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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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nen und Unsichtbaren uns vorgestellt haben. Wir
kommen so zum Begriffe des physikalischen Atoms.
Hören wir nun irgendwo willkürlich mit der Theilung
bei angeblichen philosophischen Atomen auf, die nicht
weiter theilbar, vollkommen hart und überdies an sich
wirkungslos und nur Träger der Centralkräfte sein sollen,
so verlangen wir von einer Materie, die wir uns unter
dem Bilde der Materie denken, mit der wir Um¬
gang haben, ohne dass wir irgend ein neues Er¬
klärungsprincip einführen, dass sie neue, ursprüng¬
liche, das Wesen der Körper aufklärende Eigenschaften
entfalte. So begehen wir den Fehler, der in den vor¬
her blossgelegten Widersprüchen sich offenbart.5

Niemand, der etwas tiefer nachgedacht hat, ver¬
kennt die transcendente Natur des Hindernisses, das sich
uns hier entgegenstellt. Wie man auch es zu umgehen
versuche, in der einen oder anderen Form stösst man
immer darauf. Von welcher Seite, unter welcher
Deckung man ihm sich nähere, man erfährt seine Un¬
besiegbarkeit. Die alten ionischen Physiologen standen
davor nicht rathloser als wir. Alle Fortschritte der Na¬
turwissenschaft haben nichts dawider vermocht, alle fer¬
neren werden dawider nichts fruchten. Nie werden wir
besser als heute wissen, was, wie Paul Erman zu sagen
pflegte, "hier", wo Materie ist, "im Raume spukt".
Denn sogar der von Laplace gedachte, über den unseren

nen und Unsichtbaren uns vorgestellt haben. Wir
kommen so zum Begriffe des physikalischen Atoms.
Hören wir nun irgendwo willkürlich mit der Theilung
bei angeblichen philosophischen Atomen auf, die nicht
weiter theilbar, vollkommen hart und überdies an sich
wirkungslos und nur Träger der Centralkräfte sein sollen,
so verlangen wir von einer Materie, die wir uns unter
dem Bilde der Materie denken, mit der wir Um¬
gang haben, ohne dass wir irgend ein neues Er¬
klärungsprincip einführen, dass sie neue, ursprüng¬
liche, das Wesen der Körper aufklärende Eigenschaften
entfalte. So begehen wir den Fehler, der in den vor¬
her blossgelegten Widersprüchen sich offenbart.5

Niemand, der etwas tiefer nachgedacht hat, ver¬
kennt die transcendente Natur des Hindernisses, das sich
uns hier entgegenstellt. Wie man auch es zu umgehen
versuche, in der einen oder anderen Form stösst man
immer darauf. Von welcher Seite, unter welcher
Deckung man ihm sich nähere, man erfährt seine Un¬
besiegbarkeit. Die alten ionischen Physiologen standen
davor nicht rathloser als wir. Alle Fortschritte der Na¬
turwissenschaft haben nichts dawider vermocht, alle fer¬
neren werden dawider nichts fruchten. Nie werden wir
besser als heute wissen, was, wie Paul Erman zu sagen
pflegte, „hier“, wo Materie ist, „im Raume spukt“.
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[12/0020] nen und Unsichtbaren uns vorgestellt haben. Wir kommen so zum Begriffe des physikalischen Atoms. Hören wir nun irgendwo willkürlich mit der Theilung bei angeblichen philosophischen Atomen auf, die nicht weiter theilbar, vollkommen hart und überdies an sich wirkungslos und nur Träger der Centralkräfte sein sollen, so verlangen wir von einer Materie, die wir uns unter dem Bilde der Materie denken, mit der wir Um¬ gang haben, ohne dass wir irgend ein neues Er¬ klärungsprincip einführen, dass sie neue, ursprüng¬ liche, das Wesen der Körper aufklärende Eigenschaften entfalte. So begehen wir den Fehler, der in den vor¬ her blossgelegten Widersprüchen sich offenbart. ⁵ Niemand, der etwas tiefer nachgedacht hat, ver¬ kennt die transcendente Natur des Hindernisses, das sich uns hier entgegenstellt. Wie man auch es zu umgehen versuche, in der einen oder anderen Form stösst man immer darauf. Von welcher Seite, unter welcher Deckung man ihm sich nähere, man erfährt seine Un¬ besiegbarkeit. Die alten ionischen Physiologen standen davor nicht rathloser als wir. Alle Fortschritte der Na¬ turwissenschaft haben nichts dawider vermocht, alle fer¬ neren werden dawider nichts fruchten. Nie werden wir besser als heute wissen, was, wie Paul Erman zu sagen pflegte, „hier“, wo Materie ist, „im Raume spukt“. Denn sogar der von Laplace gedachte, über den unseren

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/20>, abgerufen am 25.04.2024.