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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

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Die Seele.
Dies zeiget uns schon im Gefühle,
Daß du die weite Ewigkeit
Gesezt zu deiner Sehnsucht Ziele,
Daß keine Schranken dieser Zeit
Vermögend sind dein Wolln und Wissen
Jn ihren engen Kreis zu schliessen;
Draus scheint, daß dir die andre Welt,
Mit ihrer unbeschriebnen Fülle,
Nach der zerrißnen Leibes Hülle,
Zum Schauplaz werde vorgestelt.
O! Geist dein Körper muß zerstäuben,
Sein grober Zeug kan nicht bestehn,
Du aber wirst auf ewig bleiben,
Und nicht mit solchen untergehn.
Die Zeit zermalmt, zerreibt, zerstükket,
Was theilbahr wird zulezt zerdrükket,
Dein Wesen bleibet unversehrt;
Was einfach, keine Theile kennet,
Was nicht vermischt, wird nicht getrennet,
Des Geistes Seyn bleibt unzerstöhrt.
Das glaube ich, weil mein Empfinden,
Ein innrer Zug mich überzeugt,
Und kan ichs zwar nicht ganz ergründen,
So ist die Sehnsucht doch geneigt.
Die Seele wünschet kein Zerstören,
Sie wünscht ein immer daurend Währen,
Der Trieb dazu komt, HErr! von dir,
Drum wirst du nach den kurzen Zeiten,
Sie in die Ewigkeit begleiten,
Dies kömmt auch uns ganz glaublich für.
Ja!
D 5
Die Seele.
Dies zeiget uns ſchon im Gefuͤhle,
Daß du die weite Ewigkeit
Geſezt zu deiner Sehnſucht Ziele,
Daß keine Schranken dieſer Zeit
Vermoͤgend ſind dein Wolln und Wiſſen
Jn ihren engen Kreis zu ſchlieſſen;
Draus ſcheint, daß dir die andre Welt,
Mit ihrer unbeſchriebnen Fuͤlle,
Nach der zerrißnen Leibes Huͤlle,
Zum Schauplaz werde vorgeſtelt.
O! Geiſt dein Koͤrper muß zerſtaͤuben,
Sein grober Zeug kan nicht beſtehn,
Du aber wirſt auf ewig bleiben,
Und nicht mit ſolchen untergehn.
Die Zeit zermalmt, zerreibt, zerſtuͤkket,
Was theilbahr wird zulezt zerdruͤkket,
Dein Weſen bleibet unverſehrt;
Was einfach, keine Theile kennet,
Was nicht vermiſcht, wird nicht getrennet,
Des Geiſtes Seyn bleibt unzerſtoͤhrt.
Das glaube ich, weil mein Empfinden,
Ein innrer Zug mich uͤberzeugt,
Und kan ichs zwar nicht ganz ergruͤnden,
So iſt die Sehnſucht doch geneigt.
Die Seele wuͤnſchet kein Zerſtoͤren,
Sie wuͤnſcht ein immer daurend Waͤhren,
Der Trieb dazu komt, HErr! von dir,
Drum wirſt du nach den kurzen Zeiten,
Sie in die Ewigkeit begleiten,
Dies koͤmmt auch uns ganz glaublich fuͤr.
Ja!
D 5
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[57/0073] Die Seele. Dies zeiget uns ſchon im Gefuͤhle, Daß du die weite Ewigkeit Geſezt zu deiner Sehnſucht Ziele, Daß keine Schranken dieſer Zeit Vermoͤgend ſind dein Wolln und Wiſſen Jn ihren engen Kreis zu ſchlieſſen; Draus ſcheint, daß dir die andre Welt, Mit ihrer unbeſchriebnen Fuͤlle, Nach der zerrißnen Leibes Huͤlle, Zum Schauplaz werde vorgeſtelt. O! Geiſt dein Koͤrper muß zerſtaͤuben, Sein grober Zeug kan nicht beſtehn, Du aber wirſt auf ewig bleiben, Und nicht mit ſolchen untergehn. Die Zeit zermalmt, zerreibt, zerſtuͤkket, Was theilbahr wird zulezt zerdruͤkket, Dein Weſen bleibet unverſehrt; Was einfach, keine Theile kennet, Was nicht vermiſcht, wird nicht getrennet, Des Geiſtes Seyn bleibt unzerſtoͤhrt. Das glaube ich, weil mein Empfinden, Ein innrer Zug mich uͤberzeugt, Und kan ichs zwar nicht ganz ergruͤnden, So iſt die Sehnſucht doch geneigt. Die Seele wuͤnſchet kein Zerſtoͤren, Sie wuͤnſcht ein immer daurend Waͤhren, Der Trieb dazu komt, HErr! von dir, Drum wirſt du nach den kurzen Zeiten, Sie in die Ewigkeit begleiten, Dies koͤmmt auch uns ganz glaublich fuͤr. Ja! D 5

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/73>, abgerufen am 03.05.2024.