Die Vegetationslinie der Buche bildet daher eine wesent- liche Scheidung auch im ostbaltischen Bezirk dieser kontinentales mit Küstenklima vermittelnden Region. Die Tieflandsmoore im Ostbalticum haben noch sehr zahl- reiche arktische Inquilinen.
Im Norden der ostbaltischen Bezirke ist die Waldaihöhe nach Gobis Untersuchungen von pflanzengeographischer Bedeutung (vergl. Drude in Sitzungsberichte der "Isis" 1882 S. 55, und Florenkarte von Europa: Vegetationslinien). Dieselbe setzt mit den sich anschliessenden Höhenrücken den russischen Wiesensteppen- arten einen starken Widerstand entgegen, weil bis zu ihr auf den rauhen Höhen nördliche und nordöstliche Pflanzen zur Ansiedelung gelangt sind. Nur 350 m hoch gewährt sie der Eiche kein nor- males Fortkommen mehr, ist im Gegenteil von Salix Lapponum- gebüschen, der nordischen Birke mit Eberesche und Prunus Padus, borealen Ericaceen: Vaccinium uliginosum, Oxycoccus, Andro- meda etc., mit Linnaea borealis und Rubus Chamaemorus besetzt, welcher letztere übrigens auch noch in den russischen Ostssee- provinzen eine merkantile Bedeutung ("Moltebeere") besitzt. Unter diesen Umständen muss Norddeutschland thatsächlich ein Uebergangsgebiet zwischen dem rauhen Osten und Norden und dem atlantischen Westen darstellen, und es ist überhaupt nie für sich allein, sondern als Glied der grösseren Vegetationsregion mit Zuzüglern aus dem Süden aufzufassen. Hierfür vergl. zumal Loew, Roth und Gerndt (G. J., VIII, 243).
Der atlantische Westen ist floristisch aufzufassen als letzter Ausläufer der folgenden Vegetationsregion in den baltischen Grund- stock von Arten hinein. Erica Tetralix, Genista anglica, Myrica Gale, Ulex europaeus (zum Teil) mögen als seine Signale angeführt werden. Für die Pflanzengeographie Englands liefern die Werke von Watson ausgezeichnete Nachweise; seine Territorialeinteilung mit kartographischer Grundlage und systematischer Vollständigkeit zeigt die Uebergänge vom milden Südwesten mit Erica ciliaris, Rubia peregrina, Sibthorpia europaea bis zu den arktisch-alpinen Ausläufern auf den schottischen Hochlanden über 900 m hoch (obere Grenze von Calluna), wo als Beispiel der circa 1220 m hohe Ben-muich-dhu mit Silene acaulis, Carex rigida, Salix herbacea, Gnaphalium supinum, Luzula arcuata und spicata angeführt werden mag, ausserdem das Vorkommen von Saxifraga cernua und rivularis. Erica Tetralix steigt bis 600 m Höhe, fast ebenso hoch die Kiefer als einziger Nadelholzwaldbaum.
5. Im Bereich der westeuropäischen Laubwald- region fehlen, abgesehen von den berührten Gebirgs- ländern (siehe 6 und 7) die Nadelhölzer ganz; die "Flore de l'ouest de la France" z. B. nennt von Coniferen nur Juniperus communis. Dafür kommt Castanea vesca und
2. Nord- und Mitteleuropa.
Die Vegetationslinie der Buche bildet daher eine wesent- liche Scheidung auch im ostbaltischen Bezirk dieser kontinentales mit Küstenklima vermittelnden Region. Die Tieflandsmoore im Ostbalticum haben noch sehr zahl- reiche arktische Inquilinen.
Im Norden der ostbaltischen Bezirke ist die Waldaihöhe nach Gobis Untersuchungen von pflanzengeographischer Bedeutung (vergl. Drude in Sitzungsberichte der „Isis“ 1882 S. 55, und Florenkarte von Europa: Vegetationslinien). Dieselbe setzt mit den sich anschliessenden Höhenrücken den russischen Wiesensteppen- arten einen starken Widerstand entgegen, weil bis zu ihr auf den rauhen Höhen nördliche und nordöstliche Pflanzen zur Ansiedelung gelangt sind. Nur 350 m hoch gewährt sie der Eiche kein nor- males Fortkommen mehr, ist im Gegenteil von Salix Lapponum- gebüschen, der nordischen Birke mit Eberesche und Prunus Padus, borealen Ericaceen: Vaccinium uliginosum, Oxycoccus, Andro- meda etc., mit Linnaea borealis und Rubus Chamaemorus besetzt, welcher letztere übrigens auch noch in den russischen Ostssee- provinzen eine merkantile Bedeutung („Moltebeere“) besitzt. Unter diesen Umständen muss Norddeutschland thatsächlich ein Uebergangsgebiet zwischen dem rauhen Osten und Norden und dem atlantischen Westen darstellen, und es ist überhaupt nie für sich allein, sondern als Glied der grösseren Vegetationsregion mit Zuzüglern aus dem Süden aufzufassen. Hierfür vergl. zumal Loew, Roth und Gerndt (G. J., VIII, 243).
