aus Byzanz erwarteten; sofort wurden sie mit Bogenschützen und Schwerbewaffneten bemannt, um die Insel, auf welche sich die Tri- baller und Thracier geflüchtet hatten, anzugreifen; aber die Insel war zu gut bewacht, die Ufer zu steil, der Strom zu reißend, der Schiffe zu wenige; Alexander zog seine Schiffe zurück, und beschloß den Angriff auf die Geten am jenseitigen Ufer sofort zu unterneh- men; wenn er durch ihre Demüthigung Herr der beiden Ufer war, so konnte sich auch die Donauinsel nicht halten.
Die Geten, etwa viertausend Mann zu Pferde, und mehr als zehntausend zu Fuß, hatten sich am Nordufer der Donau vor einer schlechtgebauten Stadt, die etwas landeinwärts lag, aufgestellt; sie meinten, der König werde, da seine Schiffe nicht einmal zur Lan- dung auf der Insel hingereicht hatten, eine Schiffbrücke schlagen lassen, und ihnen so Zeit und Gelegenheit zu Ueberfällen geben; Alexander kam ihnen zuvor. Es war in der Mitte des Juni, die Felder neben der Getenstadt mit Getreide bedeckt, das hoch ge- nug in den Halmen stand, um landende Truppen dem Auge des Feindes zu entziehen; alles kam darauf an, die Geten durch einen schnellen Ueberfall zu bewältigen; aber da die Schiffe aus Byzanz nicht Truppen genug fassen konnten, so brachte man aus der Ge- gend eine große Menge kleiner Nachen zusammen, deren sich die Einwohner bedienen, wenn sie auf dem Strome fischen oder Frei- beuterei treiben oder Freunde im anderen Dorfe besuchen; außer- dem wurden die Felle, unter denen die Macedonier zelteten, mit Heu ausgefüllt und fest zugeschnürt; in der Stille der Nacht nun setzten funfzehnhundert Ritter und viertausend Mann Fußvolk unter Befehl des Königs über den Strom, und landeten unter dem Schutze des weiten Getreidefeldes, unterhalb der Stadt. Mit Tagesanbruch rückten sie mitten durch die Saaten vor, vorauf das Fußvolk, mit der Weisung, das Getreide mit den langen Lanzen niederzuschla- gen, und bis sie an ein unbebautes Feld kämen, vorzurücken. Dort ritt nun die Reiterei, die bisher dem Fußvolke gefolgt war, unter des Königs Anführung bei dem rechten Flügel auf, während links an den Fluß gelehnt, die Phalanx in ausgebreiteter Linie unter Nikanor vorrückte. Die Geten, erschreckt durch die unbegreifliche Kühnheit Alexanders, der so leicht den größten aller Ströme, und das in einer Nacht, überschritten, eilten, weder dem Andrang der
aus Byzanz erwarteten; ſofort wurden ſie mit Bogenſchützen und Schwerbewaffneten bemannt, um die Inſel, auf welche ſich die Tri- baller und Thracier geflüchtet hatten, anzugreifen; aber die Inſel war zu gut bewacht, die Ufer zu ſteil, der Strom zu reißend, der Schiffe zu wenige; Alexander zog ſeine Schiffe zurück, und beſchloß den Angriff auf die Geten am jenſeitigen Ufer ſofort zu unterneh- men; wenn er durch ihre Demüthigung Herr der beiden Ufer war, ſo konnte ſich auch die Donauinſel nicht halten.
