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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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hochwogende Ocean gen Abend hin; nach einer Fahrt von vier
Meilen erreichte man ostwärts eine zweite Insel, an deren fla-
cher und öder Sandküste schon rings der Ocean brandete; es
wurde Abend und Alexander kehrte mit der Fluth in den Fluß
zurück zu der Insel, bei der die Flotte gelandet war; ein feierli-
ches Opfer für Ammon, wie es der Gott durch ein Orakel gebo-
ten, feierte dieß erste Erblicken des Oceans und des letzten Lan-
des im Süden der bewohnten Erde. Am anderen Morgen fuhr
der König wieder hinaus, landete auf jener Insel im Meere
und opferte auch dort nach dem Geheiß des Ammon ihm und
den anderen Göttern, dann fuhr er in die offenbare See hinaus,
umher zu schauen, ob noch irgendwo festes Land zu erblicken; und
als die Küsten ringsher verschwunden und nichts mehr als Him-
mel und Meer zu sehen war, da schlachtete er Stieropfer dem
Poseidon, und senkte sie hinab in den Ocean, spendete dazu aus
goldener Schaale und warf auch sie in die Fluth, und mischte
neue Spenden den Nereiden und den rettenden Dioskuren und
der silberfüßigen Thetis, der Mutter seines Ahnherrn Achilles: er
betete, daß sie gnädig seine Geschwader aufnehmen und gen Abend
zu den Mündungen des Euphrat geleiten möchten, und zum Ge-
bet warf er die goldenen Becher in das Meer 119).

Dann kehrte Alexander zur Flotte und mit der Flotte in den
Strom zurück und fuhr gen Pattala hinauf. Dort war der Bau
der Burg vollendet und der des Hafens begonnen, dort auch Pi-
thon mit seinem Heere angekommen, der seine Aufträge vollkom-
men erfüllt, das flache Land beruhigt, die neuen Burgflecken or-
ganisirt und bevölkert hatte. Alexander hatte den rechten Arm
der Indusmündung und die mannigfachen Schwierigkeiten, die er
für die Schifffahrt hatte, kennen gelernt; denn es vereinten sich
die Mussonwinde und das hohe Wasser des Stromes in dieser
Jahreszeit, ihn schwierig zu machen. Der König beschloß daher,
auch den zweiten, den östlichen Hauptarm des Flusses hinabzufah-
ren, und zu untersuchen, ob dieser vielleicht zur Schifffahrt geeig-
neter sei. Nachdem man eine gute Strecke südostwärts gefahren,

119) Arrian. VI. 19.

hochwogende Ocean gen Abend hin; nach einer Fahrt von vier
Meilen erreichte man oſtwaͤrts eine zweite Inſel, an deren fla-
cher und oͤder Sandkuͤſte ſchon rings der Ocean brandete; es
wurde Abend und Alexander kehrte mit der Fluth in den Fluß
zuruͤck zu der Inſel, bei der die Flotte gelandet war; ein feierli-
ches Opfer fuͤr Ammon, wie es der Gott durch ein Orakel gebo-
ten, feierte dieß erſte Erblicken des Oceans und des letzten Lan-
des im Suͤden der bewohnten Erde. Am anderen Morgen fuhr
der Koͤnig wieder hinaus, landete auf jener Inſel im Meere
und opferte auch dort nach dem Geheiß des Ammon ihm und
den anderen Goͤttern, dann fuhr er in die offenbare See hinaus,
umher zu ſchauen, ob noch irgendwo feſtes Land zu erblicken; und
als die Kuͤſten ringsher verſchwunden und nichts mehr als Him-
mel und Meer zu ſehen war, da ſchlachtete er Stieropfer dem
Poſeidon, und ſenkte ſie hinab in den Ocean, ſpendete dazu aus
goldener Schaale und warf auch ſie in die Fluth, und miſchte
neue Spenden den Nereiden und den rettenden Dioskuren und
der ſilberfuͤßigen Thetis, der Mutter ſeines Ahnherrn Achilles: er
betete, daß ſie gnaͤdig ſeine Geſchwader aufnehmen und gen Abend
zu den Muͤndungen des Euphrat geleiten moͤchten, und zum Ge-
bet warf er die goldenen Becher in das Meer 119).

