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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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zwei Meilen breite Münde ihrem Eindringen vollkommenen Spiel-
raum giebt 117).

Sobald Alexander diese Gefährlichkeiten überstanden und von
ihrer regelmäßigen Wiederkehr die Mittel gelernt hatte, ihnen zu
entgehen, sandte er, während die schadhaften Schiffe ausgebessert
wurden, zwei tüchtige Fahrzeuge den Strom hinab zu der Insel
Skilluta 118), wo, wie die Indischen Fischer sagten, der Ocean
nahe und das Ufer zum Anlegen bequem und geschützt sei. Da
sie die Nachricht zurückbrachten, daß die Insel bequemes Ufer
habe, von bedeutender Größe und mit Trinkwasser wohl versehen
sei, fuhr Alexander mit der Flotte dorthin, und ließ den größten
Theil derselben unter den Schutz des Ufers anlegen: schon sah
man von hier die schaumbedeckte Brandung der Indusmündung
und darüber den hohen Horizont des Oceans, und kaum erkannte
man jenselts des zwei Meilen breiten Stromes die niedrige, baum-
und hügellose Küste. Alexander steuerte mit den besten seiner
Schiffe weiter, um die eigentliche Strommündung zu passiren, und
zu untersuchen, ob sie fahrbar sei; bald verschwand die Westküste
ganz aus seinem Blicke, und in endlose Ferne dehnte sich der

117) Von Arrians verständiger Erzählung (VI. 18.) weicht
Curtius Deklamation nicht im Wesentlichen ab. Die Stationen Alex-
anders dürften nicht leicht zu bezeichnen sein, gewiß aber ist er
nicht den schmalen Westarm von Kurachee hinab gesegelt, wie Rit-
ter gemeint hat. Vielleicht dürfte dieß der Kanal sein, in den sich
die Flotte beim ersten Eindringen der Fluth rettete; die bei dieser
Gelegenheit von Curtius IX. 8. 30. und 9. 8. erwähnten zwei Inseln
dürften die sein, welche Pottingers Karte in der Gegend von Tatta,
dicht oberhalb des Armes von Kurachee angiebt.
118) Killuta,
Skillustis, Psiltukis bei den verschiedenen Autoren. Das Indus-
delta ist zu großen Aenderungen unterworfen, als daß man hier
jede Localität wieder finden könnte; das weiter ins Meer ragende
Ostufer der Münde läßt vermuthen, daß eine von den drei hier
aufeinander folgenden, durch breite Flußarme gebildeten Inseln,
und zwar die zweite gemeint ist. Leider ist der Anfang von Ne-
arch's Fahrt durch die Veränderung der ihm angewiesenen Sta-
tion zu unklar, um etwas daraus entnehmen zu können.

zwei Meilen breite Muͤnde ihrem Eindringen vollkommenen Spiel-
raum giebt 117).

Sobald Alexander dieſe Gefaͤhrlichkeiten uͤberſtanden und von
ihrer regelmaͤßigen Wiederkehr die Mittel gelernt hatte, ihnen zu
entgehen, ſandte er, waͤhrend die ſchadhaften Schiffe ausgebeſſert
wurden, zwei tuͤchtige Fahrzeuge den Strom hinab zu der Inſel
Skilluta 118), wo, wie die Indiſchen Fiſcher ſagten, der Ocean
nahe und das Ufer zum Anlegen bequem und geſchuͤtzt ſei. Da
ſie die Nachricht zuruͤckbrachten, daß die Inſel bequemes Ufer
habe, von bedeutender Groͤße und mit Trinkwaſſer wohl verſehen
ſei, fuhr Alexander mit der Flotte dorthin, und ließ den groͤßten
Theil derſelben unter den Schutz des Ufers anlegen: ſchon ſah
man von hier die ſchaumbedeckte Brandung der Indusmuͤndung
und daruͤber den hohen Horizont des Oceans, und kaum erkannte
man jenſelts des zwei Meilen breiten Stromes die niedrige, baum-
und huͤgelloſe Kuͤſte. Alexander ſteuerte mit den beſten ſeiner
Schiffe weiter, um die eigentliche Strommuͤndung zu paſſiren, und
zu unterſuchen, ob ſie fahrbar ſei; bald verſchwand die Weſtkuͤſte
ganz aus ſeinem Blicke, und in endloſe Ferne dehnte ſich der

