darum die dreißigtausend Epigonen, und die Barbaren in den Hipparchien; es sei Beschimpfung, es sei Entehrung für sie; nach- dem er sie abgenutzt, danke er sie jetzt mit Verachtung ab, werfe er sie alt und entkräftet ihrem Vaterlande und ihren Aeltern zu, von denen er sie sehr anders erhalten." Immer wilder ward der Tumult; "er solle sie Alle entlassen; mit seinem Gott Vater möge er fürder ins Feld ziehen, mit seinen Puppen, den Asiatischen Büb- chen, möge er die Welt erobern!" So tobte die Versammlung der bewaffneten Veteranen in offenbarem Aufruhr durcheinander, es war die höchste Gefahr. Im heftigsten Zorn stürzte Alexander von der Bühne herab und unbewaffnet, wie er war, unter die lärmende Menge, ihm nach seine Generale; mit mächtiger Faust packte er die nächsten Rädelsführer und schleuderte sie seinen Leib- wächtern zu, er zeigte dort- und dahin, die anderen Schuldigen zu ergreifen. Dreizehn wurden ergriffen; "zum Tode" schrie Alex- ander. Plötzlich war die tiefste Stille, es zitterten die Veteranen. Und der König stand wieder auf der Tribüne, um ihn her seine Leibwächter, seine Generale und die Schaaren der treuen Hypas- pisten; er sah hinab auf die Menge und sprach zu ihnen: "Nicht um euren Abzug zu hemmen, werde ich noch einmal zu euch spre- chen; ihr könnt gehen, wohin ihr wollt, meinethalben! nur euch zeigen will ich, was ihr durch mich geworden. Mein Vater Phi- lipp hat Großes an euch gethan; da ihr sonst arm und ohne feste Wohnsitze mit euren ärmlichen Heerden in den Gebirgen umher irrtet, stets den Ueberfällen der Thracier, Illyrier, Triballer aus- gesetzt, hat mein Vater euch angesiedelt, euch statt des Felles das Kriegskleid gegeben, euch über die Barbaren in der Nachbarschaft zu Herrn gemacht, eurem Fleiße die Bergwerke des Pangäus, eu- rem Handel das Meer geöffnet, euch Thessalien, Theben, Athen, den Peloponnes unterworfen, die unumschränkte Hegemonie aller Hellenen zu einem Perserkriege erlangt; das hat Philipp voll- bracht, Großes an sich, im Verhältniß zu dem später Vollbrachten Geringes. Von meinem Vater her fand ich weniges Gold und Silber an Geräthen im Schatze, nicht mehr denn sechzig Talente, an Schuld fünfhundert Talente, ich selbst mußte achthundert Ta- lente Schuld hinzufügen, um den Feldzug zu beginnen; da öffnete ich euch, obschon die Perser das Meer beherrschten, den Helles-
darum die dreißigtauſend Epigonen, und die Barbaren in den Hipparchien; es ſei Beſchimpfung, es ſei Entehrung fuͤr ſie; nach- dem er ſie abgenutzt, danke er ſie jetzt mit Verachtung ab, werfe er ſie alt und entkraͤftet ihrem Vaterlande und ihren Aeltern zu, von denen er ſie ſehr anders erhalten.“ Immer wilder ward der Tumult; „er ſolle ſie Alle entlaſſen; mit ſeinem Gott Vater moͤge er fuͤrder ins Feld ziehen, mit ſeinen Puppen, den Aſiatiſchen Buͤb- chen, moͤge er die Welt erobern!“ So tobte die Verſammlung der bewaffneten Veteranen in offenbarem Aufruhr durcheinander, es war die hoͤchſte Gefahr. Im heftigſten Zorn ſtuͤrzte Alexander von der Buͤhne herab und unbewaffnet, wie er war, unter die laͤrmende Menge, ihm nach ſeine Generale; mit maͤchtiger Fauſt packte er die naͤchſten Raͤdelsfuͤhrer und ſchleuderte ſie ſeinen Leib- waͤchtern zu, er zeigte dort- und dahin, die anderen Schuldigen zu ergreifen. Dreizehn wurden ergriffen; „zum Tode“ ſchrie Alex- ander. Ploͤtzlich war die tiefſte Stille, es zitterten die Veteranen. Und der Koͤnig ſtand wieder auf der Tribuͤne, um ihn her ſeine Leibwaͤchter, ſeine Generale und die Schaaren der treuen Hypas- piſten; er ſah hinab auf die Menge und ſprach zu ihnen: „Nicht um euren Abzug zu hemmen, werde ich noch einmal zu euch ſpre- chen; ihr