In dem centralen Sibirien bildet der Baikalsee, wahrschein- lich in noch höherem Grade das Jablonowoigebirge, eine nördlich der Steppengrenze beginnende Scheide zwischen West und Ost; sie wird als Ostgrenze der altaischen Waldregion am besten wohl durch eine Linie bezeichnet, welche vom Westhange des Kentei- und Jablonowoi- gebirges über das Witimplateau nach dem mittleren Wilui hin verläuft. Gemäß Maximowicz' Bemerkungen über die Mongolei häuft sich der hauptsächliche Reich- tum der sibirischen Flora in jenem grossen halbkreis- förmigen Gebirgskessel an, welchen man erhält, indem man von einem am Thian-schan bei Kuldscha gelegenen Punkte der russisch-mongolischen Grenze nach dem Kentei- gebirge eine gerade Linie zieht und das nordnordwestlich derselben gelegene Landgebiet einheitlich übersieht. Aber hier im Bereich der Gebirge mischt sich die sibirische Waldvegetation mit der der turkestanischen und mongo- lischen Steppen; die Südabhänge sind fast alle hoch hin- auf mit Steppenvegetation völlig bedeckt, auch tief in die Thäler hinein schneidet die Steppe das Waldland entzwei. Letzteres beginnt über der Steppe und steigt an den Nordabhängen tiefer, im östlichen Altai- und Sajanergebirge schon, wie es scheint, ohne Unterbrechung in endloser Ausdehnung in die Tiefebene nordwärts hinab.
Nach Krassnoffs neuen Studien sind die Höhengrenzen der Bäume im Altai nach dem geringeren Maße anzusetzen, welches Grisebach (Abh. S. 416) aus Teplouchows Angaben den früheren Meinungen, die auch in die "Vegetation der Erde" Einlass fanden, gegenüberstellte. Die Höhen sind, dem feuchten Klima und reg- nerisch-umwölkten Sommerhimmel entsprechend, im Altai nicht sehr hoch, erheben sich aber im Sajaner Gebirge. An die Steppe pflegt sich zu unterst die Kiefer anzuschliessen (300--800 m) mit Birke und Espe, dann folgt als Hauptbaum die Lärche, nach ihr im Range der Häufigkeit die Fichte, sibirische Tanne und Zirbel- kiefer, letztere nicht unter 850 m und bis zur Waldgrenze hinauf, welche auf der Nordseite 1360, auf der Südseite aber 1700 m hoch beobachtet wurde. Folgende Stauden werden als charakteristisch angegeben: Aconitum septentrionale, pallidum, barbatum, Napellus, Anthora und volubile, Atragene alpina, Paeonia intermedia, Epi- lobium angustifolium, Geranium sibiricum, Bupleurum aureum, Pleurospermum uralense und Heracleum barbatum, Pedicularis proboscidea, Senecio Fuchsii, Veratrum album. Der obere Zirbel-
Lärchen- und Tannenregion. Altai.
In dem centralen Sibirien bildet der Baikalsee, wahrschein- lich in noch höherem Grade das Jablonowoigebirge, eine nördlich der Steppengrenze beginnende Scheide zwischen West und Ost; sie wird als Ostgrenze der altaischen Waldregion am besten wohl durch eine Linie bezeichnet, welche vom Westhange des Kentei- und Jablonowoi- gebirges über das Witimplateau nach dem mittleren Wilui hin verläuft. Gemäß Maximowicz’ Bemerkungen über die Mongolei häuft sich der hauptsächliche Reich- tum der sibirischen Flora in jenem grossen halbkreis- förmigen Gebirgskessel an, welchen man erhält, indem man von einem am Thian-schan bei Kuldscha gelegenen Punkte der russisch-mongolischen Grenze nach dem Kentei- gebirge eine gerade Linie zieht und das nordnordwestlich derselben gelegene Landgebiet einheitlich übersieht. Aber hier im Bereich der Gebirge mischt sich die sibirische Waldvegetation mit der der turkestanischen und mongo- lischen Steppen; die Südabhänge sind fast alle hoch hin- auf mit Steppenvegetation völlig bedeckt, auch tief in die Thäler hinein schneidet die Steppe das Waldland entzwei. Letzteres beginnt über der Steppe und steigt an den Nordabhängen tiefer, im östlichen Altai- und Sajanergebirge schon, wie es scheint, ohne Unterbrechung in endloser Ausdehnung in die Tiefebene nordwärts hinab.
