sie der Mündung nahten, fuhren sie weiter. Immer mächtiger wurde das Brausen, die Ufer verengten sich, schon sah man die Mündung, eine wildwogende, schaumige Stromesbrandung, in der die Fluth des Hydaspes senkrecht auf die Wassersäule des Acesines stürzt und in strudelnder, tosender Wuth gegen ihn kämpft, um pfeilgeschwind mit ihm zwischen den engen Ufern hinab zu brausen. Noch einmal ermahnten die Steuerleute zur Vorsicht und zur höchsten Anstrengung der Arbeit, um durch die Gewalt der Ruder die Strömung, die die Schiffe in die Strudel gerissen hätte, wo sie unrettbar verloren waren, zu überwinden und möglichst schnell aus der Stromenge in freieres Wasser zu gelangen. Und schon riß der Strom die Schiffe mit sich fort, mit unsäglicher Mühe hiel- ten Ruder und Steuer die Richtung; mehrere wurden überwältigt, in die Strudel gerissen, kreiselnd umgekehrt, die Ruder zerbrochen, die Flanken beschädigt, sie selbst mit genauer Noth vor dem Untergehen ge- rettet; besonders die langen Schiffe waren in großer Gefahr, zwei von ihnen, gegen einander gejagt, zerschellten und versanken; leich- tere Fahrzeuge trieben ans Ufer; am glücklichsten kamen die brei- ten Lastschiffe durch, die, von dem Strudel ergriffen, zu breit um umzuschlagen, von der Gewalt der Wellen selbst wieder in die rechte Richtung gebracht wurden; Alexander selbst soll mit seinem Schiffe in den Strudeln und in der augenscheinlichster Lebensgefahr gewesen sein, so daß er schon sein Oberkleid abgeworfen hatte, um sich in das Wasser zu stürzen und sich durch Schwimmen zu ret- ten 89).
So kam die Flotte nicht ohne bedeutenden Verlust über die gefährliche Stelle hinaus; erst eine Stunde abwärts wurde das Wasser ruhiger und freier; der Strom wendet sich hier um die Uferhügel rechts hin; hinter ihnen konnte man bequem und vor der Strömung gesichert anlegen, zugleich war das weit hinaus rei- chende Uferland zum Auffangen der hinabtreibenden Scheiter und Leichname geeignet. Alexander ließ hier die Flotte an den Strand legen und befahl dem Nearch, die Ausbesserung der beschädigten Fahrzeuge möglichst schnell zu bewerkstelligen. Er selbst benutzte die Zeit zu einer Excursion in das Land hinein, damit die streit-
89)Curt. IX. 4. 10. Diod. XVII. 96.
ſie der Muͤndung nahten, fuhren ſie weiter. Immer maͤchtiger wurde das Brauſen, die Ufer verengten ſich, ſchon ſah man die Muͤndung, eine wildwogende, ſchaumige Stromesbrandung, in der die Fluth des Hydaspes ſenkrecht auf die Waſſerſaͤule des Aceſines ſtuͤrzt und in ſtrudelnder, toſender Wuth gegen ihn kaͤmpft, um pfeilgeſchwind mit ihm zwiſchen den engen Ufern hinab zu brauſen. Noch einmal ermahnten die Steuerleute zur Vorſicht und zur hoͤchſten Anſtrengung der Arbeit, um durch die Gewalt der Ruder die Stroͤmung, die die Schiffe in die Strudel geriſſen haͤtte, wo ſie unrettbar verloren waren, zu uͤberwinden und moͤglichſt ſchnell aus der Stromenge in freieres Waſſer zu gelangen. Und ſchon riß der Strom die Schiffe mit ſich fort, mit unſaͤglicher Muͤhe hiel- ten Ruder und Steuer die Richtung; mehrere wurden uͤberwaͤltigt, in die Strudel geriſſen, kreiſelnd umgekehrt, die Ruder zerbrochen, die Flanken beſchaͤdigt, ſie ſelbſt mit genauer Noth vor dem Untergehen ge- rettet; beſonders die langen Schiffe waren in großer Gefahr, zwei von ihnen, gegen einander gejagt, zerſchellten und verſanken; leich- tere Fahrzeuge trieben ans Ufer; am gluͤcklichſten kamen die brei- ten Laſtſchiffe durch, die, von dem Strudel ergriffen, zu breit um umzuſchlagen, von der Gewalt der Wellen ſelbſt wieder in die rechte Richtung gebracht wurden; Alexander ſelbſt ſoll mit ſeinem Schiffe in den Strudeln und in der augenſcheinlichſter Lebensgefahr geweſen ſein, ſo daß er ſchon ſein Oberkleid abgeworfen hatte, um ſich in das Waſſer zu ſtuͤrzen und ſich durch Schwimmen zu ret- ten 89).
