Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

einheitlichen Seele zusammen zu sein gezwungen sind, können
dies nur dadurch, dass sie sich teilweise hemmen und dann
in ihren Resten mit einander verschmelzen, sich verknüpfen.
Doch dies ist für unseren Zweck nebensächlich; er fährt
dann fort:

"Eine Reihe a, b, c, d ... sei in der Wahrnehmung ge-
geben worden, so ist durch andere, im Bewusstsein vorhan-
dene, Vorstellungen schon a, von dem ersten Augenblicke der
Wahrnehmung an, und während deren Dauer, einer Hem-
mung ausgesetzt gewesen. Indessen nun a, schon zum Teil
im Bewusstsein gesunken, mehr und mehr gehemmt wurde,
kam b dazu. Dieses, Anfangs ungehemmt, verschmolz mit
dem sinkenden a. Es folgte c, und verband sich, selbst un-
gehemmt, mit dem sich verdunkelnden b und dem mehr ver-
dunkelten a. Desgleichen folgte d, um sich in verschiedenen
Abstufungen mit a, b, c zu verknüpfen. -- Hieraus entspringt
für jede von diesen Vorstellungen ein Gesetz, wie sie, nach-
dem die ganze Reihe eine Zeitlang aus dem Bewusstsein ver-
drängt war, auf eigne Weise beim erneuerten Hervortreten
jede andre Vorstellung der nämlichen Reihe aufzurufen be-
müht ist. Angenommen, a erhebe sich zuerst, so ist es mehr
mit b, minder mit c, noch minder mit d u. s. w. verknüpft;
rückwärts aber sind b, c, d sämmtlich im ungehemmten Zu-
stande den Resten von a verschmolzen; folglich sucht a sie
alle völlig wiederum bis zum ungehemmten Vorstellen zu
bringen; aber es wirkt am schnellsten und stärksten auf b,
langsamer auf c, noch langsamer auf d u. s. w. (wobei die
feinere Untersuchung ergibt, dass b wieder sinkt, indem c
noch steigt; ebenso c sich senkt, während d steigt u. s. w.);
kurz, die Reihe läuft ab, wie sie gegeben war. -- Nehmen
wir dagegen an, c werde ursprünglich reproduciert, so wirkt
es zwar auf d und die nachfolgenden gerade, wie eben von

einheitlichen Seele zusammen zu sein gezwungen sind, können
dies nur dadurch, daſs sie sich teilweise hemmen und dann
in ihren Resten mit einander verschmelzen, sich verknüpfen.
Doch dies ist für unseren Zweck nebensächlich; er fährt
dann fort:

