Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Stadt; die Misstimmung der Macedonischen Truppen hatte sich
seit dem Aufbruche aus Susa keinesweges vermindert, die lästigen
Märsche, die ihnen überflüssig, die Arbeiten an den Flußdämmen,
die ihnen des Soldaten unwürdig erschienen, waren Stoff zu
neuem Mißvergnügen, und die übertriebensten und verkehrtesten
Gerüchte von dem, was der König mit ihnen beabsichtigte, fanden
Glauben und steigerten ihr besorgliches Mistrauen bis zur höchsten
Spannung. Da wurden sie zur Versammlung berufen; auf der
Ebene vor Opis versammelte sich das Heer; der König bestieg
die Tribüne: "er könne den Macedoniern Erfreuliches verkünden;
viele unter ihnen, durch vieljährige Dienste, durch Wunden und
Strapazen erschöpft, dürften mit Recht Anspruch darauf machen,
die Waffen, die sie so ruhmvoll geführt, mit einer bequemen Ruhe
zu vertauschen; er wolle sie nicht, wie frühere Invaliden, in die
neuen Städte ansiedeln, er wisse, daß sie gern die Heimath wie-
dersähen, er wolle die für den weiteren Dienst Untauglichen eh-
renvoll heimsenden; wer von diesen Veteranen bei ihm bleiben
wolle, dem werde er diese Hingebung so zu vergelten wissen, daß
sie beneidenswerther als die Heimgekehrten erscheinen, und in der
Jugend der Heimath das Verlangen nach gleichen Gefahren und
gleichem Ruhm verdoppeln sollten; da jetzt Asien unterworfen und
beruhigt sei, so könnten möglichst Viele au der Entlassung Theil
nehmen, es seien zum Heerdienst nur dreizehntausend Macedonier
vom Fußvolk und zweitausend Reuter erforderlich, so daß die Zahl
der zur Heimkehr bestimmten sich auf zehntausend Mann belaufe."
Hier unterbrach den König ein wildes und verworrenes Geschrei:
"er wolle der Veteranen los sein, er wolle nur ein Barbarenheer;

nach Tavernier gegen sechzig Tage, nach Hackluit siebenundvierzig,
(s. Vinccnt p. 462.) von Susa stromab bis zum Meere dürften
an dreißig Meilen, etwa vicr Tage sein; dazu kam für Alexander
die Fahrt von der Euläus-Mündung zu der des Tigris, ferner der
Aufenthalt beim Einreißen der Flußdämme, dann die weitere
Fahrt von Bagdad bis El Howasch, endlich die in dieser Jahreszeit
gewöhnliche Wasserfülle und die größere Schwierigkeit, stroman zu
fahren, so daß drei Monate für die Fahrt von Susa bis Opis
nicht zu viel sein dürften.

Stadt; die Misſtimmung der Macedoniſchen Truppen hatte ſich
ſeit dem Aufbruche aus Suſa keinesweges vermindert, die laͤſtigen
Maͤrſche, die ihnen uͤberfluͤſſig, die Arbeiten an den Flußdaͤmmen,
die ihnen des Soldaten unwuͤrdig erſchienen, waren Stoff zu
neuem Mißvergnuͤgen, und die uͤbertriebenſten und verkehrteſten
Geruͤchte von dem, was der Koͤnig mit ihnen beabſichtigte, fanden
Glauben und ſteigerten ihr beſorgliches Mistrauen bis zur hoͤchſten
Spannung. Da wurden ſie zur Verſammlung berufen; auf der
Ebene vor Opis verſammelte ſich das Heer; der Koͤnig beſtieg
die Tribuͤne: „er koͤnne den Macedoniern Erfreuliches verkuͤnden;
viele unter ihnen, durch vieljaͤhrige Dienſte, durch Wunden und
Strapazen erſchoͤpft, duͤrften mit Recht Anſpruch darauf machen,
die Waffen, die ſie ſo ruhmvoll gefuͤhrt, mit einer bequemen Ruhe
zu vertauſchen; er wolle ſie nicht, wie fruͤhere Invaliden, in die
neuen Staͤdte anſiedeln, er wiſſe, daß ſie gern die Heimath wie-
derſaͤhen, er wolle die fuͤr den weiteren Dienſt Untauglichen eh-
renvoll heimſenden; wer von dieſen Veteranen bei ihm bleiben
wolle, dem werde er dieſe Hingebung ſo zu vergelten wiſſen, daß
ſie beneidenswerther als die Heimgekehrten erſcheinen, und in der
