ihren letzten Formen die brennende Lebendigkeit des Griechen- thums, den es an Stoff, die erstorbenen Massen des Asiatischen Völkerthums, dem es an Leben gebrach; Beide bedurften einander; nun endlich sättigte sich Hellas an der Ueberfülle Asiens und Alex- ander vollendete das große Werk, das Dionysos den Hellenen be- gonnen; nun endlich trank Asien in vollen Zügen von dem Helle- nischen Geiste und das schlummernde Leben der Völker erwachte geläuterter.
Dies ist der Ort nicht, darzustellen, zu welchen Folgen sich jene Vermischung der Völker entwickelt hat; sie sind die Geschichte der nächsten Jahrhunderte; aber schon lassen sich die neuen Keime deutlich erkennen, die sich in Kunst, Wissenschaft und Religion, in allem menschlichen Erkennen und Wollen von dieser Zeit an im- mer reicher entfaltet haben. Die Hellenische Kunst bereichert sich mit Asiatischer Pracht, sie beginnt die stille Größe harmonischer Verhältnisse zu der stolzen Herrlichkeit gewaltiger Massen zu stei- gern, und den feierlichen Ernst ihrer Plastik mit allem schwelgeri- schen Schmuck des Morgenlandes zu umkleiden; die düstere Pracht der Aegyptischen Tempel, die phantastischen Felsenbauten von Per- sopolis, die Riesentrümmer von Babylon, die Indischen Pracht- bauten mit ihren Schlangenidolen und den lagernden Elephanten un- ter den Säulen, das Alles wird dem Hellenischen Künstler, mit den Traditionen seiner heimathlichen Kunst vermischt, ein reicher Schatz neuer Anschauungen und Entwürfe; so entstand jener Rie- senplan des Dinokrates, den Berg Athos zu einer Statue Alex- anders auszumeißeln, deren eine Hand eine Stadt von zehntausend Einwohnern tragen, die Andere einen Bergstrom in mächtigen Katarakten in das Meer hinabgießen sollte; so jener Plan Alex- anders, dem Gedächtniß seines Vaters Philipp eine Pyramide, der höchsten Aegyptischen gleich, zu errichten. Auch die poetische Kunst versuchte es, an diesem neuen Leben Antheil zu gewinnen; aber erstorben wie sie schon war, hat sie es nicht mehr vermocht, die Farbenpracht Persischer Mährchen oder die überirdische Feier- lichkeit monotheistischer Psalmen und Prophetien in sich anfzuneh- men; sie kehrte schnell zur blinden Nachahmung ihrer classischen Zeit zurück und überließ es dem Morgenlande, die Erinnerung an den gemeinsanen Helden Iskander in tausend Sagen und Gesän-
ihren letzten Formen die brennende Lebendigkeit des Griechen- thums, den es an Stoff, die erſtorbenen Maſſen des Aſiatiſchen Voͤlkerthums, dem es an Leben gebrach; Beide bedurften einander; nun endlich ſaͤttigte ſich Hellas an der Ueberfuͤlle Aſiens und Alex- ander vollendete das große Werk, das Dionyſos den Hellenen be- gonnen; nun endlich trank Aſien in vollen Zuͤgen von dem Helle- niſchen Geiſte und das ſchlummernde Leben der Voͤlker erwachte gelaͤuterter.
