert des Mondes Bild,<lb/>
gleich einem weißen Schwan.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und &#x017F;eine Strahlen fe&#x017F;&#x017F;eln, mit Silberfäden Alles,<lb/>
was da lebt. Drum liegt die ganze Welt, wie ein ge-<lb/>
fangnes Weib, in tiefem Schweigen da und regt &#x017F;ich nicht.<lb/>
Jch könnte jetzt, &#x017F;o froh ich bin, nicht lachen und noch<lb/>
viel weniger mit lauter Stimme &#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So flü&#x017F;tere, oder &#x017F;inge!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t recht. Gib mir mein Saiten&#x017F;piel! Jch<lb/>
danke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Bu&#x017F;en lehnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0180] nennen, mit ihrem Liebſten, dort drüben in dem Roſen- buſche, zu verhandeln hat. Darfſt Du verrathen, was der Vogel ſpricht?“ „Jch will Dir’s leiſe ſagen! Philomele ſingt dem Gatten zu: ‚Jch liebe Dich!‘ Und ſeine Antwort lautet; höre nur: ‚Jtys, ito, itys‘ 202).“ „Und was heißt ‚Jto, Jto?‘“ „Jch nehm’ es an, ich nehm’ es an!“ „Und ‚Jtys?‘“ „Das müßte man, um’s richtig zu verſtehen, ſchon künſtlich deuten. Jtys iſt ein Kreis; der Kreis bedeutet, ſo ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: ‚Jch nehm’ es an, — ich nehm’ es an für alle Ewigkeit!‘“ „Und wenn ich Dir nun ſag’: Jch liebe Dich?“ „So geb’ ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir jubelnd wieder: Jch nehm’ es an, für heut’, für morgen, für die Ewigkeit!“ „O welche Nacht, wie Alles ruht und ſchweigt; ich höre ſelbſt die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im Akazienbaume, deſſen Blütentrauben ſo ſüßen Duft ver- ſenden, weilt ſie jetzt. Der Palmen Kronen ſpiegeln ſich im Nil und zwiſchen ihnen ſchimmert des Mondes Bild, gleich einem weißen Schwan.“ „Und ſeine Strahlen feſſeln, mit Silberfäden Alles, was da lebt. Drum liegt die ganze Welt, wie ein ge- fangnes Weib, in tiefem Schweigen da und regt ſich nicht. Jch könnte jetzt, ſo froh ich bin, nicht lachen und noch viel weniger mit lauter Stimme ſprechen.“ „So flüſtere, oder ſinge!“ „Du haſt recht. Gib mir mein Saitenſpiel! Jch danke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Buſen lehnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/180
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/180>, abgerufen am 30.04.2024.