Jugend der Heimath das Verlangen nach gleichen Gefahren und
gleichem Ruhm verdoppeln ſollten; da jetzt Aſien unterworfen und
beruhigt ſei, ſo koͤnnten moͤglichſt Viele au der Entlaſſung Theil
nehmen, es ſeien zum Heerdienſt nur dreizehntauſend Macedonier
vom Fußvolk und zweitauſend Reuter erforderlich, ſo daß die Zahl
der zur Heimkehr beſtimmten ſich auf zehntauſend Mann belaufe.“
Hier unterbrach den Koͤnig ein wildes und verworrenes Geſchrei:
„er wolle der Veteranen los ſein, er wolle nur ein Barbarenheer;

nach Tavernier gegen ſechzig Tage, nach Hackluit ſiebenundvierzig,
(ſ. Vinccnt p. 462.) von Suſa ſtromab bis zum Meere duͤrften
an dreißig Meilen, etwa vicr Tage ſein; dazu kam fuͤr Alexander
die Fahrt von der Eulaͤus-Muͤndung zu der des Tigris, ferner der
Aufenthalt beim Einreißen der Flußdaͤmme, dann die weitere
Fahrt von Bagdad bis El Howaſch, endlich die in dieſer Jahreszeit
gewoͤhnliche Waſſerfuͤlle und die groͤßere Schwierigkeit, ſtroman zu
fahren, ſo daß drei Monate fuͤr die Fahrt von Suſa bis Opis
nicht zu viel ſein duͤrften.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0524" n="510"/>
Stadt; die Mis&#x017F;timmung der Macedoni&#x017F;chen Truppen hatte &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eit dem Aufbruche aus Su&#x017F;a keinesweges vermindert, die la&#x0364;&#x017F;tigen<lb/>
Ma&#x0364;r&#x017F;che, die ihnen u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, die Arbeiten an den Flußda&#x0364;mmen,<lb/>
die ihnen des Soldaten unwu&#x0364;rdig er&#x017F;chienen, waren Stoff zu<lb/>
neuem Mißvergnu&#x0364;gen, und die u&#x0364;bertrieben&#x017F;ten und verkehrte&#x017F;ten<lb/>
Geru&#x0364;chte von dem, was der Ko&#x0364;nig mit ihnen beab&#x017F;ichtigte, fanden<lb/>
Glauben und &#x017F;teigerten ihr be&#x017F;orgliches Mistrauen bis zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Spannung. Da wurden &#x017F;ie zur Ver&#x017F;ammlung berufen; auf der<lb/>
Ebene vor Opis ver&#x017F;ammelte &#x017F;ich das Heer; der Ko&#x0364;nig be&#x017F;tieg<lb/>
die Tribu&#x0364;ne: &#x201E;er ko&#x0364;nne den Macedoniern Erfreuliches verku&#x0364;nden;<lb/>
viele unter ihnen, durch vielja&#x0364;hrige Dien&#x017F;te, durch Wunden und<lb/>
Strapazen er&#x017F;cho&#x0364;pft, du&#x0364;rften mit Recht An&#x017F;pruch darauf machen,<lb/>
die Waffen, die &#x017F;ie &#x017F;o ruhmvoll gefu&#x0364;hrt, mit einer bequemen Ruhe<lb/>
zu vertau&#x017F;chen; er wolle &#x017F;ie nicht, wie fru&#x0364;here Invaliden, in die<lb/>
neuen Sta&#x0364;dte an&#x017F;iedeln, er wi&#x017F;&#x017F;e, daß &#x017F;ie gern die Heimath wie-<lb/>
der&#x017F;a&#x0364;hen, er wolle die fu&#x0364;r den weiteren Dien&#x017F;t Untauglichen eh-<lb/>
renvoll heim&#x017F;enden; wer von die&#x017F;en Veteranen bei ihm bleiben<lb/>
wolle, dem werde er die&#x017F;e Hingebung &#x017F;o zu vergelten wi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
&#x017F;ie beneidenswerther als die Heimgekehrten er&#x017F;cheinen, und in der<lb/>
Jugend der Heimath das Verlangen nach gleichen Gefahren und<lb/>
gleichem Ruhm verdoppeln &#x017F;ollten; da jetzt A&#x017F;ien unterworfen und<lb/>
beruhigt &#x017F;ei, &#x017F;o ko&#x0364;nnten mo&#x0364;glich&#x017F;t Viele au der Entla&#x017F;&#x017F;ung Theil<lb/>
nehmen, es &#x017F;eien zum Heerdien&#x017F;t nur dreizehntau&#x017F;end Macedonier<lb/>
vom Fußvolk und zweitau&#x017F;end Reuter erforderlich, &#x017F;o daß die Zahl<lb/>
der zur Heimkehr be&#x017F;timmten &#x017F;ich auf zehntau&#x017F;end Mann belaufe.&#x201C;<lb/>