Dies iſt der Ort nicht, darzuſtellen, zu welchen Folgen ſich jene Vermiſchung der Voͤlker entwickelt hat; ſie ſind die Geſchichte der naͤchſten Jahrhunderte; aber ſchon laſſen ſich die neuen Keime deutlich erkennen, die ſich in Kunſt, Wiſſenſchaft und Religion, in allem menſchlichen Erkennen und Wollen von dieſer Zeit an im- mer reicher entfaltet haben. Die Helleniſche Kunſt bereichert ſich mit Aſiatiſcher Pracht, ſie beginnt die ſtille Groͤße harmoniſcher Verhaͤltniſſe zu der ſtolzen Herrlichkeit gewaltiger Maſſen zu ſtei- gern, und den feierlichen Ernſt ihrer Plaſtik mit allem ſchwelgeri- ſchen Schmuck des Morgenlandes zu umkleiden; die duͤſtere Pracht der Aegyptiſchen Tempel, die phantaſtiſchen Felſenbauten von Per- ſopolis, die Rieſentruͤmmer von Babylon, die Indiſchen Pracht- bauten mit ihren Schlangenidolen und den lagernden Elephanten un- ter den Saͤulen, das Alles wird dem Helleniſchen Kuͤnſtler, mit den Traditionen ſeiner heimathlichen Kunſt vermiſcht, ein reicher Schatz neuer Anſchauungen und Entwuͤrfe; ſo entſtand jener Rie- ſenplan des Dinokrates, den Berg Athos zu einer Statue Alex- anders auszumeißeln, deren eine Hand eine Stadt von zehntauſend Einwohnern tragen, die Andere einen Bergſtrom in maͤchtigen Katarakten in das Meer hinabgießen ſollte; ſo jener Plan Alex- anders, dem Gedaͤchtniß ſeines Vaters Philipp eine Pyramide, der hoͤchſten Aegyptiſchen gleich, zu errichten. Auch die poetiſche Kunſt verſuchte es, an dieſem neuen Leben Antheil zu gewinnen; aber erſtorben wie ſie ſchon war, hat ſie es nicht mehr vermocht, die Farbenpracht Perſiſcher Maͤhrchen oder die uͤberirdiſche Feier- lichkeit monotheiſtiſcher Pſalmen und Prophetien in ſich anfzuneh- men; ſie kehrte ſchnell zur blinden Nachahmung ihrer claſſiſchen Zeit zuruͤck und uͤberließ es dem Morgenlande, die Erinnerung an den gemeinſanen Helden Iskander in tauſend Sagen und Geſaͤn-
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ihren letzten Formen die brennende Lebendigkeit des Griechen-
thums, den es an Stoff, die erſtorbenen Maſſen des Aſiatiſchen
Voͤlkerthums, dem es an Leben gebrach; Beide bedurften einander;
nun endlich ſaͤttigte ſich Hellas an der Ueberfuͤlle Aſiens und Alex-
ander vollendete das große Werk, das Dionyſos den Hellenen be-
gonnen; nun endlich trank Aſien in vollen Zuͤgen von dem Helle-
niſchen Geiſte und das ſchlummernde Leben der Voͤlker erwachte
gelaͤuterter.
Dies iſt der Ort nicht, darzuſtellen, zu welchen Folgen ſich
jene Vermiſchung der Voͤlker entwickelt hat; ſie ſind die Geſchichte
der naͤchſten Jahrhunderte; aber ſchon laſſen ſich die neuen Keime
deutlich erkennen, die ſich in Kunſt, Wiſſenſchaft und Religion,
in allem menſchlichen Erkennen und Wollen von dieſer Zeit an im-
mer reicher entfaltet haben. Die Helleniſche Kunſt bereichert ſich
mit Aſiatiſcher Pracht, ſie beginnt die ſtille Groͤße harmoniſcher
Verhaͤltniſſe zu der ſtolzen Herrlichkeit gewaltiger Maſſen zu ſtei-
gern, und den feierlichen Ernſt ihrer Plaſtik mit allem ſchwelgeri-
ſchen Schmuck des Morgenlandes zu umkleiden; die duͤſtere Pracht
der Aegyptiſchen Tempel, die phantaſtiſchen Felſenbauten von Per-
ſopolis, die Rieſentruͤmmer von Babylon, die Indiſchen Pracht-
bauten mit ihren Schlangenidolen und den lagernden Elephanten un-
ter den Saͤulen, das Alles wird dem Helleniſchen Kuͤnſtler, mit
den Traditionen ſeiner heimathlichen Kunſt vermiſcht, ein reicher
Schatz neuer Anſchauungen und Entwuͤrfe; ſo entſtand jener Rie-
ſenplan des Dinokrates, den Berg Athos zu einer Statue Alex-
anders auszumeißeln, deren eine Hand eine Stadt von zehntauſend
Einwohnern tragen, die Andere einen Bergſtrom in maͤchtigen
Katarakten in das Meer hinabgießen ſollte; ſo jener Plan Alex-
anders, dem Gedaͤchtniß ſeines Vaters Philipp eine Pyramide,
der hoͤchſten Aegyptiſchen gleich, zu errichten. Auch die poetiſche
Kunſt verſuchte es, an dieſem neuen Leben Antheil zu gewinnen;
aber erſtorben wie ſie ſchon war, hat ſie es nicht mehr vermocht,
die Farbenpracht Perſiſcher Maͤhrchen oder die uͤberirdiſche Feier-
lichkeit monotheiſtiſcher Pſalmen und Prophetien in ſich anfzuneh-
men; ſie kehrte ſchnell zur blinden Nachahmung ihrer claſſiſchen
Zeit zuruͤck und uͤberließ es dem Morgenlande, die Erinnerung an
den gemeinſanen Helden Iskander in tauſend Sagen und Geſaͤn-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/560>, abgerufen am 22.11.2024.
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