Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

desselben lag auf dem Ostufer des Indus, der Mündung des Ko-
phenflusses gegenüber, es erstreckte sich ostwärts gegen den Hydas-
pes hin in einer Ausdehnung, die man der der Aegyptischen Statt-
halterschaft gleich schätzte. Der Fürst, mit mehreren seiner Nach-
barn, namentlich dem Fürsten Porus am Hydaspes, verfeindet und
zugleich nach Erweiterung seines Gebietes begierig, hatte den Kö-
nig Alexander während seines Aufenthaltes in Sogdiana zu einer
Indischen Heerfahrt aufgefordert und sich bereit erklärt, die In-
dier, die sich ihm zu widersetzen wagen würden, mit ihm gemein-
schaftlich zu bekämpfen 2). Dieß war, so scheint es, der erste äu-
ßere Anknüpfungspunkt für den Feldzug, zu dem sich Alexander,
wie seine Antwort an den Chorasmierkönig erweiset, bereits zur
Zeit der Winterrast in Zariaspa entschlossen hatte. Ein günstiger
Zufall wollte, daß der Indische Fürst Sisikyptos, der mit Bessus
in Verbindung getreten war und demselben Indische Hülfstruppen,
um das Baktrische Königthum zu vertheidigen, zugesagt hatte, nach
des Königsmörders Gefangennehmung sich an Alexander ergab und
in seinen Dienst trat, in dem er sich bald durch treue Ergebenheit
auszeichnete 3). Durch diese und andere Verbindungen konnte Ale-
xander über die Indischen Verhältnisse, über die Natur des Lan-
des und seiner Bevölkerung Hinreichendes in Erfahrung bringen,
um den Gang seines großen Unternehmens und die zu demselben
erforderlichen Vorbereitungen und Streitkräfte mit einiger Sicher-
heit bestimmen zu können 4).

Und in der That läßt sich in den neuen und bedeutenden Vor-
bereitungen, die während des letzten Jahres gemacht wurden, die
richtige Würdigung der bevorstehenden Schwierigkeiten keinesweges
verkennen. Das disponible Heer, das seit der Vernichtung der
Persischen Macht nicht eben bedeutend zu sein brauchte, um die
einzelnen Satrapien zu unterwerfen, war zum Kampfe gegen die
stark bevölkerten und mit großer Kriegsmacht versehenen Indischen
Staaten unzureichend; die Europäischen Truppen, obschon deren im-

2) Diod. XVII. 86.
3) Curt. VII. 4. 6.
4) Ich führe
dieß an, um der Ansicht A. W. v. Schlegels, als habe sich Alexan-
der durch die lügenhaften Berichte des Ktesias führen lassen, zu-
rückzuweisen.

deſſelben lag auf dem Oſtufer des Indus, der Muͤndung des Ko-
phenfluſſes gegenuͤber, es erſtreckte ſich oſtwaͤrts gegen den Hydas-
pes hin in einer Ausdehnung, die man der der Aegyptiſchen Statt-
halterſchaft gleich ſchaͤtzte. Der Fuͤrſt, mit mehreren ſeiner Nach-
barn, namentlich dem Fuͤrſten Porus am Hydaspes, verfeindet und
zugleich nach Erweiterung ſeines Gebietes begierig, hatte den Koͤ-
nig Alexander waͤhrend ſeines Aufenthaltes in Sogdiana zu einer
Indiſchen Heerfahrt aufgefordert und ſich bereit erklaͤrt, die In-
dier, die ſich ihm zu widerſetzen wagen wuͤrden, mit ihm gemein-
ſchaftlich zu bekaͤmpfen 2). Dieß war, ſo ſcheint es, der erſte aͤu-
ßere Anknuͤpfungspunkt fuͤr den Feldzug, zu dem ſich Alexander,
wie ſeine Antwort an den Chorasmierkoͤnig erweiſet, bereits zur
Zeit der Winterraſt in Zariaspa entſchloſſen hatte. Ein guͤnſtiger
Zufall wollte, daß der Indiſche Fuͤrſt Siſikyptos, der mit Beſſus
in Verbindung getreten war und demſelben Indiſche Huͤlfstruppen,
um das Baktriſche Koͤnigthum zu vertheidigen, zugeſagt hatte, nach
des Koͤnigsmoͤrders Gefangennehmung ſich an Alexander ergab und
in ſeinen Dienſt trat, in dem er ſich bald durch treue Ergebenheit
auszeichnete 3). Durch dieſe und andere Verbindungen konnte Ale-
xander uͤber die Indiſchen Verhaͤltniſſe, uͤber die Natur des Lan-
des und ſeiner Bevoͤlkerung Hinreichendes in Erfahrung bringen,
um den Gang ſeines großen Unternehmens und die zu demſelben
erforderlichen Vorbereitungen und Streitkraͤfte mit einiger Sicher-
heit beſtimmen zu koͤnnen 4).

