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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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lich in der Hoffnung, eine Verbindung des Kaspischen Meeres
mit dem nördlichen und weiter dem Indischen Ocean aufzufinden,
in den Hyrkanischen Wäldern Schiffe zu bauen anordnete, davon
wird demnächst in der Geschichte seines letzten Lebensjahres, wel-
ches ganz diesen Rüstungen und der ausgedehntesten Organisation
gewidmet ist, die Rede sein. Wenn auch über die Zerrüttung der
nächstfolgenden Zeit Manches von diesen Plänen unausgeführt ge-
blieben, manches bereits ins Werk Gesetzte wiederum aufgegeben
worden ist, so bleibt doch so viel gewiß, daß die neue Gestalt,
welche Handel und Gewerbe durch Alexander gewonnen, zur Hel-
lenisirung des Asiatischen Westens außerordentlich viel beigetragen
hat.

Ein anderer Hauptpunkt, für die Umgestaltung der Weltver-
hältnisse und für die Entwickelungsgeschichte der Menschheit viel-
leicht der wichtigste, ist die von Alexander bezweckte und begrün-
dete Völkermischung. Von den Mitteln, deren sich der König be-
diente, um dieses größeste Werk seines großen Lebens zu vollbrin-
gen, von den Schwierigkeiten und Gefahren, denen er deshalb zu
begegnen hatte, von den ersten Gestaltungen, in denen dieß Prin-
cip einer neuen Weltepoche auftrat, ist im Verlaufe dieser Ge-
schichte mehrfach die Rede gewesen. In einer Zeit von zehn Jah-
ren war eine Welt entdeckt und erobert worden, waren Millionen
für den Thron eines Fremdlings gewonnen und mit dem Geiste
eines fremden Welttheils neu belebt worden, waren die Schran-
ken gefallen, die Morgen- und Abendland schieden, und die Wege
geöffnet, die fortan die Länder des Aufganges und Niederganges
mit einander vereinen sollten. Ein alter Schriftsteller sagt: wie in
einem Becher der Liebe waren die Elemente alles Völkerlebens in
einander gemischt, und die Völker tranken gemeinsam aus diesem
Becher, und vergaßen der alten Feindschaft und der eigenen Ohn-
macht. Olympias Traum war erfüllt, die Flamme ihres Schoo-
ßes, von der sie in der Brautnacht geträumt, hatte die Länder
der Welt entzündet, und in eine Feuersbrunst alle Vergangen-
heit, alle Schranke niedergebrannt, daß der Feuerschein bis in
die Wüsteneien des Nordens und in die stillen Wälder des Gan-
ges wiederleuchtete.

Die Elemente, die Alexander mit einander vereinte, sind in

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lich in der Hoffnung, eine Verbindung des Kaspiſchen Meeres
mit dem noͤrdlichen und weiter dem Indiſchen Ocean aufzufinden,
in den Hyrkaniſchen Waͤldern Schiffe zu bauen anordnete, davon
wird demnaͤchſt in der Geſchichte ſeines letzten Lebensjahres, wel-
ches ganz dieſen Ruͤſtungen und der ausgedehnteſten Organiſation
gewidmet iſt, die Rede ſein. Wenn auch uͤber die Zerruͤttung der
naͤchſtfolgenden Zeit Manches von dieſen Plaͤnen unausgefuͤhrt ge-
blieben, manches bereits ins Werk Geſetzte wiederum aufgegeben
worden iſt, ſo bleibt doch ſo viel gewiß, daß die neue Geſtalt,
welche Handel und Gewerbe durch Alexander gewonnen, zur Hel-
leniſirung des Aſiatiſchen Weſtens außerordentlich viel beigetragen
hat.

