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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Aethioper, letztere dem Könige vielleicht um so wichtiger, je mehr
ihn jetzt der Plan, Arabien zu umschiffen und die Seestraße, die
bereits den Indus und Euphrat verband, bis an das rothe Meer
und zur Aegyptischen Ostküste fortzusetzen, beschäftigte.

Denn schon war der Befehl nach Phönicien gesandt, Ma-
trosen auszuheben, Schiffe zu erbauen und über Land in den
Euphrat zu schaffen; Nearch war beauftragt, die Flotte den
Euphrat hinauf nach Babylon zu führen; bald nach der Ankunft
des Königs in Babylon sollte der Zug gegen die Araber eröffnet
werden. Zu gleicher Zeit ward Heraklides, des Argäus Sohn,
mit einer Schaar Schiffszimmerleute nach dem Strande des Kas-
pischen Meeres abgesandt, mit dem Auftrage, in den Waldungen
der Hyrkanischen Gebirge Schiffsbauholz zu fällen und Kriegs-
schiffe sowohl mit als ohne Deck nach Hellenischer Art zu zim-
mern. Auch diese Expedition hatte den Zweck, zunächst zu unter-
suchen, ob das Kaspische Meer keine nördliche Durchfahrt dar-
böte, und ob es mit dem Mäotischen See oder dem offenbaren
Meer im Norden, und durch dasselbe mit den Indischen Gewäs-
sern in Verbindung stehe 22). Alexander mochte hoffen, mit die-
ser Expedition jenen Scythenfeldzug, den er vor fünf Jahren mit
dem Chorasmierkönig besprochen hatte, in Ausführung zu bringen.
Eben so waren für die Landmacht neue und sehr bedeutende Ver-
stärkungen angeworben, welche im Laufe des Frühlings in Baby-
lon eintreffen sollten. Es war offenbar, daß Alexander Großes vor-
hatte; es schien, als ob zu gleicher Zeit Feldzüge gegen Norden,
Süden und Westen unternommen werden sollten; vielleicht, daß
er sie einzelnen Feldherrn zu übertragen bezweckte, während er sich
das Ganze von Babylon, der Residenz seines Reiches, aus zu
leiten vorbehielt.

So mochten die Truppen und ihre Führer voll ungeduldiger
Spannung und in der frohen Hoffnung auf neue Feldzüge gen

22) Dieser Heraklides war, wie es scheint, des Königs Arche-
laus Enkel. In seinem Auftrage jene weitere Bestimmung eines
Scythenzuges zu suchen, veranlaßt mich außer der Wahrscheinlich-
keit, welche die Sache an sich hat, das von Arrian (VII. 1. 3,)
erwähntes Gerücht.

Aethioper, letztere dem Koͤnige vielleicht um ſo wichtiger, je mehr
ihn jetzt der Plan, Arabien zu umſchiffen und die Seeſtraße, die
bereits den Indus und Euphrat verband, bis an das rothe Meer
und zur Aegyptiſchen Oſtkuͤſte fortzuſetzen, beſchaͤftigte.

Denn ſchon war der Befehl nach Phoͤnicien geſandt, Ma-
troſen auszuheben, Schiffe zu erbauen und uͤber Land in den
Euphrat zu ſchaffen; Nearch war beauftragt, die Flotte den
Euphrat hinauf nach Babylon zu fuͤhren; bald nach der Ankunft
des Koͤnigs in Babylon ſollte der Zug gegen die Araber eroͤffnet
werden. Zu gleicher Zeit ward Heraklides, des Argaͤus Sohn,
mit einer Schaar Schiffszimmerleute nach dem Strande des Kas-
piſchen Meeres abgeſandt, mit dem Auftrage, in den Waldungen
der Hyrkaniſchen Gebirge Schiffsbauholz zu faͤllen und Kriegs-
ſchiffe ſowohl mit als ohne Deck nach Helleniſcher Art zu zim-
mern. Auch dieſe Expedition hatte den Zweck, zunaͤchſt zu unter-
ſuchen, ob das Kaspiſche Meer keine noͤrdliche Durchfahrt dar-
boͤte, und ob es mit dem Maͤotiſchen See oder dem offenbaren
Meer im Norden, und durch daſſelbe mit den Indiſchen Gewaͤſ-
ſern in Verbindung ſtehe 22). Alexander mochte hoffen, mit die-
ſer Expedition jenen Scythenfeldzug, den er vor fuͤnf Jahren mit
dem Chorasmierkoͤnig beſprochen hatte, in Ausfuͤhrung zu bringen.
Eben ſo waren fuͤr die Landmacht neue und ſehr bedeutende Ver-
ſtaͤrkungen angeworben, welche im Laufe des Fruͤhlings in Baby-
lon eintreffen ſollten. Es war offenbar, daß Alexander Großes vor-
hatte; es ſchien, als ob zu gleicher Zeit Feldzuͤge gegen Norden,
Suͤden und Weſten unternommen werden ſollten; vielleicht, daß
er ſie einzelnen Feldherrn zu uͤbertragen bezweckte, waͤhrend er ſich
das Ganze von Babylon, der Reſidenz ſeines Reiches, aus zu
leiten vorbehielt.

