Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.Ein Theil jener Versuche ist von der falschen Voraus- II. Um sogleich ein feste Grundlage für unsere Kritik der Die Religion bietet in ihren höchsten Entwicklungs- Ein Theil jener Verſuche iſt von der falſchen Voraus- II. Um ſogleich ein feſte Grundlage für unſere Kritik der Die Religion bietet in ihren höchſten Entwicklungs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0014" n="5"/> <p>Ein Theil jener Verſuche iſt von der falſchen Voraus-<lb/> ſetzung ausgegangen, daß der Religionserſatz den Character<lb/> einer atheiſtiſchen Religion haben müſſe. Das Verhält-<lb/> niß, welches der Menſch im Religionserſatz zu dem Welt-<lb/> ganzen einerſeits, zu dem Jdeale andrerſeits einnimmt, iſt<lb/> jedoch ein ſehr verſchiedenes von dem des Gläubigen zu ſeinem<lb/> Gotte und zu dem ihm von Gott dictirten Geſetze, ſo daß<lb/> die Beibehaltung des Wortes Religion für das neue Ver-<lb/> hältniß völlig unzuläſſig iſt. Feſt verknüpft mit dem Stand-<lb/> punkte, welcher überwunden werden ſoll, iſt die Bezeichnung<lb/> mit der Sache ſelbſt fallen zu laſſen. Wer ſich eine volle,<lb/> ganze und echte Freiheit von der übernatürlichen Religion<lb/> errungen, der geht dem Worte inſtinktib aus dem Wege und<lb/> ſucht es aus ſeinem Sprachgebrauche völlig auszumerzen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">II.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Um ſogleich ein feſte Grundlage für unſere Kritik der<lb/> verſchiedenen religionserſetzenden Verſuche zu gewinnen, wollen<lb/> wir feſtſtellen, welche <hi rendition="#g">berechtigte</hi> geiſtige Bedürfniſſe, —<lb/> denn nur von dieſen kann hier die Rede ſein, — die Religion<lb/> in ihren höchſten Manifeſtationen vorläufig befriedigt und<lb/> welche demnach auch der Religionserſatz, jedoch in vollkom-<lb/> menerer Art, wird befriedigen müſſen.</p><lb/> <p>Die Religion bietet in ihren höchſten Entwicklungs-<lb/> formen erſtens eine Weltanſchauung, alſo eine Deutung und<lb/> Auslegung der Welt, nach welcher der Menſch verlangt, in-<lb/> dem ſie alle Dinge und Weſen, und als deren Krone vor<lb/> Allem den Menſchen, mit einer höchſten Macht, mit einem<lb/> tiefſten Weltgrunde in Verbindung bringt, ihn durch den-<lb/> ſelben als <hi rendition="#g">bedingt</hi> bezeichnet; indem ſie ferner <hi rendition="#g">Vertrauen</hi><lb/> in die höchſte Vollkommenheit des Allurhebers und das durch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0014]
Ein Theil jener Verſuche iſt von der falſchen Voraus-
ſetzung ausgegangen, daß der Religionserſatz den Character
einer atheiſtiſchen Religion haben müſſe. Das Verhält-
niß, welches der Menſch im Religionserſatz zu dem Welt-
ganzen einerſeits, zu dem Jdeale andrerſeits einnimmt, iſt
jedoch ein ſehr verſchiedenes von dem des Gläubigen zu ſeinem
Gotte und zu dem ihm von Gott dictirten Geſetze, ſo daß
die Beibehaltung des Wortes Religion für das neue Ver-
hältniß völlig unzuläſſig iſt. Feſt verknüpft mit dem Stand-
punkte, welcher überwunden werden ſoll, iſt die Bezeichnung
mit der Sache ſelbſt fallen zu laſſen. Wer ſich eine volle,
ganze und echte Freiheit von der übernatürlichen Religion
errungen, der geht dem Worte inſtinktib aus dem Wege und
ſucht es aus ſeinem Sprachgebrauche völlig auszumerzen.
II.
Um ſogleich ein feſte Grundlage für unſere Kritik der
verſchiedenen religionserſetzenden Verſuche zu gewinnen, wollen
wir feſtſtellen, welche berechtigte geiſtige Bedürfniſſe, —
denn nur von dieſen kann hier die Rede ſein, — die Religion
in ihren höchſten Manifeſtationen vorläufig befriedigt und
welche demnach auch der Religionserſatz, jedoch in vollkom-
menerer Art, wird befriedigen müſſen.
Die Religion bietet in ihren höchſten Entwicklungs-
formen erſtens eine Weltanſchauung, alſo eine Deutung und
Auslegung der Welt, nach welcher der Menſch verlangt, in-
dem ſie alle Dinge und Weſen, und als deren Krone vor
Allem den Menſchen, mit einer höchſten Macht, mit einem
tiefſten Weltgrunde in Verbindung bringt, ihn durch den-
ſelben als bedingt bezeichnet; indem ſie ferner Vertrauen
in die höchſte Vollkommenheit des Allurhebers und das durch
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