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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Naturalisation an fremdem Ort.
Organisation geschaffen hätte, welche unbedingt so sein
müsse und welche in vollkommenster Anpassung an die
äusseren Verhältnisse keinen Raum für andere Gewächse
übrig liesse: als wenn also die Ausbreitungsfähigkeit aller
Pflanzenarten durch die gegenwärtige klimatische Ab-
sonderung vollkommen und bis zur Aenderung der
äusseren Faktoren dauernd geregelt wäre, als wenn
endlich neben den genannten biologischen Bedingungen
keine anderen geographischen Ursachen auf die Areal-
grenzen einwirkten. Diese irrtümliche Auffassung, welche
in Wirklichkeit in der älteren Pflanzengeographie Jahr-
zehnte hindurch geherrscht hat und sich bis zur Gegen-
wart in schwachen Spuren erhält, vernachlässigt die
geologischen Bedingungen für eine bestimmte Ge-
stalt der Areale aller Pflanzen. Diese neue Reihe von
Bedingungen ist begründet in Trennungen der Kontinente,
in der Veränderung der Oberflächengestalt der Erde in
langen Perioden, in der Veränderung der klimatischen
Bedingungen mit den orographischen Umgestaltungen, in
Verschiebungen sekundärer Art hinsichtlich der Substrate
und hinsichtlich der durch die Mitwelt verursachten Lebens-
lage. Alle biologischen Bedingungen sind in
geologischer Umgestaltung dauernd begriffen
.

Den allgemeinsten Hinweis auf die Thatsache, dass
die äusseren Bedingungen nicht etwa absolut fixierte
Areale geschaffen haben, erblicken wir in den zahlreichen
Naturalisationen neuer Arten in einer alten Flora, wo-
rauf A. de Candolle sich schon vor 35 Jahren gegenüber
klimatischen Uebertreibungen berief (Geogr. bot. S. 608).
Wir verstehen darunter die Erscheinung, dass irgend eine
Art, welche durch eine bekannte oder unbekannte Ur-
sache von ihrer Heimat fort zu einem mit ihr nicht zu-
sammenhängenden Lande gelangt, z. B. aus Peru nach
Mitteleuropa, sich dort wie eine wilde Pflanze zu verhalten
beginnt und, ohne dass der Mensch sie in Pflege nimmt,
ihr Areal vergrössert bis zu den ihr in der neuen Heimat
gesetzten Grenzen der äusseren Lebensbedingungen. Sie
nimmt sogar nicht selten mit grossem Erfolge den Kampf
gegen eine mit dem Klima des fremden Landes voll-

Naturalisation an fremdem Ort.
Organisation geschaffen hätte, welche unbedingt so sein
müsse und welche in vollkommenster Anpassung an die
äusseren Verhältnisse keinen Raum für andere Gewächse
übrig liesse: als wenn also die Ausbreitungsfähigkeit aller
Pflanzenarten durch die gegenwärtige klimatische Ab-
sonderung vollkommen und bis zur Aenderung der
äusseren Faktoren dauernd geregelt wäre, als wenn
endlich neben den genannten biologischen Bedingungen
keine anderen geographischen Ursachen auf die Areal-
grenzen einwirkten. Diese irrtümliche Auffassung, welche
in Wirklichkeit in der älteren Pflanzengeographie Jahr-
zehnte hindurch geherrscht hat und sich bis zur Gegen-
wart in schwachen Spuren erhält, vernachlässigt die
geologischen Bedingungen für eine bestimmte Ge-
stalt der Areale aller Pflanzen. Diese neue Reihe von
Bedingungen ist begründet in Trennungen der Kontinente,
in der Veränderung der Oberflächengestalt der Erde in
langen Perioden, in der Veränderung der klimatischen
Bedingungen mit den orographischen Umgestaltungen, in
Verschiebungen sekundärer Art hinsichtlich der Substrate
und hinsichtlich der durch die Mitwelt verursachten Lebens-
lage. Alle biologischen Bedingungen sind in
geologischer Umgestaltung dauernd begriffen
.

Den allgemeinsten Hinweis auf die Thatsache, dass
die äusseren Bedingungen nicht etwa absolut fixierte
Areale geschaffen haben, erblicken wir in den zahlreichen
Naturalisationen neuer Arten in einer alten Flora, wo-
rauf A. de Candolle sich schon vor 35 Jahren gegenüber
klimatischen Uebertreibungen berief (Géogr. bot. S. 608).
Wir verstehen darunter die Erscheinung, dass irgend eine
Art, welche durch eine bekannte oder unbekannte Ur-
sache von ihrer Heimat fort zu einem mit ihr nicht zu-
sammenhängenden Lande gelangt, z. B. aus Peru nach
Mitteleuropa, sich dort wie eine wilde Pflanze zu verhalten
beginnt und, ohne dass der Mensch sie in Pflege nimmt,
ihr Areal vergrössert bis zu den ihr in der neuen Heimat
gesetzten Grenzen der äusseren Lebensbedingungen. Sie
nimmt sogar nicht selten mit grossem Erfolge den Kampf
gegen eine mit dem Klima des fremden Landes voll-

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[96/0118] Naturalisation an fremdem Ort. Organisation geschaffen hätte, welche unbedingt so sein müsse und welche in vollkommenster Anpassung an die äusseren Verhältnisse keinen Raum für andere Gewächse übrig liesse: als wenn also die Ausbreitungsfähigkeit aller Pflanzenarten durch die gegenwärtige klimatische Ab- sonderung vollkommen und bis zur Aenderung der äusseren Faktoren dauernd geregelt wäre, als wenn endlich neben den genannten biologischen Bedingungen keine anderen geographischen Ursachen auf die Areal- grenzen einwirkten. Diese irrtümliche Auffassung, welche in Wirklichkeit in der älteren Pflanzengeographie Jahr- zehnte hindurch geherrscht hat und sich bis zur Gegen- wart in schwachen Spuren erhält, vernachlässigt die geologischen Bedingungen für eine bestimmte Ge- stalt der Areale aller Pflanzen. Diese neue Reihe von Bedingungen ist begründet in Trennungen der Kontinente, in der Veränderung der Oberflächengestalt der Erde in langen Perioden, in der Veränderung der klimatischen Bedingungen mit den orographischen Umgestaltungen, in Verschiebungen sekundärer Art hinsichtlich der Substrate und hinsichtlich der durch die Mitwelt verursachten Lebens- lage. Alle biologischen Bedingungen sind in geologischer Umgestaltung dauernd begriffen. Den allgemeinsten Hinweis auf die Thatsache, dass die äusseren Bedingungen nicht etwa absolut fixierte Areale geschaffen haben, erblicken wir in den zahlreichen Naturalisationen neuer Arten in einer alten Flora, wo- rauf A. de Candolle sich schon vor 35 Jahren gegenüber klimatischen Uebertreibungen berief (Géogr. bot. S. 608). Wir verstehen darunter die Erscheinung, dass irgend eine Art, welche durch eine bekannte oder unbekannte Ur- sache von ihrer Heimat fort zu einem mit ihr nicht zu- sammenhängenden Lande gelangt, z. B. aus Peru nach Mitteleuropa, sich dort wie eine wilde Pflanze zu verhalten beginnt und, ohne dass der Mensch sie in Pflege nimmt, ihr Areal vergrössert bis zu den ihr in der neuen Heimat gesetzten Grenzen der äusseren Lebensbedingungen. Sie nimmt sogar nicht selten mit grossem Erfolge den Kampf gegen eine mit dem Klima des fremden Landes voll-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/118>, abgerufen am 24.11.2024.