So kam die Flotte nicht ohne bedeutenden Verluſt uͤber die gefaͤhrliche Stelle hinaus; erſt eine Stunde abwaͤrts wurde das Waſſer ruhiger und freier; der Strom wendet ſich hier um die Uferhuͤgel rechts hin; hinter ihnen konnte man bequem und vor der Stroͤmung geſichert anlegen, zugleich war das weit hinaus rei- chende Uferland zum Auffangen der hinabtreibenden Scheiter und Leichname geeignet. Alexander ließ hier die Flotte an den Strand legen und befahl dem Nearch, die Ausbeſſerung der beſchaͤdigten Fahrzeuge moͤglichſt ſchnell zu bewerkſtelligen. Er ſelbſt benutzte die Zeit zu einer Excurſion in das Land hinein, damit die ſtreit-
89)Curt. IX. 4. 10. Diod. XVII. 96.
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ſie der Muͤndung nahten, fuhren ſie weiter. Immer maͤchtiger
wurde das Brauſen, die Ufer verengten ſich, ſchon ſah man die
Muͤndung, eine wildwogende, ſchaumige Stromesbrandung, in der
die Fluth des Hydaspes ſenkrecht auf die Waſſerſaͤule des Aceſines
ſtuͤrzt und in ſtrudelnder, toſender Wuth gegen ihn kaͤmpft, um
pfeilgeſchwind mit ihm zwiſchen den engen Ufern hinab zu brauſen.
Noch einmal ermahnten die Steuerleute zur Vorſicht und zur
hoͤchſten Anſtrengung der Arbeit, um durch die Gewalt der Ruder
die Stroͤmung, die die Schiffe in die Strudel geriſſen haͤtte, wo
ſie unrettbar verloren waren, zu uͤberwinden und moͤglichſt ſchnell
aus der Stromenge in freieres Waſſer zu gelangen. Und ſchon riß
der Strom die Schiffe mit ſich fort, mit unſaͤglicher Muͤhe hiel-
ten Ruder und Steuer die Richtung; mehrere wurden uͤberwaͤltigt,
in die Strudel geriſſen, kreiſelnd umgekehrt, die Ruder zerbrochen,
die Flanken beſchaͤdigt, ſie ſelbſt mit genauer Noth vor dem Untergehen ge-
rettet; beſonders die langen Schiffe waren in großer Gefahr, zwei
von ihnen, gegen einander gejagt, zerſchellten und verſanken; leich-
tere Fahrzeuge trieben ans Ufer; am gluͤcklichſten kamen die brei-
ten Laſtſchiffe durch, die, von dem Strudel ergriffen, zu breit um
umzuſchlagen, von der Gewalt der Wellen ſelbſt wieder in die
rechte Richtung gebracht wurden; Alexander ſelbſt ſoll mit ſeinem
Schiffe in den Strudeln und in der augenſcheinlichſter Lebensgefahr
geweſen ſein, ſo daß er ſchon ſein Oberkleid abgeworfen hatte, um
ſich in das Waſſer zu ſtuͤrzen und ſich durch Schwimmen zu ret-
ten 89).
So kam die Flotte nicht ohne bedeutenden Verluſt uͤber die
gefaͤhrliche Stelle hinaus; erſt eine Stunde abwaͤrts wurde das
Waſſer ruhiger und freier; der Strom wendet ſich hier um die
Uferhuͤgel rechts hin; hinter ihnen konnte man bequem und vor
der Stroͤmung geſichert anlegen, zugleich war das weit hinaus rei-
chende Uferland zum Auffangen der hinabtreibenden Scheiter und
Leichname geeignet. Alexander ließ hier die Flotte an den Strand
legen und befahl dem Nearch, die Ausbeſſerung der beſchaͤdigten
Fahrzeuge moͤglichſt ſchnell zu bewerkſtelligen. Er ſelbſt benutzte
die Zeit zu einer Excurſion in das Land hinein, damit die ſtreit-
89) Curt. IX. 4. 10. Diod. XVII. 96.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/445>, abgerufen am 22.11.2024.
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