Der atlantische Westen ist floristisch aufzufassen als letzter Ausläufer der folgenden Vegetationsregion in den baltischen Grund- stock von Arten hinein. Erica Tetralix, Genista anglica, Myrica Gale, Ulex europaeus (zum Teil) mögen als seine Signale angeführt werden. Für die Pflanzengeographie Englands liefern die Werke von Watson ausgezeichnete Nachweise; seine Territorialeinteilung mit kartographischer Grundlage und systematischer Vollständigkeit zeigt die Uebergänge vom milden Südwesten mit Erica ciliaris, Rubia peregrina, Sibthorpia europaea bis zu den arktisch-alpinen Ausläufern auf den schottischen Hochlanden über 900 m hoch (obere Grenze von Calluna), wo als Beispiel der circa 1220 m hohe Ben-muich-dhu mit Silene acaulis, Carex rigida, Salix herbacea, Gnaphalium supinum, Luzula arcuata und spicata angeführt werden mag, ausserdem das Vorkommen von Saxifraga cernua und rivularis. Erica Tetralix steigt bis 600 m Höhe, fast ebenso hoch die Kiefer als einziger Nadelholzwaldbaum.
5. Im Bereich der westeuropäischen Laubwald- region fehlen, abgesehen von den berührten Gebirgs- ländern (siehe 6 und 7) die Nadelhölzer ganz; die „Flore de l’ouest de la France“ z. B. nennt von Coniferen nur Juniperus communis. Dafür kommt Castanea vesca und
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Die Vegetationslinie der Buche bildet daher eine wesent-
liche Scheidung auch im ostbaltischen Bezirk dieser
kontinentales mit Küstenklima vermittelnden Region. Die
Tieflandsmoore im Ostbalticum haben noch sehr zahl-
reiche arktische Inquilinen.
Im Norden der ostbaltischen Bezirke ist die Waldaihöhe
nach Gobis Untersuchungen von pflanzengeographischer Bedeutung
(vergl. Drude in Sitzungsberichte der „Isis“ 1882 S. 55, und
Florenkarte von Europa: Vegetationslinien). Dieselbe setzt mit
den sich anschliessenden Höhenrücken den russischen Wiesensteppen-
arten einen starken Widerstand entgegen, weil bis zu ihr auf den
rauhen Höhen nördliche und nordöstliche Pflanzen zur Ansiedelung
gelangt sind. Nur 350 m hoch gewährt sie der Eiche kein nor-
males Fortkommen mehr, ist im Gegenteil von Salix Lapponum-
gebüschen, der nordischen Birke mit Eberesche und Prunus Padus,
borealen Ericaceen: Vaccinium uliginosum, Oxycoccus, Andro-
meda etc., mit Linnaea borealis und Rubus Chamaemorus besetzt,
welcher letztere übrigens auch noch in den russischen Ostssee-
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diesen Umständen muss Norddeutschland thatsächlich ein
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dem atlantischen Westen darstellen, und es ist überhaupt nie für
sich allein, sondern als Glied der grösseren Vegetationsregion mit
Zuzüglern aus dem Süden aufzufassen. Hierfür vergl. zumal Loew,
Roth und Gerndt (G. J., VIII, 243).
Der atlantische Westen ist floristisch aufzufassen als letzter
Ausläufer der folgenden Vegetationsregion in den baltischen Grund-
stock von Arten hinein. Erica Tetralix, Genista anglica, Myrica
Gale, Ulex europaeus (zum Teil) mögen als seine Signale angeführt
werden. Für die Pflanzengeographie Englands liefern die Werke
von Watson ausgezeichnete Nachweise; seine Territorialeinteilung
mit kartographischer Grundlage und systematischer Vollständigkeit
zeigt die Uebergänge vom milden Südwesten mit Erica ciliaris,
Rubia peregrina, Sibthorpia europaea bis zu den arktisch-alpinen
Ausläufern auf den schottischen Hochlanden über 900 m hoch
(obere Grenze von Calluna), wo als Beispiel der circa 1220 m hohe
Ben-muich-dhu mit Silene acaulis, Carex rigida, Salix herbacea,
Gnaphalium supinum, Luzula arcuata und spicata angeführt werden
mag, ausserdem das Vorkommen von Saxifraga cernua und rivularis.
Erica Tetralix steigt bis 600 m Höhe, fast ebenso hoch die Kiefer
als einziger Nadelholzwaldbaum.
5. Im Bereich der westeuropäischen Laubwald-
region fehlen, abgesehen von den berührten Gebirgs-
ländern (siehe 6 und 7) die Nadelhölzer ganz; die „Flore
de l’ouest de la France“ z. B. nennt von Coniferen nur
Juniperus communis. Dafür kommt Castanea vesca und
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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