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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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Vorstellungen streiten möge, welche ein Bewusstseinsakt zu
umfassen vermag, es ist ganz sicher, dass wir, wenn nicht
immer, so doch zumeist mehr als zwei Glieder einer Folge
noch in einem solchen Akte ergreifen. Benutzt man aber
die eine Seite des Erklärungsgrundes, die Einheitlichkeit, als
willkommenes Moment, so muss man sich auch mit der an-
deren Seite, der Vielheit von Gliedern, abzufinden wissen und
ihr nicht, auf vermutete aber unangebbare Gründe hin, das
Dreinreden verbieten. Sonst hat man im Grunde doch nur
gesagt, wobei man ja möglicherweise stehen bleiben muss:
es ist so, weil es Gründe giebt, dass es so ist.

Man wird also vielmehr versucht sein, so zu sagen. Die
in einem Bewusstseinsakt aufgefassten Vorstellungen werden
allerdings alle mit einander verknüpft, aber nicht alle in der-
selben Weise. Die Stärke der Verbindung ist vielmehr eine
abnehmende Funktion der Zeit oder auch der Anzahl der
Zwischenglieder; sie ist um so geringer, je grösser das Inter-
vall ist, welches die einzelnen Glieder trennt. Sei a, b, c, d
eine Reihe, die gerade noch in einem Akt vorgestellt wird,
so wird die Verknüpfung des a mit b stärker sein als die
mit dem späteren c, und diese wiederum stärker als die mit
d. Wird a irgendwoher wiedererzeugt, so bringt es zwar so-
wohl b wie c und d mit sich, aber das ihm enger verknüpfte
b muss sich leichter und eher einstellen, dann das diesem
eng verbundene c u. s. f. Die Reihe muss also, obwohl alle
ihre Glieder unter einander verknüpft sind, doch gerade in
der ursprünglichen Folge wieder ins Bewusstsein treten.

Eine solche Vorstellung ist in folgerichtiger Weise von
Herbart ausgesponnen worden. Den Grund der Verknüpfung
der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vorstellungen sieht er
nicht direkt in der Einheitlichkeit der Bewusstseinsakte, aber
in etwas Ähnlichem: gegensätzliche Vorstellungen, die in der

Vorstellungen streiten möge, welche ein Bewuſstseinsakt zu
umfassen vermag, es ist ganz sicher, daſs wir, wenn nicht
immer, so doch zumeist mehr als zwei Glieder einer Folge
noch in einem solchen Akte ergreifen. Benutzt man aber
die eine Seite des Erklärungsgrundes, die Einheitlichkeit, als
willkommenes Moment, so muſs man sich auch mit der an-
deren Seite, der Vielheit von Gliedern, abzufinden wissen und
ihr nicht, auf vermutete aber unangebbare Gründe hin, das
Dreinreden verbieten. Sonst hat man im Grunde doch nur
gesagt, wobei man ja möglicherweise stehen bleiben muſs:
es ist so, weil es Gründe giebt, daſs es so ist.

Man wird also vielmehr versucht sein, so zu sagen. Die
in einem Bewuſstseinsakt aufgefaſsten Vorstellungen werden
allerdings alle mit einander verknüpft, aber nicht alle in der-
selben Weise. Die Stärke der Verbindung ist vielmehr eine
abnehmende Funktion der Zeit oder auch der Anzahl der
Zwischenglieder; sie ist um so geringer, je gröſser das Inter-
vall ist, welches die einzelnen Glieder trennt. Sei a, b, c, d
eine Reihe, die gerade noch in einem Akt vorgestellt wird,
so wird die Verknüpfung des a mit b stärker sein als die
mit dem späteren c, und diese wiederum stärker als die mit
d. Wird a irgendwoher wiedererzeugt, so bringt es zwar so-
wohl b wie c und d mit sich, aber das ihm enger verknüpfte
b muſs sich leichter und eher einstellen, dann das diesem
eng verbundene c u. s. f. Die Reihe muſs also, obwohl alle
ihre Glieder unter einander verknüpft sind, doch gerade in
der ursprünglichen Folge wieder ins Bewuſstsein treten.

Eine solche Vorstellung ist in folgerichtiger Weise von
Herbart ausgesponnen worden. Den Grund der Verknüpfung
der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vorstellungen sieht er
nicht direkt in der Einheitlichkeit der Bewuſstseinsakte, aber
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[126/0142] Vorstellungen streiten möge, welche ein Bewuſstseinsakt zu umfassen vermag, es ist ganz sicher, daſs wir, wenn nicht immer, so doch zumeist mehr als zwei Glieder einer Folge noch in einem solchen Akte ergreifen. Benutzt man aber die eine Seite des Erklärungsgrundes, die Einheitlichkeit, als willkommenes Moment, so muſs man sich auch mit der an- deren Seite, der Vielheit von Gliedern, abzufinden wissen und ihr nicht, auf vermutete aber unangebbare Gründe hin, das Dreinreden verbieten. Sonst hat man im Grunde doch nur gesagt, wobei man ja möglicherweise stehen bleiben muſs: es ist so, weil es Gründe giebt, daſs es so ist. Man wird also vielmehr versucht sein, so zu sagen. Die in einem Bewuſstseinsakt aufgefaſsten Vorstellungen werden allerdings alle mit einander verknüpft, aber nicht alle in der- selben Weise. Die Stärke der Verbindung ist vielmehr eine abnehmende Funktion der Zeit oder auch der Anzahl der Zwischenglieder; sie ist um so geringer, je gröſser das Inter- vall ist, welches die einzelnen Glieder trennt. Sei a, b, c, d eine Reihe, die gerade noch in einem Akt vorgestellt wird, so wird die Verknüpfung des a mit b stärker sein als die mit dem späteren c, und diese wiederum stärker als die mit d. Wird a irgendwoher wiedererzeugt, so bringt es zwar so- wohl b wie c und d mit sich, aber das ihm enger verknüpfte b muſs sich leichter und eher einstellen, dann das diesem eng verbundene c u. s. f. Die Reihe muſs also, obwohl alle ihre Glieder unter einander verknüpft sind, doch gerade in der ursprünglichen Folge wieder ins Bewuſstsein treten. Eine solche Vorstellung ist in folgerichtiger Weise von Herbart ausgesponnen worden. Den Grund der Verknüpfung der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vorstellungen sieht er nicht direkt in der Einheitlichkeit der Bewuſstseinsakte, aber in etwas Ähnlichem: gegensätzliche Vorstellungen, die in der

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/142>, abgerufen am 23.11.2024.