Dann kehrte Alexander zur Flotte und mit der Flotte in den
Strom zuruͤck und fuhr gen Pattala hinauf. Dort war der Bau
der Burg vollendet und der des Hafens begonnen, dort auch Pi-
thon mit ſeinem Heere angekommen, der ſeine Auftraͤge vollkom-
men erfuͤllt, das flache Land beruhigt, die neuen Burgflecken or-
ganiſirt und bevoͤlkert hatte. Alexander hatte den rechten Arm
der Indusmuͤndung und die mannigfachen Schwierigkeiten, die er
fuͤr die Schifffahrt hatte, kennen gelernt; denn es vereinten ſich
die Muſſonwinde und das hohe Waſſer des Stromes in dieſer
Jahreszeit, ihn ſchwierig zu machen. Der Koͤnig beſchloß daher,
auch den zweiten, den oͤſtlichen Hauptarm des Fluſſes hinabzufah-
ren, und zu unterſuchen, ob dieſer vielleicht zur Schifffahrt geeig-
neter ſei. Nachdem man eine gute Strecke ſuͤdoſtwaͤrts gefahren,

119) Arrian. VI. 19.
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[460/0474] hochwogende Ocean gen Abend hin; nach einer Fahrt von vier Meilen erreichte man oſtwaͤrts eine zweite Inſel, an deren fla- cher und oͤder Sandkuͤſte ſchon rings der Ocean brandete; es wurde Abend und Alexander kehrte mit der Fluth in den Fluß zuruͤck zu der Inſel, bei der die Flotte gelandet war; ein feierli- ches Opfer fuͤr Ammon, wie es der Gott durch ein Orakel gebo- ten, feierte dieß erſte Erblicken des Oceans und des letzten Lan- des im Suͤden der bewohnten Erde. Am anderen Morgen fuhr der Koͤnig wieder hinaus, landete auf jener Inſel im Meere und opferte auch dort nach dem Geheiß des Ammon ihm und den anderen Goͤttern, dann fuhr er in die offenbare See hinaus, umher zu ſchauen, ob noch irgendwo feſtes Land zu erblicken; und als die Kuͤſten ringsher verſchwunden und nichts mehr als Him- mel und Meer zu ſehen war, da ſchlachtete er Stieropfer dem Poſeidon, und ſenkte ſie hinab in den Ocean, ſpendete dazu aus goldener Schaale und warf auch ſie in die Fluth, und miſchte neue Spenden den Nereiden und den rettenden Dioskuren und der ſilberfuͤßigen Thetis, der Mutter ſeines Ahnherrn Achilles: er betete, daß ſie gnaͤdig ſeine Geſchwader aufnehmen und gen Abend zu den Muͤndungen des Euphrat geleiten moͤchten, und zum Ge- bet warf er die goldenen Becher in das Meer 119). Dann kehrte Alexander zur Flotte und mit der Flotte in den Strom zuruͤck und fuhr gen Pattala hinauf. Dort war der Bau der Burg vollendet und der des Hafens begonnen, dort auch Pi- thon mit ſeinem Heere angekommen, der ſeine Auftraͤge vollkom- men erfuͤllt, das flache Land beruhigt, die neuen Burgflecken or- ganiſirt und bevoͤlkert hatte. Alexander hatte den rechten Arm der Indusmuͤndung und die mannigfachen Schwierigkeiten, die er fuͤr die Schifffahrt hatte, kennen gelernt; denn es vereinten ſich die Muſſonwinde und das hohe Waſſer des Stromes in dieſer Jahreszeit, ihn ſchwierig zu machen. Der Koͤnig beſchloß daher, auch den zweiten, den oͤſtlichen Hauptarm des Fluſſes hinabzufah- ren, und zu unterſuchen, ob dieſer vielleicht zur Schifffahrt geeig- neter ſei. Nachdem man eine gute Strecke ſuͤdoſtwaͤrts gefahren, 119) Arrian. VI. 19.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/474>, abgerufen am 27.04.2024.