Nach Krassnoffs neuen Studien sind die Höhengrenzen der Bäume im Altai nach dem geringeren Maße anzusetzen, welches Grisebach (Abh. S. 416) aus Teplouchows Angaben den früheren Meinungen, die auch in die „Vegetation der Erde“ Einlass fanden, gegenüberstellte. Die Höhen sind, dem feuchten Klima und reg- nerisch-umwölkten Sommerhimmel entsprechend, im Altai nicht sehr hoch, erheben sich aber im Sajaner Gebirge. An die Steppe pflegt sich zu unterst die Kiefer anzuschliessen (300—800 m) mit Birke und Espe, dann folgt als Hauptbaum die Lärche, nach ihr im Range der Häufigkeit die Fichte, sibirische Tanne und Zirbel- kiefer, letztere nicht unter 850 m und bis zur Waldgrenze hinauf, welche auf der Nordseite 1360, auf der Südseite aber 1700 m hoch beobachtet wurde. Folgende Stauden werden als charakteristisch angegeben: Aconitum septentrionale, pallidum, barbatum, Napellus, Anthora und volubile, Atragene alpina, Paeonia intermedia, Epi- lobium angustifolium, Geranium sibiricum, Bupleurum aureum, Pleurospermum uralense und Heracleum barbatum, Pedicularis proboscidea, Senecio Fuchsii, Veratrum album. Der obere Zirbel-
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Lärchen- und Tannenregion. Altai.
In dem centralen Sibirien bildet der Baikalsee, wahrschein-
lich in noch höherem Grade das Jablonowoigebirge, eine
nördlich der Steppengrenze beginnende Scheide zwischen
West und Ost; sie wird als Ostgrenze der altaischen
Waldregion am besten wohl durch eine Linie bezeichnet,
welche vom Westhange des Kentei- und Jablonowoi-
gebirges über das Witimplateau nach dem mittleren
Wilui hin verläuft. Gemäß Maximowicz’ Bemerkungen
über die Mongolei häuft sich der hauptsächliche Reich-
tum der sibirischen Flora in jenem grossen halbkreis-
förmigen Gebirgskessel an, welchen man erhält, indem
man von einem am Thian-schan bei Kuldscha gelegenen
Punkte der russisch-mongolischen Grenze nach dem Kentei-
gebirge eine gerade Linie zieht und das nordnordwestlich
derselben gelegene Landgebiet einheitlich übersieht. Aber
hier im Bereich der Gebirge mischt sich die sibirische
Waldvegetation mit der der turkestanischen und mongo-
lischen Steppen; die Südabhänge sind fast alle hoch hin-
auf mit Steppenvegetation völlig bedeckt, auch tief in
die Thäler hinein schneidet die Steppe das Waldland
entzwei. Letzteres beginnt über der Steppe und steigt
an den Nordabhängen tiefer, im östlichen Altai- und
Sajanergebirge schon, wie es scheint, ohne Unterbrechung
in endloser Ausdehnung in die Tiefebene nordwärts hinab.
Nach Krassnoffs neuen Studien sind die Höhengrenzen der
Bäume im Altai nach dem geringeren Maße anzusetzen, welches
Grisebach (Abh. S. 416) aus Teplouchows Angaben den früheren
Meinungen, die auch in die „Vegetation der Erde“ Einlass fanden,
gegenüberstellte. Die Höhen sind, dem feuchten Klima und reg-
nerisch-umwölkten Sommerhimmel entsprechend, im Altai nicht
sehr hoch, erheben sich aber im Sajaner Gebirge. An die Steppe
pflegt sich zu unterst die Kiefer anzuschliessen (300—800 m) mit
Birke und Espe, dann folgt als Hauptbaum die Lärche, nach ihr
im Range der Häufigkeit die Fichte, sibirische Tanne und Zirbel-
kiefer, letztere nicht unter 850 m und bis zur Waldgrenze hinauf,
welche auf der Nordseite 1360, auf der Südseite aber 1700 m hoch
beobachtet wurde. Folgende Stauden werden als charakteristisch
angegeben: Aconitum septentrionale, pallidum, barbatum, Napellus,
Anthora und volubile, Atragene alpina, Paeonia intermedia, Epi-
lobium angustifolium, Geranium sibiricum, Bupleurum aureum,
Pleurospermum uralense und Heracleum barbatum, Pedicularis
proboscidea, Senecio Fuchsii, Veratrum album. Der obere Zirbel-
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/447>, abgerufen am 07.07.2024.
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