Und in der That laͤßt ſich in den neuen und bedeutenden Vor-
bereitungen, die waͤhrend des letzten Jahres gemacht wurden, die
richtige Wuͤrdigung der bevorſtehenden Schwierigkeiten keinesweges
verkennen. Das disponible Heer, das ſeit der Vernichtung der
Perſiſchen Macht nicht eben bedeutend zu ſein brauchte, um die
einzelnen Satrapien zu unterwerfen, war zum Kampfe gegen die
ſtark bevoͤlkerten und mit großer Kriegsmacht verſehenen Indiſchen
Staaten unzureichend; die Europaͤiſchen Truppen, obſchon deren im-

2) Diod. XVII. 86.
3) Curt. VII. 4. 6.
4) Ich fuͤhre
dieß an, um der Anſicht A. W. v. Schlegels, als habe ſich Alexan-
der durch die luͤgenhaften Berichte des Kteſias fuͤhren laſſen, zu-
ruͤckzuweiſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="361"/>
de&#x017F;&#x017F;elben lag auf dem O&#x017F;tufer des Indus, der Mu&#x0364;ndung des Ko-<lb/>
phenflu&#x017F;&#x017F;es gegenu&#x0364;ber, es er&#x017F;treckte &#x017F;ich o&#x017F;twa&#x0364;rts gegen den Hydas-<lb/>
pes hin in einer Ausdehnung, die man der der Aegypti&#x017F;chen Statt-<lb/>
halter&#x017F;chaft gleich &#x017F;cha&#x0364;tzte. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t, mit mehreren &#x017F;einer Nach-<lb/>
barn, namentlich dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Porus am Hydaspes, verfeindet und<lb/>
zugleich nach Erweiterung &#x017F;eines Gebietes begierig, hatte den Ko&#x0364;-<lb/>
nig Alexander wa&#x0364;hrend &#x017F;eines Aufenthaltes in Sogdiana zu einer<lb/>
Indi&#x017F;chen Heerfahrt aufgefordert und &#x017F;ich bereit erkla&#x0364;rt, die In-<lb/>
dier, die &#x017F;ich ihm zu wider&#x017F;etzen wagen wu&#x0364;rden, mit ihm gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich zu beka&#x0364;mpfen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Diod. XVII. 86.</hi></note>. Dieß war, &#x017F;o &#x017F;cheint es, der er&#x017F;te a&#x0364;u-<lb/>
ßere Anknu&#x0364;pfungspunkt fu&#x0364;r den Feldzug, zu dem &#x017F;ich Alexander,<lb/>
wie &#x017F;eine Antwort an den Chorasmierko&#x0364;nig erwei&#x017F;et, bereits zur<lb/>
Zeit der Winterra&#x017F;t in Zariaspa ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte. Ein gu&#x0364;n&#x017F;tiger<lb/>
Zufall wollte, daß der Indi&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;t Si&#x017F;ikyptos, der mit Be&#x017F;&#x017F;us<lb/>
in Verbindung getreten war und dem&#x017F;elben Indi&#x017F;che Hu&#x0364;lfstruppen,<lb/>
um das Baktri&#x017F;che Ko&#x0364;nigthum zu vertheidigen, zuge&#x017F;agt hatte, nach<lb/>
des Ko&#x0364;nigsmo&#x0364;rders Gefangennehmung &#x017F;ich an Alexander ergab und<lb/>
in &#x017F;einen Dien&#x017F;t trat, in dem er &#x017F;ich bald durch treue Ergebenheit<lb/>
auszeichnete <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Curt. VII. 4. 6.</hi></note>. Durch die&#x017F;e und andere Verbindungen konnte Ale-<lb/>
xander u&#x0364;ber die Indi&#x017F;chen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, u&#x0364;ber die Natur des Lan-<lb/>
des und &#x017F;einer Bevo&#x0364;lkerung Hinreichendes in Erfahrung bringen,<lb/>
um den Gang &#x017F;eines großen Unternehmens und die zu dem&#x017F;elben<lb/>
erforderlichen Vorbereitungen und Streitkra&#x0364;fte mit einiger Sicher-<lb/>
heit be&#x017F;timmen zu ko&#x0364;nnen <note place="foot" n="4)">Ich fu&#x0364;hre<lb/>
