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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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schaft und dem leichten Fußvolk, namentlich den Hypaspisten und
einem Theile der Bogenschützen, auf dem nächsten Wege durch die
Berge über Pasargadä und Persepolis gen Susa ziehen 17).

So kehrte Alexander in den Bereich der Länder zurück, die
ihm seit Jahren unterworfen und Theile des Macedonisch-Persi-
schen Reiches waren; und man muß gestehen, es war hohe Zeit,
daß er zurückkehrte. Arge Unordnungen und gefährliche Neuerun-
gen waren an mehr als einem Punkte entstanden; nur zu bald
hatte der Geist der Zügellosigkeit und Anmaßung, der in den Sa-
trapen des früheren Perserreichs geherrscht hatte, auch bei den
Macedonischen Statthaltern und Anführern Eingang gefunden;
während des Königs Abwesenheit ohne Aufsicht und im Besitz
einer fast unumschränkten Gewalt, hatten viele Satrapen, sowohl
Macedonier als Perser, die Völker auf das Furchtbarste gedrückt,
hatten ihrer Habgier, ihrer Wollust Alles erlaubt, hatten selbst die
Tempel der Götter und die Gräber der Todten nicht geschont, ja
auf den Fall, daß Alexander nie aus den Ländern Indiens zurück-
kehrte, hatten sie sich bereits mit Söldnerhaufen umgeben und alle
Anstalten getroffen, um sich nöthigen Falls mit gewaffneter Hand
im Besitz ihrer Provinzen zu behaupten. Die tollkühnsten Pläne,
die ausschweifendsten Wünsche, die überspanntesten Hoffnungen wa-
ren an der Tagesordnung; die ungemessene Aufregung des Zeital-
ters, in dem alles Gewohnte, Herkömmliche und Wahrscheinliche
über einander gestürzt war, hatte keine Sättigung mehr als im
zügellosesten Wagen und im Ungeheueren des Genusses oder Ver-
lustes. Das wilde Würfelspiel des Krieges, in dem Asien gewon-
nen war, wie leicht konnte es umschlagen, wie leicht mit einem
Wurfe des Königs übergroßes Glück wie gewonnen so zerronnen
sein. Auch das gestürzte Perserthum begann sich mit neuer Hoff-
nung zu erheben, und es war bereits mehr als ein Versuch von
Seiten Morgenländischer Großen gemacht worden, die kaum ge-
knüpften Bande mit dem neuen Königthum zu zerreißen und un-
abhängige Fürstenthümer zu gründen, oder im Namen des altper-

17) Alexanders Weg scheint der von Edrist bezeichnete, von
Giroft nach Fasa zu sein.

ſchaft und dem leichten Fußvolk, namentlich den Hypaspiſten und
einem Theile der Bogenſchuͤtzen, auf dem naͤchſten Wege durch die
Berge uͤber Paſargadaͤ und Perſepolis gen Suſa ziehen 17).

So kehrte Alexander in den Bereich der Laͤnder zuruͤck, die
ihm ſeit Jahren unterworfen und Theile des Macedoniſch-Perſi-
ſchen Reiches waren; und man muß geſtehen, es war hohe Zeit,
daß er zuruͤckkehrte. Arge Unordnungen und gefaͤhrliche Neuerun-
gen waren an mehr als einem Punkte entſtanden; nur zu bald
hatte der Geiſt der Zuͤgelloſigkeit und Anmaßung, der in den Sa-
trapen des fruͤheren Perſerreichs geherrſcht hatte, auch bei den
Macedoniſchen Statthaltern und Anfuͤhrern Eingang gefunden;
waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit ohne Aufſicht und im Beſitz
einer faſt unumſchraͤnkten Gewalt, hatten viele Satrapen, ſowohl
Macedonier als Perſer, die Voͤlker auf das Furchtbarſte gedruͤckt,
hatten ihrer Habgier, ihrer Wolluſt Alles erlaubt, hatten ſelbſt die
Tempel der Goͤtter und die Graͤber der Todten nicht geſchont, ja
auf den Fall, daß Alexander nie aus den Laͤndern Indiens zuruͤck-
kehrte, hatten ſie ſich bereits mit Soͤldnerhaufen umgeben und alle
Anſtalten getroffen, um ſich noͤthigen Falls mit gewaffneter Hand
im Beſitz ihrer Provinzen zu behaupten. Die tollkuͤhnſten Plaͤne,
die ausſchweifendſten Wuͤnſche, die uͤberſpannteſten Hoffnungen wa-
ren an der Tagesordnung; die ungemeſſene Aufregung des Zeital-
ters, in dem alles Gewohnte, Herkoͤmmliche und Wahrſcheinliche
uͤber einander geſtuͤrzt war, hatte keine Saͤttigung mehr als im
zuͤgelloſeſten Wagen und im Ungeheueren des Genuſſes oder Ver-
luſtes. Das wilde Wuͤrfelſpiel des Krieges, in dem Aſien gewon-
nen war, wie leicht konnte es umſchlagen, wie leicht mit einem
Wurfe des Koͤnigs uͤbergroßes Gluͤck wie gewonnen ſo zerronnen
ſein. Auch das geſtuͤrzte Perſerthum begann ſich mit neuer Hoff-
nung zu erheben, und es war bereits mehr als ein Verſuch von
Seiten Morgenlaͤndiſcher Großen gemacht worden, die kaum ge-
knuͤpften Bande mit dem neuen Koͤnigthum zu zerreißen und un-
abhaͤngige Fuͤrſtenthuͤmer zu gruͤnden, oder im Namen des altper-

