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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

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Die Seele.
O! Geist du himmlisches Geschenke,
Du Sonne in der kleinen Welt!
Wenn ich die Eigenschafft bedenke,
Die aus der Würkung klar erhellt;
So finde ich auch das Vermögen,
Das alles reiflich zu erwegen,
Was richtig und was falsch zu sehn:
Die Urtheilskrafft, und durch Verbinden,
Der Säze Warheit zu ergründen,
Kan deine Schönheit noch erhöhn.
Du denkst, beschliest, verwirfst und wählest,
Daß ist auch deine Wunderkrafft,
Schliest Schlus aus Schlus da du nach zählest,
Der Dinge wahre Eigenschafft.
Dein Kenntnis wird dadurch erweitert,
Und durch den Fleis stets mehr geläutert,
Der Warheit edler Schaz entdekt:
Und durch dein unermüdet Ringen,
Kanst du den falschen Wahn bezwingen,
Der sich in dunkle Nebel stekt.
Es ist in dir ein reger Wille,
Der sich nach ewgen Ziele lenkt;
Die Triebe stehen nimmer stille,
Bei dem, was uns die Zeit geschenkt.
Man spürt bei deinem Unterfangen,
Ein unaufhörliches Verlangen,
Und die Begier ist nimmer sat;
Sie wünschet immerfort aufs neue,
Wenn sie auch eine lange Reihe,
Von Gütern schon erlanget hat.
Dies
Die Seele.
O! Geiſt du himmliſches Geſchenke,
Du Sonne in der kleinen Welt!
Wenn ich die Eigenſchafft bedenke,
Die aus der Wuͤrkung klar erhellt;
So finde ich auch das Vermoͤgen,
Das alles reiflich zu erwegen,
Was richtig und was falſch zu ſehn:
Die Urtheilskrafft, und durch Verbinden,
Der Saͤze Warheit zu ergruͤnden,
Kan deine Schoͤnheit noch erhoͤhn.
Du denkſt, beſchlieſt, verwirfſt und waͤhleſt,
Daß iſt auch deine Wunderkrafft,
Schlieſt Schlus aus Schlus da du nach zaͤhleſt,
Der Dinge wahre Eigenſchafft.
Dein Kenntnis wird dadurch erweitert,
Und durch den Fleis ſtets mehr gelaͤutert,
Der Warheit edler Schaz entdekt:
Und durch dein unermuͤdet Ringen,
Kanſt du den falſchen Wahn bezwingen,
Der ſich in dunkle Nebel ſtekt.
Es iſt in dir ein reger Wille,
Der ſich nach ewgen Ziele lenkt;
Die Triebe ſtehen nimmer ſtille,
Bei dem, was uns die Zeit geſchenkt.
Man ſpuͤrt bei deinem Unterfangen,
Ein unaufhoͤrliches Verlangen,
Und die Begier iſt nimmer ſat;
Sie wuͤnſchet immerfort aufs neue,
Wenn ſie auch eine lange Reihe,
Von Guͤtern ſchon erlanget hat.
Dies
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[56/0072] Die Seele. O! Geiſt du himmliſches Geſchenke, Du Sonne in der kleinen Welt! Wenn ich die Eigenſchafft bedenke, Die aus der Wuͤrkung klar erhellt; So finde ich auch das Vermoͤgen, Das alles reiflich zu erwegen, Was richtig und was falſch zu ſehn: Die Urtheilskrafft, und durch Verbinden, Der Saͤze Warheit zu ergruͤnden, Kan deine Schoͤnheit noch erhoͤhn. Du denkſt, beſchlieſt, verwirfſt und waͤhleſt, Daß iſt auch deine Wunderkrafft, Schlieſt Schlus aus Schlus da du nach zaͤhleſt, Der Dinge wahre Eigenſchafft. Dein Kenntnis wird dadurch erweitert, Und durch den Fleis ſtets mehr gelaͤutert, Der Warheit edler Schaz entdekt: Und durch dein unermuͤdet Ringen, Kanſt du den falſchen Wahn bezwingen, Der ſich in dunkle Nebel ſtekt. Es iſt in dir ein reger Wille, Der ſich nach ewgen Ziele lenkt; Die Triebe ſtehen nimmer ſtille, Bei dem, was uns die Zeit geſchenkt. Man ſpuͤrt bei deinem Unterfangen, Ein unaufhoͤrliches Verlangen, Und die Begier iſt nimmer ſat; Sie wuͤnſchet immerfort aufs neue, Wenn ſie auch eine lange Reihe, Von Guͤtern ſchon erlanget hat. Dies

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/72>, abgerufen am 03.05.2024.