dieß an, um der An&#x017F;icht A. W. v. Schlegels, als habe &#x017F;ich Alexan-<lb/>
der durch die lu&#x0364;genhaften Berichte des Kte&#x017F;ias fu&#x0364;hren la&#x017F;&#x017F;en, zu-<lb/>
ru&#x0364;ckzuwei&#x017F;en.</note>.</p><lb/>
          <p>Und in der That la&#x0364;ßt &#x017F;ich in den neuen und bedeutenden Vor-<lb/>
bereitungen, die wa&#x0364;hrend des letzten Jahres gemacht wurden, die<lb/>
richtige Wu&#x0364;rdigung der bevor&#x017F;tehenden Schwierigkeiten keinesweges<lb/>
verkennen. Das disponible Heer, das &#x017F;eit der Vernichtung der<lb/>
Per&#x017F;i&#x017F;chen Macht nicht eben bedeutend zu &#x017F;ein brauchte, um die<lb/>
einzelnen Satrapien zu unterwerfen, war zum Kampfe gegen die<lb/>
&#x017F;tark bevo&#x0364;lkerten und mit großer Kriegsmacht ver&#x017F;ehenen Indi&#x017F;chen<lb/>
Staaten unzureichend; die Europa&#x0364;i&#x017F;chen Truppen, ob&#x017F;chon deren im-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0375] deſſelben lag auf dem Oſtufer des Indus, der Muͤndung des Ko- phenfluſſes gegenuͤber, es erſtreckte ſich oſtwaͤrts gegen den Hydas- pes hin in einer Ausdehnung, die man der der Aegyptiſchen Statt- halterſchaft gleich ſchaͤtzte. Der Fuͤrſt, mit mehreren ſeiner Nach- barn, namentlich dem Fuͤrſten Porus am Hydaspes, verfeindet und zugleich nach Erweiterung ſeines Gebietes begierig, hatte den Koͤ- nig Alexander waͤhrend ſeines Aufenthaltes in Sogdiana zu einer Indiſchen Heerfahrt aufgefordert und ſich bereit erklaͤrt, die In- dier, die ſich ihm zu widerſetzen wagen wuͤrden, mit ihm gemein- ſchaftlich zu bekaͤmpfen 2). Dieß war, ſo ſcheint es, der erſte aͤu- ßere Anknuͤpfungspunkt fuͤr den Feldzug, zu dem ſich Alexander, wie ſeine Antwort an den Chorasmierkoͤnig erweiſet, bereits zur Zeit der Winterraſt in Zariaspa entſchloſſen hatte. Ein guͤnſtiger Zufall wollte, daß der Indiſche Fuͤrſt Siſikyptos, der mit Beſſus in Verbindung getreten war und demſelben Indiſche Huͤlfstruppen, um das Baktriſche Koͤnigthum zu vertheidigen, zugeſagt hatte, nach des Koͤnigsmoͤrders Gefangennehmung ſich an Alexander ergab und in ſeinen Dienſt trat, in dem er ſich bald durch treue Ergebenheit auszeichnete 3). Durch dieſe und andere Verbindungen konnte Ale- xander uͤber die Indiſchen Verhaͤltniſſe, uͤber die Natur des Lan- des und ſeiner Bevoͤlkerung Hinreichendes in Erfahrung bringen, um den Gang ſeines großen Unternehmens und die zu demſelben erforderlichen Vorbereitungen und Streitkraͤfte mit einiger Sicher- heit beſtimmen zu koͤnnen 4). Und in der That laͤßt ſich in den neuen und bedeutenden Vor- bereitungen, die waͤhrend des letzten Jahres gemacht wurden, die richtige Wuͤrdigung der bevorſtehenden Schwierigkeiten keinesweges verkennen. Das disponible Heer, das ſeit der Vernichtung der Perſiſchen Macht nicht eben bedeutend zu ſein brauchte, um die einzelnen Satrapien zu unterwerfen, war zum Kampfe gegen die ſtark bevoͤlkerten und mit großer Kriegsmacht verſehenen Indiſchen Staaten unzureichend; die Europaͤiſchen Truppen, obſchon deren im- 2) Diod. XVII. 86. 3) Curt. VII. 4. 6. 4) Ich fuͤhre dieß an, um der Anſicht A. W. v. Schlegels, als habe ſich Alexan- der durch die luͤgenhaften Berichte des Kteſias fuͤhren laſſen, zu- ruͤckzuweiſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/375
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/375>, abgerufen am 30.11.2024.