„Eine Reihe a, b, c, d ... sei in der Wahrnehmung ge-
geben worden, so ist durch andere, im Bewusstsein vorhan-
dene, Vorstellungen schon a, von dem ersten Augenblicke der
Wahrnehmung an, und während deren Dauer, einer Hem-
mung ausgesetzt gewesen. Indessen nun a, schon zum Teil
im Bewusstsein gesunken, mehr und mehr gehemmt wurde,
kam b dazu. Dieses, Anfangs ungehemmt, verschmolz mit
dem sinkenden a. Es folgte c, und verband sich, selbst un-
gehemmt, mit dem sich verdunkelnden b und dem mehr ver-
dunkelten a. Desgleichen folgte d, um sich in verschiedenen
Abstufungen mit a, b, c zu verknüpfen. — Hieraus entspringt
für jede von diesen Vorstellungen ein Gesetz, wie sie, nach-
dem die ganze Reihe eine Zeitlang aus dem Bewusstsein ver-
drängt war, auf eigne Weise beim erneuerten Hervortreten
jede andre Vorstellung der nämlichen Reihe aufzurufen be-
müht ist. Angenommen, a erhebe sich zuerst, so ist es mehr
mit b, minder mit c, noch minder mit d u. s. w. verknüpft;
rückwärts aber sind b, c, d sämmtlich im ungehemmten Zu-
stande den Resten von a verschmolzen; folglich sucht a sie
alle völlig wiederum bis zum ungehemmten Vorstellen zu
bringen; aber es wirkt am schnellsten und stärksten auf b,
langsamer auf c, noch langsamer auf d u. s. w. (wobei die
feinere Untersuchung ergibt, dass b wieder sinkt, indem c
noch steigt; ebenso c sich senkt, während d steigt u. s. w.);
kurz, die Reihe läuft ab, wie sie gegeben war. — Nehmen
wir dagegen an, c werde ursprünglich reproduciert, so wirkt
es zwar auf d und die nachfolgenden gerade, wie eben von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="127"/>
einheitlichen Seele zusammen zu sein gezwungen sind, können<lb/>
dies nur dadurch, da&#x017F;s sie sich teilweise hemmen und dann<lb/>
in ihren Resten mit einander verschmelzen, sich verknüpfen.<lb/>
Doch dies ist für unseren Zweck nebensächlich; er fährt<lb/>
dann fort:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Eine Reihe <hi rendition="#i">a, b, c, d</hi> ... sei in der Wahrnehmung ge-<lb/>
geben worden, so ist durch andere, im Bewusstsein vorhan-<lb/>
dene, Vorstellungen schon <hi rendition="#i">a</hi>, von dem ersten Augenblicke der<lb/>
Wahrnehmung an, und während deren Dauer, einer Hem-<lb/>
mung ausgesetzt gewesen. Indessen nun <hi rendition="#i">a</hi>, schon zum Teil<lb/>
im Bewusstsein gesunken, mehr und mehr gehemmt wurde,<lb/>
kam <hi rendition="#i">b</hi> dazu. Dieses, Anfangs ungehemmt, verschmolz mit<lb/>
dem sinkenden <hi rendition="#i">a</hi>. Es folgte <hi rendition="#i">c</hi>, und verband sich, selbst un-<lb/>
gehemmt, mit dem sich verdunkelnden <hi rendition="#i">b</hi> und dem mehr ver-<lb/>
dunkelten <hi rendition="#i">a</hi>. Desgleichen folgte <hi rendition="#i">d</hi>, um sich in verschiedenen<lb/>
Abstufungen mit <hi rendition="#i">a, b, c</hi> zu verknüpfen. &#x2014; Hieraus entspringt<lb/><hi rendition="#i">für jede</hi> von diesen Vorstellungen ein Gesetz, wie sie, nach-<lb/>
dem die ganze Reihe eine Zeitlang aus dem Bewusstsein ver-<lb/>
drängt war, auf eigne Weise beim erneuerten Hervortreten<lb/><hi rendition="#i">jede andre</hi> Vorstellung der nämlichen Reihe aufzurufen be-<lb/>
müht ist. Angenommen, <hi rendition="#i">a</hi> erhebe sich zuerst, so ist es mehr<lb/>
mit <hi rendition="#i">b</hi>, minder mit <hi rendition="#i">c</hi>, noch minder mit <hi rendition="#i">d</hi> u. s. w. verknüpft;<lb/>
rückwärts aber sind <hi rendition="#i">b, c, d</hi> sämmtlich im ungehemmten Zu-<lb/>
stande den Resten von <hi rendition="#i">a</hi> verschmolzen; folglich sucht <hi rendition="#i">a</hi> sie<lb/>
alle völlig wiederum bis zum ungehemmten Vorstellen zu<lb/>
bringen; aber es wirkt am schnellsten und stärksten auf <hi rendition="#i">b</hi>,<lb/>
langsamer auf <hi rendition="#i">c</hi>, noch langsamer auf <hi rendition="#i">d</hi> u. s. w. (wobei die<lb/>
feinere Untersuchung ergibt, dass <hi rendition="#i">b</hi> wieder sinkt, indem <hi rendition="#i">c</hi><lb/>
noch steigt; ebenso <hi rendition="#i">c</hi> sich senkt, während <hi rendition="#i">d</hi> steigt u. s. w.);<lb/>
kurz, die Reihe läuft ab, wie sie gegeben war. &#x2014; Nehmen<lb/>
wir dagegen an, <hi rendition="#i">c</hi> werde ursprünglich reproduciert, so wirkt<lb/>
es zwar auf <hi rendition="#i">d</hi> und die nachfolgenden gerade, wie eben von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0143] einheitlichen Seele zusammen zu sein gezwungen sind, können dies nur dadurch, daſs sie sich teilweise hemmen und dann in ihren Resten mit einander verschmelzen, sich verknüpfen. Doch dies ist für unseren Zweck nebensächlich; er fährt dann fort: „Eine Reihe a, b, c, d ... sei in der Wahrnehmung ge- geben worden, so ist durch andere, im Bewusstsein vorhan- dene, Vorstellungen schon a, von dem ersten Augenblicke der Wahrnehmung an, und während deren Dauer, einer Hem- mung ausgesetzt gewesen. Indessen nun a, schon zum Teil im Bewusstsein gesunken, mehr und mehr gehemmt wurde, kam b dazu. Dieses, Anfangs ungehemmt, verschmolz mit dem sinkenden a. Es folgte c, und verband sich, selbst un- gehemmt, mit dem sich verdunkelnden b und dem mehr ver- dunkelten a. Desgleichen folgte d, um sich in verschiedenen Abstufungen mit a, b, c zu verknüpfen. — Hieraus entspringt für jede von diesen Vorstellungen ein Gesetz, wie sie, nach- dem die ganze Reihe eine Zeitlang aus dem Bewusstsein ver- drängt war, auf eigne Weise beim erneuerten Hervortreten jede andre Vorstellung der nämlichen Reihe aufzurufen be- müht ist. Angenommen, a erhebe sich zuerst, so ist es mehr mit b, minder mit c, noch minder mit d u. s. w. verknüpft; rückwärts aber sind b, c, d sämmtlich im ungehemmten Zu- stande den Resten von a verschmolzen; folglich sucht a sie alle völlig wiederum bis zum ungehemmten Vorstellen zu bringen; aber es wirkt am schnellsten und stärksten auf b, langsamer auf c, noch langsamer auf d u. s. w. (wobei die feinere Untersuchung ergibt, dass b wieder sinkt, indem c noch steigt; ebenso c sich senkt, während d steigt u. s. w.); kurz, die Reihe läuft ab, wie sie gegeben war. — Nehmen wir dagegen an, c werde ursprünglich reproduciert, so wirkt es zwar auf d und die nachfolgenden gerade, wie eben von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/143
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/143>, abgerufen am 02.05.2024.