koͤnnt gehen, wohin ihr wollt, meinethalben! nur euch zeigen will ich, was ihr durch mich geworden. Mein Vater Phi- lipp hat Großes an euch gethan; da ihr ſonſt arm und ohne feſte Wohnſitze mit euren aͤrmlichen Heerden in den Gebirgen umher irrtet, ſtets den Ueberfaͤllen der Thracier, Illyrier, Triballer aus- geſetzt, hat mein Vater euch angeſiedelt, euch ſtatt des Felles das Kriegskleid gegeben, euch uͤber die Barbaren in der Nachbarſchaft zu Herrn gemacht, eurem Fleiße die Bergwerke des Pangaͤus, eu- rem Handel das Meer geoͤffnet, euch Theſſalien, Theben, Athen, den Peloponnes unterworfen, die unumſchraͤnkte Hegemonie aller Hellenen zu einem Perſerkriege erlangt; das hat Philipp voll- bracht, Großes an ſich, im Verhaͤltniß zu dem ſpaͤter Vollbrachten Geringes. Von meinem Vater her fand ich weniges Gold und Silber an Geraͤthen im Schatze, nicht mehr denn ſechzig Talente, an Schuld fuͤnfhundert Talente, ich ſelbſt mußte achthundert Ta- lente Schuld hinzufuͤgen, um den Feldzug zu beginnen; da oͤffnete ich euch, obſchon die Perſer das Meer beherrſchten, den Helles-
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darum die dreißigtauſend Epigonen, und die Barbaren in den
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dem er ſie abgenutzt, danke er ſie jetzt mit Verachtung ab, werfe
er ſie alt und entkraͤftet ihrem Vaterlande und ihren Aeltern zu,
von denen er ſie ſehr anders erhalten.“ Immer wilder ward der
Tumult; „er ſolle ſie Alle entlaſſen; mit ſeinem Gott Vater moͤge
er fuͤrder ins Feld ziehen, mit ſeinen Puppen, den Aſiatiſchen Buͤb-
chen, moͤge er die Welt erobern!“ So tobte die Verſammlung
der bewaffneten Veteranen in offenbarem Aufruhr durcheinander,
es war die hoͤchſte Gefahr. Im heftigſten Zorn ſtuͤrzte Alexander
von der Buͤhne herab und unbewaffnet, wie er war, unter die
laͤrmende Menge, ihm nach ſeine Generale; mit maͤchtiger Fauſt
packte er die naͤchſten Raͤdelsfuͤhrer und ſchleuderte ſie ſeinen Leib-
waͤchtern zu, er zeigte dort- und dahin, die anderen Schuldigen zu
ergreifen. Dreizehn wurden ergriffen; „zum Tode“ ſchrie Alex-
ander. Ploͤtzlich war die tiefſte Stille, es zitterten die Veteranen.
Und der Koͤnig ſtand wieder auf der Tribuͤne, um ihn her ſeine
Leibwaͤchter, ſeine Generale und die Schaaren der treuen Hypas-
piſten; er ſah hinab auf die Menge und ſprach zu ihnen: „Nicht
um euren Abzug zu hemmen, werde ich noch einmal zu euch ſpre-
chen; ihr koͤnnt gehen, wohin ihr wollt, meinethalben! nur euch
zeigen will ich, was ihr durch mich geworden. Mein Vater Phi-
lipp hat Großes an euch gethan; da ihr ſonſt arm und ohne feſte
Wohnſitze mit euren aͤrmlichen Heerden in den Gebirgen umher
irrtet, ſtets den Ueberfaͤllen der Thracier, Illyrier, Triballer aus-
geſetzt, hat mein Vater euch angeſiedelt, euch ſtatt des Felles das
Kriegskleid gegeben, euch uͤber die Barbaren in der Nachbarſchaft
zu Herrn gemacht, eurem Fleiße die Bergwerke des Pangaͤus, eu-
rem Handel das Meer geoͤffnet, euch Theſſalien, Theben, Athen,
den Peloponnes unterworfen, die unumſchraͤnkte Hegemonie aller
Hellenen zu einem Perſerkriege erlangt; das hat Philipp voll-
bracht, Großes an ſich, im Verhaͤltniß zu dem ſpaͤter Vollbrachten
Geringes. Von meinem Vater her fand ich weniges Gold und
Silber an Geraͤthen im Schatze, nicht mehr denn ſechzig Talente,
an Schuld fuͤnfhundert Talente, ich ſelbſt mußte achthundert Ta-
lente Schuld hinzufuͤgen, um den Feldzug zu beginnen; da oͤffnete
ich euch, obſchon die Perſer das Meer beherrſchten, den Helles-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/525>, abgerufen am 22.11.2024.
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