Die politischen Verhältnisse Griechenlands zu Karthago waren seit der Salaminischen Zeit denen zu Persien nicht unähnlich; schon zu Perikles Zeit wurde oftmals in der Volksversammlung das Project eines Krieges gegen Karthago besprochen, nach seinem Tode wiederholten es die Demagogen dringender und häufiger 21), und der Plan, den Alcibiades bei seinem Sicilischen Feldzuge hatte; war kein anderer, als von dort nach Afrika hinüberzugehen und den reichen Handelsstaat zu bekämpfen; während der nächstfol- genden sechzig Jahre, während die Griechen in Hellas der Kriege gegen die Barbaren mehr und mehr vergaßen, währten die Kämpfe der Sicilier gegen Karthago mit wechselndem Glück, bis Ti- moleons Sieg die Punier auf ihre alten Grenzen beschränkte. Durch Alexanders Besitznahme von Phönicien mußte sowohl Kar- thago, wie die übrigen Punischen Kolonien in Nordafrika und Ibe- rien, welche mit dem Mutterlande noch immer in sehr naher Verbindung standen, mit ganz besonderer Rücksicht ihr Verhältniß zu dem neuen Herrscher beachten, von dem sie wohl mehr als Ri- valität im Handel zu fürchten hatten; besonders konnte der Staat von Karthago sich nicht verhehlen, daß nach seinen früheren Verhältnissen mit Hellas und nach dem Charakter Alexanders ein Krieg nur zu wahrscheinlich war, in dem dann der Sieg der Macedonier wohl nicht zweifelhaft gewesen wäre. Um so natür- licher war es, die Freundschaft des mächtigen Königs zu suchen, wie denn auch ausdrücklich angeführt wird, daß die Libyschen Ge- sandten mit Kränzen und Glückwünschen wegen der Eroberung Asiens gekommen seien. -- Unter den übrigen Gesandtschaften waren namentlich die der Europäischen Scythen, der Celten, der
21) Mit Recht hat Naeke die Lesart Karkhedona. in Aristoph. Equit. 174 vertheidigt und auf dieses Karthagische Projekt ge- deutet; es ist der Lieblingsgedanke der ultrademokratischen Parthei in Athen, der Culminationspunkt der Attischen Macht. Mit Fleiß habe ich im Text die sehr nahe liegende Rücksicht auf Handels- verbindungen nicht anregen mögen, indem es noch nicht erwiesen ist, daß schon damals der unmittelbare Verkehr zwischen den Phö- nicischen Colonien und dem eigentlichen Hellas bedeutend gewesen.
Die politiſchen Verhaͤltniſſe Griechenlands zu Karthago waren ſeit der Salaminiſchen Zeit denen zu Perſien nicht unaͤhnlich; ſchon zu Perikles Zeit wurde oftmals in der Volksverſammlung das Project eines Krieges gegen Karthago beſprochen, nach ſeinem Tode wiederholten es die Demagogen dringender und haͤufiger 21), und der Plan, den Alcibiades bei ſeinem Siciliſchen Feldzuge hatte; war kein anderer, als von dort nach Afrika hinuͤberzugehen und den reichen Handelsſtaat zu bekaͤmpfen; waͤhrend der naͤchſtfol- genden ſechzig Jahre, waͤhrend die Griechen in Hellas der Kriege gegen die Barbaren mehr und mehr vergaßen, waͤhrten die Kaͤmpfe der Sicilier gegen Karthago mit wechſelndem Gluͤck, bis Ti- moleons Sieg die Punier auf ihre alten Grenzen beſchraͤnkte. Durch Alexanders Beſitznahme von Phoͤnicien mußte ſowohl Kar- thago, wie die uͤbrigen Puniſchen Kolonien in Nordafrika und Ibe- rien, welche mit dem Mutterlande noch immer in ſehr naher Verbindung ſtanden, mit ganz beſonderer Ruͤckſicht ihr Verhaͤltniß zu dem neuen Herrſcher beachten, von dem ſie wohl mehr als Ri- valitaͤt im Handel zu fuͤrchten hatten; beſonders konnte der Staat von Karthago ſich nicht verhehlen, daß nach ſeinen fruͤheren Verhaͤltniſſen mit Hellas und nach dem Charakter Alexanders ein Krieg nur zu wahrſcheinlich war, in dem dann der Sieg der Macedonier wohl nicht zweifelhaft geweſen waͤre. Um ſo natuͤr- licher war es, die Freundſchaft des maͤchtigen Koͤnigs zu ſuchen, wie denn auch ausdruͤcklich angefuͤhrt wird, daß die Libyſchen Ge- ſandten mit Kraͤnzen und Gluͤckwuͤnſchen wegen der Eroberung Aſiens gekommen ſeien. — Unter den uͤbrigen Geſandtſchaften waren namentlich die der Europaͤiſchen Scythen, der Celten, der
21) Mit Recht hat Naeke die Lesart Καϱχήδονα. in Aristoph. Equit. 174 vertheidigt und auf dieſes Karthagiſche Projekt ge- deutet; es iſt der Lieblingsgedanke der ultrademokratiſchen Parthei in Athen, der Culminationspunkt der Attiſchen Macht. Mit Fleiß habe ich im Text die ſehr nahe liegende Ruͤckſicht auf Handels- verbindungen nicht anregen moͤgen, indem es noch nicht erwieſen iſt, daß ſchon damals der unmittelbare Verkehr zwiſchen den Phoͤ- niciſchen Colonien und dem eigentlichen Hellas bedeutend geweſen.