117) Von Arrians verſtaͤndiger Erzaͤhlung (VI. 18.) weicht
Curtius Deklamation nicht im Weſentlichen ab. Die Stationen Alex-
anders duͤrften nicht leicht zu bezeichnen ſein, gewiß aber iſt er
nicht den ſchmalen Weſtarm von Kurachee hinab geſegelt, wie Rit-
ter gemeint hat. Vielleicht duͤrfte dieß der Kanal ſein, in den ſich
die Flotte beim erſten Eindringen der Fluth rettete; die bei dieſer
Gelegenheit von Curtius IX. 8. 30. und 9. 8. erwaͤhnten zwei Inſeln
duͤrften die ſein, welche Pottingers Karte in der Gegend von Tatta,
dicht oberhalb des Armes von Kurachee angiebt.
118) Killuta,
Skilluſtis, Pſiltukis bei den verſchiedenen Autoren. Das Indus-
delta iſt zu großen Aenderungen unterworfen, als daß man hier
jede Localitaͤt wieder finden koͤnnte; das weiter ins Meer ragende
Oſtufer der Muͤnde laͤßt vermuthen, daß eine von den drei hier
aufeinander folgenden, durch breite Flußarme gebildeten Inſeln,
und zwar die zweite gemeint iſt. Leider iſt der Anfang von Ne-
arch’s Fahrt durch die Veraͤnderung der ihm angewieſenen Sta-
tion zu unklar, um etwas daraus entnehmen zu koͤnnen.
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[459/0473] zwei Meilen breite Muͤnde ihrem Eindringen vollkommenen Spiel- raum giebt 117). Sobald Alexander dieſe Gefaͤhrlichkeiten uͤberſtanden und von ihrer regelmaͤßigen Wiederkehr die Mittel gelernt hatte, ihnen zu entgehen, ſandte er, waͤhrend die ſchadhaften Schiffe ausgebeſſert wurden, zwei tuͤchtige Fahrzeuge den Strom hinab zu der Inſel Skilluta 118), wo, wie die Indiſchen Fiſcher ſagten, der Ocean nahe und das Ufer zum Anlegen bequem und geſchuͤtzt ſei. Da ſie die Nachricht zuruͤckbrachten, daß die Inſel bequemes Ufer habe, von bedeutender Groͤße und mit Trinkwaſſer wohl verſehen ſei, fuhr Alexander mit der Flotte dorthin, und ließ den groͤßten Theil derſelben unter den Schutz des Ufers anlegen: ſchon ſah man von hier die ſchaumbedeckte Brandung der Indusmuͤndung und daruͤber den hohen Horizont des Oceans, und kaum erkannte man jenſelts des zwei Meilen breiten Stromes die niedrige, baum- und huͤgelloſe Kuͤſte. Alexander ſteuerte mit den beſten ſeiner Schiffe weiter, um die eigentliche Strommuͤndung zu paſſiren, und zu unterſuchen, ob ſie fahrbar ſei; bald verſchwand die Weſtkuͤſte ganz aus ſeinem Blicke, und in endloſe Ferne dehnte ſich der 117) Von Arrians verſtaͤndiger Erzaͤhlung (VI. 18.) weicht Curtius Deklamation nicht im Weſentlichen ab. Die Stationen Alex- anders duͤrften nicht leicht zu bezeichnen ſein, gewiß aber iſt er nicht den ſchmalen Weſtarm von Kurachee hinab geſegelt, wie Rit- ter gemeint hat. Vielleicht duͤrfte dieß der Kanal ſein, in den ſich die Flotte beim erſten Eindringen der Fluth rettete; die bei dieſer Gelegenheit von Curtius IX. 8. 30. und 9. 8. erwaͤhnten zwei Inſeln duͤrften die ſein, welche Pottingers Karte in der Gegend von Tatta, dicht oberhalb des Armes von Kurachee angiebt. 118) Killuta, Skilluſtis, Pſiltukis bei den verſchiedenen Autoren. Das Indus- delta iſt zu großen Aenderungen unterworfen, als daß man hier jede Localitaͤt wieder finden koͤnnte; das weiter ins Meer ragende Oſtufer der Muͤnde laͤßt vermuthen, daß eine von den drei hier aufeinander folgenden, durch breite Flußarme gebildeten Inſeln, und zwar die zweite gemeint iſt. Leider iſt der Anfang von Ne- arch’s Fahrt durch die Veraͤnderung der ihm angewieſenen Sta- tion zu unklar, um etwas daraus entnehmen zu koͤnnen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/473>, abgerufen am 27.04.2024.