sah an der Indischen Brücke die Kameele der westlichen Steppen vor den Elephanten des riesigen Ostens flüchten; und Persien, plötz- lich groß um langsam abzusterben, hat an den Ufern des Indes den Beginn einer großen Zukunft gesucht, um deren Erfüllung es die Kämpfe im Abendlande betrogen.
Nie hat sich die Herrschaft der Achämeniden bis jenseits des Indus erstreckt; die Ebene am Fuß des Paropamisus mit den westlichsten Zweigen Indischer Bevölkerung war das letzte Gebiet, das die Großkönige mit Sicherheit besaßen; von dort aus hatte der große Darins seine Schiffe gen Sonnenaufgang hinab gesandt, daß sie die Mündungen des Indischen Stromes erkundeten, von dort her waren die Elephanten des letzten Perserkönigs, die ersten, welche die Westwelt sah, gekommen. Oestlichere Landstriche zu erobern, gelang jenem großen Darius nur für die Dauer seiner Herrschaft, und in der späteren Achämenidenzeit verschwindet jede Spur eines Verhältnisses zu den Indusländern. Statt dessen tritt im Osten des Kohistan am Kophen auf das Deutlichste eine Menge unabhängiger Staaten hervor, die sich über die fünf Ströme gen Osten bis zur Wüste, gen Süden bis zur Indusmündung aus- dehnte, eine Musterkarte kleinerer und größerer Völker, Fürstenthümer und Republiken, ein buntes Durcheinander politischer Zersplitterung und religiöser Verwirrung, unter einander ohne andere Gemein- schaft als die der gegenseitigen Eifersucht und des steten Wechsels von treulosen Bündnissen und selbstsüchtigen Fehden. --
Alexander hatte mit der Unterwerfung des Sogdianischen Landes die Besitznahme des Perserreiches vollendet; die Satrapie des Paropamisus, die er im Jahre 329 besetzt hatte, war, wenn schen von Indiern bewohnt, doch ein Theil des Achämenidenreiches, dessen Grenzen er noch nicht überschritten, aber allerdings schon auf die ent- schiedenste und nach allen Seiten hin drohendste Weise besetzt hatte. Seiner Absicht, auch in Indien das Glück seiner Waffen zu ver- suchen, boten die politischen Verhältnisse der Fürsten des Indus- landes eine erwünschte Gelegenheit. Leider sind die Nachrichten darüber mangelhaft, und kaum daß uns die Folgen der vielfachen schon früher angeknüpften Verbindungen über ihren Charakter und ihren Zweck einigen Aufschluß geben. Von überwiegender Wichtigkeit war Alexanders Verhältniß mit dem Fürsten von Taxila; das Reich
ſah an der Indiſchen Bruͤcke die Kameele der weſtlichen Steppen vor den Elephanten des rieſigen Oſtens fluͤchten; und Perſien, ploͤtz- lich groß um langſam abzuſterben, hat an den Ufern des Indes den Beginn einer großen Zukunft geſucht, um deren Erfuͤllung es die Kaͤmpfe im Abendlande betrogen.
Nie hat ſich die Herrſchaft der Achaͤmeniden bis jenſeits des Indus erſtreckt; die Ebene am Fuß des Paropamiſus mit den weſtlichſten Zweigen Indiſcher Bevoͤlkerung war das letzte Gebiet, das die Großkoͤnige mit Sicherheit beſaßen; von dort aus hatte der große Darins ſeine Schiffe gen Sonnenaufgang hinab geſandt, daß ſie die Muͤndungen des Indiſchen Stromes erkundeten, von dort her waren die Elephanten des letzten Perſerkoͤnigs, die erſten, welche die Weſtwelt ſah, gekommen. Oeſtlichere Landſtriche zu erobern, gelang jenem großen Darius nur fuͤr die Dauer ſeiner Herrſchaft, und in der ſpaͤteren Achaͤmenidenzeit verſchwindet jede Spur eines Verhaͤltniſſes zu den Induslaͤndern. Statt deſſen tritt im Oſten des Kohiſtan am Kophen auf das Deutlichſte eine Menge unabhaͤngiger Staaten hervor, die ſich uͤber die fuͤnf Stroͤme gen Oſten bis zur Wuͤſte, gen Suͤden bis zur Indusmuͤndung aus- dehnte, eine Muſterkarte kleinerer und groͤßerer Voͤlker, Fuͤrſtenthuͤmer und Republiken, ein buntes Durcheinander politiſcher Zerſplitterung und religioͤſer Verwirrung, unter einander ohne andere Gemein- ſchaft als die der gegenſeitigen Eiferſucht und des ſteten Wechſels von treuloſen Buͤndniſſen und ſelbſtſuͤchtigen Fehden. —