Die Geten, etwa viertauſend Mann zu Pferde, und mehr als zehntauſend zu Fuß, hatten ſich am Nordufer der Donau vor einer ſchlechtgebauten Stadt, die etwas landeinwärts lag, aufgeſtellt; ſie meinten, der König werde, da ſeine Schiffe nicht einmal zur Lan- dung auf der Inſel hingereicht hatten, eine Schiffbrücke ſchlagen laſſen, und ihnen ſo Zeit und Gelegenheit zu Ueberfällen geben; Alexander kam ihnen zuvor. Es war in der Mitte des Juni, die Felder neben der Getenſtadt mit Getreide bedeckt, das hoch ge- nug in den Halmen ſtand, um landende Truppen dem Auge des Feindes zu entziehen; alles kam darauf an, die Geten durch einen ſchnellen Ueberfall zu bewältigen; aber da die Schiffe aus Byzanz nicht Truppen genug faſſen konnten, ſo brachte man aus der Ge- gend eine große Menge kleiner Nachen zuſammen, deren ſich die Einwohner bedienen, wenn ſie auf dem Strome fiſchen oder Frei- beuterei treiben oder Freunde im anderen Dorfe beſuchen; außer- dem wurden die Felle, unter denen die Macedonier zelteten, mit Heu ausgefüllt und feſt zugeſchnürt; in der Stille der Nacht nun ſetzten funfzehnhundert Ritter und viertauſend Mann Fußvolk unter Befehl des Königs über den Strom, und landeten unter dem Schutze des weiten Getreidefeldes, unterhalb der Stadt. Mit Tagesanbruch rückten ſie mitten durch die Saaten vor, vorauf das Fußvolk, mit der Weiſung, das Getreide mit den langen Lanzen niederzuſchla- gen, und bis ſie an ein unbebautes Feld kämen, vorzurücken. Dort ritt nun die Reiterei, die bisher dem Fußvolke gefolgt war, unter des Königs Anführung bei dem rechten Flügel auf, während links an den Fluß gelehnt, die Phalanx in ausgebreiteter Linie unter Nikanor vorrückte. Die Geten, erſchreckt durch die unbegreifliche Kühnheit Alexanders, der ſo leicht den größten aller Ströme, und das in einer Nacht, überſchritten, eilten, weder dem Andrang der
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[71/0085]
aus Byzanz erwarteten; ſofort wurden ſie mit Bogenſchützen und
Schwerbewaffneten bemannt, um die Inſel, auf welche ſich die Tri-
baller und Thracier geflüchtet hatten, anzugreifen; aber die Inſel
war zu gut bewacht, die Ufer zu ſteil, der Strom zu reißend, der
Schiffe zu wenige; Alexander zog ſeine Schiffe zurück, und beſchloß
den Angriff auf die Geten am jenſeitigen Ufer ſofort zu unterneh-
men; wenn er durch ihre Demüthigung Herr der beiden Ufer war,
ſo konnte ſich auch die Donauinſel nicht halten.
Die Geten, etwa viertauſend Mann zu Pferde, und mehr als
zehntauſend zu Fuß, hatten ſich am Nordufer der Donau vor einer
ſchlechtgebauten Stadt, die etwas landeinwärts lag, aufgeſtellt; ſie
meinten, der König werde, da ſeine Schiffe nicht einmal zur Lan-
dung auf der Inſel hingereicht hatten, eine Schiffbrücke ſchlagen
laſſen, und ihnen ſo Zeit und Gelegenheit zu Ueberfällen geben;
Alexander kam ihnen zuvor. Es war in der Mitte des Juni,
die Felder neben der Getenſtadt mit Getreide bedeckt, das hoch ge-
nug in den Halmen ſtand, um landende Truppen dem Auge des
Feindes zu entziehen; alles kam darauf an, die Geten durch einen
ſchnellen Ueberfall zu bewältigen; aber da die Schiffe aus Byzanz
nicht Truppen genug faſſen konnten, ſo brachte man aus der Ge-
gend eine große Menge kleiner Nachen zuſammen, deren ſich die
Einwohner bedienen, wenn ſie auf dem Strome fiſchen oder Frei-
beuterei treiben oder Freunde im anderen Dorfe beſuchen; außer-
dem wurden die Felle, unter denen die Macedonier zelteten, mit Heu
ausgefüllt und feſt zugeſchnürt; in der Stille der Nacht nun ſetzten
funfzehnhundert Ritter und viertauſend Mann Fußvolk unter Befehl
des Königs über den Strom, und landeten unter dem Schutze des
weiten Getreidefeldes, unterhalb der Stadt. Mit Tagesanbruch
rückten ſie mitten durch die Saaten vor, vorauf das Fußvolk, mit
der Weiſung, das Getreide mit den langen Lanzen niederzuſchla-
gen, und bis ſie an ein unbebautes Feld kämen, vorzurücken. Dort
ritt nun die Reiterei, die bisher dem Fußvolke gefolgt war, unter
des Königs Anführung bei dem rechten Flügel auf, während links
an den Fluß gelehnt, die Phalanx in ausgebreiteter Linie unter
Nikanor vorrückte. Die Geten, erſchreckt durch die unbegreifliche
Kühnheit Alexanders, der ſo leicht den größten aller Ströme, und
das in einer Nacht, überſchritten, eilten, weder dem Andrang der
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/85>, abgerufen am 23.11.2024.
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