Hier unterbrach den Ko&#x0364;nig ein wildes und verworrenes Ge&#x017F;chrei:<lb/>
&#x201E;er wolle der Veteranen los &#x017F;ein, er wolle nur ein Barbarenheer;<lb/><note xml:id="note-0524" prev="#note-0523" place="foot" n="48)">nach Tavernier gegen &#x017F;echzig Tage, nach Hackluit &#x017F;iebenundvierzig,<lb/>
(&#x017F;. <hi rendition="#aq">Vinccnt p.</hi> 462.) von Su&#x017F;a &#x017F;tromab bis zum Meere du&#x0364;rften<lb/>
an dreißig Meilen, etwa vicr Tage &#x017F;ein; dazu kam fu&#x0364;r Alexander<lb/>
die Fahrt von der Eula&#x0364;us-Mu&#x0364;ndung zu der des Tigris, ferner der<lb/>
Aufenthalt beim Einreißen der Flußda&#x0364;mme, dann die weitere<lb/>
Fahrt von Bagdad bis El Howa&#x017F;ch, endlich die in die&#x017F;er Jahreszeit<lb/>
gewo&#x0364;hnliche Wa&#x017F;&#x017F;erfu&#x0364;lle und die gro&#x0364;ßere Schwierigkeit, &#x017F;troman zu<lb/>
fahren, &#x017F;o daß drei Monate fu&#x0364;r die Fahrt von Su&#x017F;a bis Opis<lb/>
nicht zu viel &#x017F;ein du&#x0364;rften.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0524] Stadt; die Misſtimmung der Macedoniſchen Truppen hatte ſich ſeit dem Aufbruche aus Suſa keinesweges vermindert, die laͤſtigen Maͤrſche, die ihnen uͤberfluͤſſig, die Arbeiten an den Flußdaͤmmen, die ihnen des Soldaten unwuͤrdig erſchienen, waren Stoff zu neuem Mißvergnuͤgen, und die uͤbertriebenſten und verkehrteſten Geruͤchte von dem, was der Koͤnig mit ihnen beabſichtigte, fanden Glauben und ſteigerten ihr beſorgliches Mistrauen bis zur hoͤchſten Spannung. Da wurden ſie zur Verſammlung berufen; auf der Ebene vor Opis verſammelte ſich das Heer; der Koͤnig beſtieg die Tribuͤne: „er koͤnne den Macedoniern Erfreuliches verkuͤnden; viele unter ihnen, durch vieljaͤhrige Dienſte, durch Wunden und Strapazen erſchoͤpft, duͤrften mit Recht Anſpruch darauf machen, die Waffen, die ſie ſo ruhmvoll gefuͤhrt, mit einer bequemen Ruhe zu vertauſchen; er wolle ſie nicht, wie fruͤhere Invaliden, in die neuen Staͤdte anſiedeln, er wiſſe, daß ſie gern die Heimath wie- derſaͤhen, er wolle die fuͤr den weiteren Dienſt Untauglichen eh- renvoll heimſenden; wer von dieſen Veteranen bei ihm bleiben wolle, dem werde er dieſe Hingebung ſo zu vergelten wiſſen, daß ſie beneidenswerther als die Heimgekehrten erſcheinen, und in der Jugend der Heimath das Verlangen nach gleichen Gefahren und gleichem Ruhm verdoppeln ſollten; da jetzt Aſien unterworfen und beruhigt ſei, ſo koͤnnten moͤglichſt Viele au der Entlaſſung Theil nehmen, es ſeien zum Heerdienſt nur dreizehntauſend Macedonier vom Fußvolk und zweitauſend Reuter erforderlich, ſo daß die Zahl der zur Heimkehr beſtimmten ſich auf zehntauſend Mann belaufe.“ Hier unterbrach den Koͤnig ein wildes und verworrenes Geſchrei: „er wolle der Veteranen los ſein, er wolle nur ein Barbarenheer; 48) 48) nach Tavernier gegen ſechzig Tage, nach Hackluit ſiebenundvierzig, (ſ. Vinccnt p. 462.) von Suſa ſtromab bis zum Meere duͤrften an dreißig Meilen, etwa vicr Tage ſein; dazu kam fuͤr Alexander die Fahrt von der Eulaͤus-Muͤndung zu der des Tigris, ferner der Aufenthalt beim Einreißen der Flußdaͤmme, dann die weitere Fahrt von Bagdad bis El Howaſch, endlich die in dieſer Jahreszeit gewoͤhnliche Waſſerfuͤlle und die groͤßere Schwierigkeit, ſtroman zu fahren, ſo daß drei Monate fuͤr die Fahrt von Suſa bis Opis nicht zu viel ſein duͤrften.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/524
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/524>, abgerufen am 22.11.2024.