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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Reuter, noch der Gewalt der Phalanx gewachsen, sich in die Stadt
zu werfen; und als sie auch dahin die Feinde nachrücken sahen,
flüchteten sie, indem sie von Weibern und Kindern mit sich nahmen,
was die Pferde tragen konnten, weiter in die Haiden des inneren
Landes. Der König rückte in die Stadt ein, und zerstörte sie,
sandte die Beute unter Philippus und Meleager nach Macedonien
zurück, opferte am Ufer des Stromes dem Retter Zeus, dem He-
rakles und dem Strome Dankopfer. Es war nicht seine Absicht,
die Grenzen seiner Macht bis in die weiten Ebenen, die sich nordwärts
der Donau ausbreiten, auszudehnen; der breite Strom war, nachdem
die Geten die Macht der Macedonier kennen gelernt hatten, eine
sichere Grenze, und in der Nähe weiter kein Volksstamm, dessen
Widerstand man zu fürchten gehabt hätte. Nachdem der König mit
jenen Opfern das nördlichste Ziel seiner Unternehmungen bezeichnet
hatte, kehrte er noch desselben Tages von einer Expedition, die ihm
keinen Mann gekostet hatte, in sein Lager jenseits des Flusses
zurück 79).

Nach einer so schnellen und erfolgreichen Unternehmung eilten
die freien Völkerschaften, die in der Nähe der Donau wohnten,
sich dem Könige zu unterwerfen; die Gesandtschaften der einzelnen
Stämme kamen mit den Geschenken ihres Landes, und baten um
Friede und Freundschaft, die ihnen gern gewährt wurde; auch der
Triballerfürst Syrmus, der wohl einsah, daß er seine Donauinsel
nicht zu halten im Stande sein würde, unterwarf sich, und wurde
unter der Bedingung zur Bundesgenossenschaft aufgenommen, daß
er fortan Kriegsschaaren zum Heere der Macedonier stellte 80).

Und schon war Alexanders Ruhm weithin unter den streitba-
ren Völkerschaften der Donauländer verbreitet; selbst von der fernen
Nordspitze des Adriatischen Meeres kam eine Gesandtschaft Celti-
scher Männer, die, wie ein Augenzeuge erzählt, groß von Körper
sind und Großes von sich denken, und, von des Königs großen Tha-
ten unterrichtet, um seine Freundschaft werben wollten. Und der junge
König sah sich gern von den einfachen Söhnen des fernen Westlan-
des bewundert; sein edler Stolz, der den feilen Wortschwall Grie-

79) Arrian I. 4.
80) Dies beweiset die Anführung bei Dio-
dor XVII. 17.

Reuter, noch der Gewalt der Phalanx gewachſen, ſich in die Stadt
zu werfen; und als ſie auch dahin die Feinde nachrücken ſahen,
flüchteten ſie, indem ſie von Weibern und Kindern mit ſich nahmen,
was die Pferde tragen konnten, weiter in die Haiden des inneren
Landes. Der König rückte in die Stadt ein, und zerſtörte ſie,
ſandte die Beute unter Philippus und Meleager nach Macedonien
zurück, opferte am Ufer des Stromes dem Retter Zeus, dem He-
rakles und dem Strome Dankopfer. Es war nicht ſeine Abſicht,
die Grenzen ſeiner Macht bis in die weiten Ebenen, die ſich nordwärts
der Donau ausbreiten, auszudehnen; der breite Strom war, nachdem
die Geten die Macht der Macedonier kennen gelernt hatten, eine
ſichere Grenze, und in der Nähe weiter kein Volksſtamm, deſſen
Widerſtand man zu fürchten gehabt hätte. Nachdem der König mit
jenen Opfern das nördlichſte Ziel ſeiner Unternehmungen bezeichnet
hatte, kehrte er noch deſſelben Tages von einer Expedition, die ihm
keinen Mann gekoſtet hatte, in ſein Lager jenſeits des Fluſſes
zurück 79).