17) Alexanders Weg ſcheint der von Edriſt bezeichnete, von
Giroft nach Faſa zu ſein.
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[485/0499] ſchaft und dem leichten Fußvolk, namentlich den Hypaspiſten und einem Theile der Bogenſchuͤtzen, auf dem naͤchſten Wege durch die Berge uͤber Paſargadaͤ und Perſepolis gen Suſa ziehen 17). So kehrte Alexander in den Bereich der Laͤnder zuruͤck, die ihm ſeit Jahren unterworfen und Theile des Macedoniſch-Perſi- ſchen Reiches waren; und man muß geſtehen, es war hohe Zeit, daß er zuruͤckkehrte. Arge Unordnungen und gefaͤhrliche Neuerun- gen waren an mehr als einem Punkte entſtanden; nur zu bald hatte der Geiſt der Zuͤgelloſigkeit und Anmaßung, der in den Sa- trapen des fruͤheren Perſerreichs geherrſcht hatte, auch bei den Macedoniſchen Statthaltern und Anfuͤhrern Eingang gefunden; waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit ohne Aufſicht und im Beſitz einer faſt unumſchraͤnkten Gewalt, hatten viele Satrapen, ſowohl Macedonier als Perſer, die Voͤlker auf das Furchtbarſte gedruͤckt, hatten ihrer Habgier, ihrer Wolluſt Alles erlaubt, hatten ſelbſt die Tempel der Goͤtter und die Graͤber der Todten nicht geſchont, ja auf den Fall, daß Alexander nie aus den Laͤndern Indiens zuruͤck- kehrte, hatten ſie ſich bereits mit Soͤldnerhaufen umgeben und alle Anſtalten getroffen, um ſich noͤthigen Falls mit gewaffneter Hand im Beſitz ihrer Provinzen zu behaupten. Die tollkuͤhnſten Plaͤne, die ausſchweifendſten Wuͤnſche, die uͤberſpannteſten Hoffnungen wa- ren an der Tagesordnung; die ungemeſſene Aufregung des Zeital- ters, in dem alles Gewohnte, Herkoͤmmliche und Wahrſcheinliche uͤber einander geſtuͤrzt war, hatte keine Saͤttigung mehr als im zuͤgelloſeſten Wagen und im Ungeheueren des Genuſſes oder Ver- luſtes. Das wilde Wuͤrfelſpiel des Krieges, in dem Aſien gewon- nen war, wie leicht konnte es umſchlagen, wie leicht mit einem Wurfe des Koͤnigs uͤbergroßes Gluͤck wie gewonnen ſo zerronnen ſein. Auch das geſtuͤrzte Perſerthum begann ſich mit neuer Hoff- nung zu erheben, und es war bereits mehr als ein Verſuch von Seiten Morgenlaͤndiſcher Großen gemacht worden, die kaum ge- knuͤpften Bande mit dem neuen Koͤnigthum zu zerreißen und un- abhaͤngige Fuͤrſtenthuͤmer zu gruͤnden, oder im Namen des altper- 17) Alexanders Weg ſcheint der von Edriſt bezeichnete, von Giroft nach Faſa zu ſein.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/499>, abgerufen am 27.04.2024.