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Die politiſchen Verhaͤltniſſe Griechenlands zu Karthago waren ſeit
der Salaminiſchen Zeit denen zu Perſien nicht unaͤhnlich; ſchon
zu Perikles Zeit wurde oftmals in der Volksverſammlung das
Project eines Krieges gegen Karthago beſprochen, nach ſeinem
Tode wiederholten es die Demagogen dringender und haͤufiger 21),
und der Plan, den Alcibiades bei ſeinem Siciliſchen Feldzuge hatte;
war kein anderer, als von dort nach Afrika hinuͤberzugehen und
den reichen Handelsſtaat zu bekaͤmpfen; waͤhrend der naͤchſtfol-
genden ſechzig Jahre, waͤhrend die Griechen in Hellas der Kriege
gegen die Barbaren mehr und mehr vergaßen, waͤhrten die Kaͤmpfe
der Sicilier gegen Karthago mit wechſelndem Gluͤck, bis Ti-
moleons Sieg die Punier auf ihre alten Grenzen beſchraͤnkte.
Durch Alexanders Beſitznahme von Phoͤnicien mußte ſowohl Kar-
thago, wie die uͤbrigen Puniſchen Kolonien in Nordafrika und Ibe-
rien, welche mit dem Mutterlande noch immer in ſehr naher
Verbindung ſtanden, mit ganz beſonderer Ruͤckſicht ihr Verhaͤltniß
zu dem neuen Herrſcher beachten, von dem ſie wohl mehr als Ri-
valitaͤt im Handel zu fuͤrchten hatten; beſonders konnte der Staat
von Karthago ſich nicht verhehlen, daß nach ſeinen fruͤheren
Verhaͤltniſſen mit Hellas und nach dem Charakter Alexanders
ein Krieg nur zu wahrſcheinlich war, in dem dann der Sieg der
Macedonier wohl nicht zweifelhaft geweſen waͤre. Um ſo natuͤr-
licher war es, die Freundſchaft des maͤchtigen Koͤnigs zu ſuchen,
wie denn auch ausdruͤcklich angefuͤhrt wird, daß die Libyſchen Ge-
ſandten mit Kraͤnzen und Gluͤckwuͤnſchen wegen der Eroberung
Aſiens gekommen ſeien. — Unter den uͤbrigen Geſandtſchaften
waren namentlich die der Europaͤiſchen Scythen, der Celten, der
21) Mit Recht hat Naeke die Lesart Καϱχήδονα. in Aristoph.
Equit. 174 vertheidigt und auf dieſes Karthagiſche Projekt ge-
deutet; es iſt der Lieblingsgedanke der ultrademokratiſchen Parthei
in Athen, der Culminationspunkt der Attiſchen Macht. Mit Fleiß
habe ich im Text die ſehr nahe liegende Ruͤckſicht auf Handels-
verbindungen nicht anregen moͤgen, indem es noch nicht erwieſen
iſt, daß ſchon damals der unmittelbare Verkehr zwiſchen den Phoͤ-
niciſchen Colonien und dem eigentlichen Hellas bedeutend geweſen.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/579>, abgerufen am 22.11.2024.
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