So mochten die Truppen und ihre Fuͤhrer voll ungeduldiger
Spannung und in der frohen Hoffnung auf neue Feldzuͤge gen

22) Dieſer Heraklides war, wie es ſcheint, des Koͤnigs Arche-
laus Enkel. In ſeinem Auftrage jene weitere Beſtimmung eines
Scythenzuges zu ſuchen, veranlaßt mich außer der Wahrſcheinlich-
keit, welche die Sache an ſich hat, das von Arrian (VII. 1. 3,)
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[566/0580] Aethioper, letztere dem Koͤnige vielleicht um ſo wichtiger, je mehr ihn jetzt der Plan, Arabien zu umſchiffen und die Seeſtraße, die bereits den Indus und Euphrat verband, bis an das rothe Meer und zur Aegyptiſchen Oſtkuͤſte fortzuſetzen, beſchaͤftigte. Denn ſchon war der Befehl nach Phoͤnicien geſandt, Ma- troſen auszuheben, Schiffe zu erbauen und uͤber Land in den Euphrat zu ſchaffen; Nearch war beauftragt, die Flotte den Euphrat hinauf nach Babylon zu fuͤhren; bald nach der Ankunft des Koͤnigs in Babylon ſollte der Zug gegen die Araber eroͤffnet werden. Zu gleicher Zeit ward Heraklides, des Argaͤus Sohn, mit einer Schaar Schiffszimmerleute nach dem Strande des Kas- piſchen Meeres abgeſandt, mit dem Auftrage, in den Waldungen der Hyrkaniſchen Gebirge Schiffsbauholz zu faͤllen und Kriegs- ſchiffe ſowohl mit als ohne Deck nach Helleniſcher Art zu zim- mern. Auch dieſe Expedition hatte den Zweck, zunaͤchſt zu unter- ſuchen, ob das Kaspiſche Meer keine noͤrdliche Durchfahrt dar- boͤte, und ob es mit dem Maͤotiſchen See oder dem offenbaren Meer im Norden, und durch daſſelbe mit den Indiſchen Gewaͤſ- ſern in Verbindung ſtehe 22). Alexander mochte hoffen, mit die- ſer Expedition jenen Scythenfeldzug, den er vor fuͤnf Jahren mit dem Chorasmierkoͤnig beſprochen hatte, in Ausfuͤhrung zu bringen. Eben ſo waren fuͤr die Landmacht neue und ſehr bedeutende Ver- ſtaͤrkungen angeworben, welche im Laufe des Fruͤhlings in Baby- lon eintreffen ſollten. Es war offenbar, daß Alexander Großes vor- hatte; es ſchien, als ob zu gleicher Zeit Feldzuͤge gegen Norden, Suͤden und Weſten unternommen werden ſollten; vielleicht, daß er ſie einzelnen Feldherrn zu uͤbertragen bezweckte, waͤhrend er ſich das Ganze von Babylon, der Reſidenz ſeines Reiches, aus zu leiten vorbehielt. So mochten die Truppen und ihre Fuͤhrer voll ungeduldiger Spannung und in der frohen Hoffnung auf neue Feldzuͤge gen 22) Dieſer Heraklides war, wie es ſcheint, des Koͤnigs Arche- laus Enkel. In ſeinem Auftrage jene weitere Beſtimmung eines Scythenzuges zu ſuchen, veranlaßt mich außer der Wahrſcheinlich- keit, welche die Sache an ſich hat, das von Arrian (VII. 1. 3,) erwaͤhntes Geruͤcht.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/580>, abgerufen am 27.04.2024.