Ein anderer Hauptpunkt, fuͤr die Umgeſtaltung der Weltver-
haͤltniſſe und fuͤr die Entwickelungsgeſchichte der Menſchheit viel-
leicht der wichtigſte, iſt die von Alexander bezweckte und begruͤn-
dete Voͤlkermiſchung. Von den Mitteln, deren ſich der Koͤnig be-
diente, um dieſes groͤßeſte Werk ſeines großen Lebens zu vollbrin-
gen, von den Schwierigkeiten und Gefahren, denen er deshalb zu
begegnen hatte, von den erſten Geſtaltungen, in denen dieß Prin-
cip einer neuen Weltepoche auftrat, iſt im Verlaufe dieſer Ge-
ſchichte mehrfach die Rede geweſen. In einer Zeit von zehn Jah-
ren war eine Welt entdeckt und erobert worden, waren Millionen
fuͤr den Thron eines Fremdlings gewonnen und mit dem Geiſte
eines fremden Welttheils neu belebt worden, waren die Schran-
ken gefallen, die Morgen- und Abendland ſchieden, und die Wege
geoͤffnet, die fortan die Laͤnder des Aufganges und Niederganges
mit einander vereinen ſollten. Ein alter Schriftſteller ſagt: wie in
einem Becher der Liebe waren die Elemente alles Voͤlkerlebens in
einander gemiſcht, und die Voͤlker tranken gemeinſam aus dieſem
Becher, und vergaßen der alten Feindſchaft und der eigenen Ohn-
macht. Olympias Traum war erfuͤllt, die Flamme ihres Schoo-
ßes, von der ſie in der Brautnacht getraͤumt, hatte die Laͤnder
der Welt entzuͤndet, und in eine Feuersbrunſt alle Vergangen-
heit, alle Schranke niedergebrannt, daß der Feuerſchein bis in
die Wuͤſteneien des Nordens und in die ſtillen Waͤlder des Gan-
ges wiederleuchtete.

Die Elemente, die Alexander mit einander vereinte, ſind in

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[545/0559] lich in der Hoffnung, eine Verbindung des Kaspiſchen Meeres mit dem noͤrdlichen und weiter dem Indiſchen Ocean aufzufinden, in den Hyrkaniſchen Waͤldern Schiffe zu bauen anordnete, davon wird demnaͤchſt in der Geſchichte ſeines letzten Lebensjahres, wel- ches ganz dieſen Ruͤſtungen und der ausgedehnteſten Organiſation gewidmet iſt, die Rede ſein. Wenn auch uͤber die Zerruͤttung der naͤchſtfolgenden Zeit Manches von dieſen Plaͤnen unausgefuͤhrt ge- blieben, manches bereits ins Werk Geſetzte wiederum aufgegeben worden iſt, ſo bleibt doch ſo viel gewiß, daß die neue Geſtalt, welche Handel und Gewerbe durch Alexander gewonnen, zur Hel- leniſirung des Aſiatiſchen Weſtens außerordentlich viel beigetragen hat. Ein anderer Hauptpunkt, fuͤr die Umgeſtaltung der Weltver- haͤltniſſe und fuͤr die Entwickelungsgeſchichte der Menſchheit viel- leicht der wichtigſte, iſt die von Alexander bezweckte und begruͤn- dete Voͤlkermiſchung. Von den Mitteln, deren ſich der Koͤnig be- diente, um dieſes groͤßeſte Werk ſeines großen Lebens zu vollbrin- gen, von den Schwierigkeiten und Gefahren, denen er deshalb zu begegnen hatte, von den erſten Geſtaltungen, in denen dieß Prin- cip einer neuen Weltepoche auftrat, iſt im Verlaufe dieſer Ge- ſchichte mehrfach die Rede geweſen. In einer Zeit von zehn Jah- ren war eine Welt entdeckt und erobert worden, waren Millionen fuͤr den Thron eines Fremdlings gewonnen und mit dem Geiſte eines fremden Welttheils neu belebt worden, waren die Schran- ken gefallen, die Morgen- und Abendland ſchieden, und die Wege geoͤffnet, die fortan die Laͤnder des Aufganges und Niederganges mit einander vereinen ſollten. Ein alter Schriftſteller ſagt: wie in einem Becher der Liebe waren die Elemente alles Voͤlkerlebens in einander gemiſcht, und die Voͤlker tranken gemeinſam aus dieſem Becher, und vergaßen der alten Feindſchaft und der eigenen Ohn- macht. Olympias Traum war erfuͤllt, die Flamme ihres Schoo- ßes, von der ſie in der Brautnacht getraͤumt, hatte die Laͤnder der Welt entzuͤndet, und in eine Feuersbrunſt alle Vergangen- heit, alle Schranke niedergebrannt, daß der Feuerſchein bis in die Wuͤſteneien des Nordens und in die ſtillen Waͤlder des Gan- ges wiederleuchtete. Die Elemente, die Alexander mit einander vereinte, ſind in 35

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/559>, abgerufen am 28.04.2024.