Nach einer ſo ſchnellen und erfolgreichen Unternehmung eilten
die freien Völkerſchaften, die in der Nähe der Donau wohnten,
ſich dem Könige zu unterwerfen; die Geſandtſchaften der einzelnen
Stämme kamen mit den Geſchenken ihres Landes, und baten um
Friede und Freundſchaft, die ihnen gern gewährt wurde; auch der
Triballerfürſt Syrmus, der wohl einſah, daß er ſeine Donauinſel
nicht zu halten im Stande ſein würde, unterwarf ſich, und wurde
unter der Bedingung zur Bundesgenoſſenſchaft aufgenommen, daß
er fortan Kriegsſchaaren zum Heere der Macedonier ſtellte 80).

Und ſchon war Alexanders Ruhm weithin unter den ſtreitba-
ren Völkerſchaften der Donauländer verbreitet; ſelbſt von der fernen
Nordſpitze des Adriatiſchen Meeres kam eine Geſandtſchaft Celti-
ſcher Männer, die, wie ein Augenzeuge erzählt, groß von Körper
ſind und Großes von ſich denken, und, von des Königs großen Tha-
ten unterrichtet, um ſeine Freundſchaft werben wollten. Und der junge
König ſah ſich gern von den einfachen Söhnen des fernen Weſtlan-
des bewundert; ſein edler Stolz, der den feilen Wortſchwall Grie-

79) Arrian I. 4.
80) Dies beweiſet die Anführung bei Dio-
dor XVII. 17.
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[72/0086] Reuter, noch der Gewalt der Phalanx gewachſen, ſich in die Stadt zu werfen; und als ſie auch dahin die Feinde nachrücken ſahen, flüchteten ſie, indem ſie von Weibern und Kindern mit ſich nahmen, was die Pferde tragen konnten, weiter in die Haiden des inneren Landes. Der König rückte in die Stadt ein, und zerſtörte ſie, ſandte die Beute unter Philippus und Meleager nach Macedonien zurück, opferte am Ufer des Stromes dem Retter Zeus, dem He- rakles und dem Strome Dankopfer. Es war nicht ſeine Abſicht, die Grenzen ſeiner Macht bis in die weiten Ebenen, die ſich nordwärts der Donau ausbreiten, auszudehnen; der breite Strom war, nachdem die Geten die Macht der Macedonier kennen gelernt hatten, eine ſichere Grenze, und in der Nähe weiter kein Volksſtamm, deſſen Widerſtand man zu fürchten gehabt hätte. Nachdem der König mit jenen Opfern das nördlichſte Ziel ſeiner Unternehmungen bezeichnet hatte, kehrte er noch deſſelben Tages von einer Expedition, die ihm keinen Mann gekoſtet hatte, in ſein Lager jenſeits des Fluſſes zurück 79). Nach einer ſo ſchnellen und erfolgreichen Unternehmung eilten die freien Völkerſchaften, die in der Nähe der Donau wohnten, ſich dem Könige zu unterwerfen; die Geſandtſchaften der einzelnen Stämme kamen mit den Geſchenken ihres Landes, und baten um Friede und Freundſchaft, die ihnen gern gewährt wurde; auch der Triballerfürſt Syrmus, der wohl einſah, daß er ſeine Donauinſel nicht zu halten im Stande ſein würde, unterwarf ſich, und wurde unter der Bedingung zur Bundesgenoſſenſchaft aufgenommen, daß er fortan Kriegsſchaaren zum Heere der Macedonier ſtellte 80). Und ſchon war Alexanders Ruhm weithin unter den ſtreitba- ren Völkerſchaften der Donauländer verbreitet; ſelbſt von der fernen Nordſpitze des Adriatiſchen Meeres kam eine Geſandtſchaft Celti- ſcher Männer, die, wie ein Augenzeuge erzählt, groß von Körper ſind und Großes von ſich denken, und, von des Königs großen Tha- ten unterrichtet, um ſeine Freundſchaft werben wollten. Und der junge König ſah ſich gern von den einfachen Söhnen des fernen Weſtlan- des bewundert; ſein edler Stolz, der den feilen Wortſchwall Grie- 79) Arrian I. 4. 80) Dies beweiſet die Anführung bei Dio- dor XVII. 17.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/86>, abgerufen am 23.11.2024.