Alexander hatte mit der Unterwerfung des Sogdianiſchen Landes die Beſitznahme des Perſerreiches vollendet; die Satrapie des Paropamiſus, die er im Jahre 329 beſetzt hatte, war, wenn ſchen von Indiern bewohnt, doch ein Theil des Achaͤmenidenreiches, deſſen Grenzen er noch nicht uͤberſchritten, aber allerdings ſchon auf die ent- ſchiedenſte und nach allen Seiten hin drohendſte Weiſe beſetzt hatte. Seiner Abſicht, auch in Indien das Gluͤck ſeiner Waffen zu ver- ſuchen, boten die politiſchen Verhaͤltniſſe der Fuͤrſten des Indus- landes eine erwuͤnſchte Gelegenheit. Leider ſind die Nachrichten daruͤber mangelhaft, und kaum daß uns die Folgen der vielfachen ſchon fruͤher angeknuͤpften Verbindungen uͤber ihren Charakter und ihren Zweck einigen Aufſchluß geben. Von uͤberwiegender Wichtigkeit war Alexanders Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten von Taxila; das Reich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0374"n="360"/>ſah an der Indiſchen Bruͤcke die Kameele der weſtlichen Steppen<lb/>
vor den Elephanten des rieſigen Oſtens fluͤchten; und Perſien, ploͤtz-<lb/>
lich groß um langſam abzuſterben, hat an den Ufern des Indes<lb/>
den Beginn einer großen Zukunft geſucht, um deren Erfuͤllung es<lb/>
die Kaͤmpfe im Abendlande betrogen.</p><lb/><p>Nie hat ſich die Herrſchaft der Achaͤmeniden bis jenſeits des<lb/>
Indus erſtreckt; die Ebene am Fuß des Paropamiſus mit den<lb/>
weſtlichſten Zweigen Indiſcher Bevoͤlkerung war das letzte Gebiet,<lb/>
das die Großkoͤnige mit Sicherheit beſaßen; von dort aus hatte<lb/>
der große Darins ſeine Schiffe gen Sonnenaufgang hinab geſandt,<lb/>
daß ſie die Muͤndungen des Indiſchen Stromes erkundeten, von<lb/>
dort her waren die Elephanten des letzten Perſerkoͤnigs, die erſten,<lb/>
welche die Weſtwelt ſah, gekommen. Oeſtlichere Landſtriche zu<lb/>
erobern, gelang jenem großen Darius nur fuͤr die Dauer ſeiner<lb/>
Herrſchaft, und in der ſpaͤteren Achaͤmenidenzeit verſchwindet jede<lb/>
Spur eines Verhaͤltniſſes zu den Induslaͤndern. Statt deſſen<lb/>
tritt im Oſten des Kohiſtan am Kophen auf das Deutlichſte eine<lb/>
Menge unabhaͤngiger Staaten hervor, die ſich uͤber die fuͤnf Stroͤme<lb/>
gen Oſten bis zur Wuͤſte, gen Suͤden bis zur Indusmuͤndung aus-<lb/>
dehnte, eine Muſterkarte kleinerer und groͤßerer Voͤlker, Fuͤrſtenthuͤmer<lb/>
und Republiken, ein buntes Durcheinander politiſcher Zerſplitterung<lb/>
und religioͤſer Verwirrung, unter einander ohne andere Gemein-<lb/>ſchaft als die der gegenſeitigen Eiferſucht und des ſteten Wechſels<lb/>
von treuloſen Buͤndniſſen und ſelbſtſuͤchtigen Fehden. —</p><lb/><p>Alexander hatte mit der Unterwerfung des Sogdianiſchen Landes<lb/>
die Beſitznahme des Perſerreiches vollendet; die Satrapie des<lb/>
Paropamiſus, die er im Jahre 329 beſetzt hatte, war, wenn ſchen<lb/>
von Indiern bewohnt, doch ein Theil des Achaͤmenidenreiches, deſſen<lb/>
Grenzen er noch nicht uͤberſchritten, aber allerdings ſchon auf die ent-<lb/>ſchiedenſte und nach allen Seiten hin drohendſte Weiſe beſetzt hatte.<lb/>
Seiner Abſicht, auch in Indien das Gluͤck ſeiner Waffen zu ver-<lb/>ſuchen, boten die politiſchen Verhaͤltniſſe der Fuͤrſten des Indus-<lb/>
landes eine erwuͤnſchte Gelegenheit. Leider ſind die Nachrichten<lb/>
daruͤber mangelhaft, und kaum daß uns die Folgen der vielfachen<lb/>ſchon fruͤher angeknuͤpften Verbindungen uͤber ihren Charakter und<lb/>
ihren Zweck einigen Aufſchluß geben. Von uͤberwiegender Wichtigkeit<lb/>
war Alexanders Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten von Taxila; das Reich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[360/0374]
ſah an der Indiſchen Bruͤcke die Kameele der weſtlichen Steppen
vor den Elephanten des rieſigen Oſtens fluͤchten; und Perſien, ploͤtz-
lich groß um langſam abzuſterben, hat an den Ufern des Indes
den Beginn einer großen Zukunft geſucht, um deren Erfuͤllung es
die Kaͤmpfe im Abendlande betrogen.
Nie hat ſich die Herrſchaft der Achaͤmeniden bis jenſeits des
Indus erſtreckt; die Ebene am Fuß des Paropamiſus mit den
weſtlichſten Zweigen Indiſcher Bevoͤlkerung war das letzte Gebiet,
das die Großkoͤnige mit Sicherheit beſaßen; von dort aus hatte
der große Darins ſeine Schiffe gen Sonnenaufgang hinab geſandt,
daß ſie die Muͤndungen des Indiſchen Stromes erkundeten, von
dort her waren die Elephanten des letzten Perſerkoͤnigs, die erſten,
welche die Weſtwelt ſah, gekommen. Oeſtlichere Landſtriche zu
erobern, gelang jenem großen Darius nur fuͤr die Dauer ſeiner
Herrſchaft, und in der ſpaͤteren Achaͤmenidenzeit verſchwindet jede
Spur eines Verhaͤltniſſes zu den Induslaͤndern. Statt deſſen
tritt im Oſten des Kohiſtan am Kophen auf das Deutlichſte eine
Menge unabhaͤngiger Staaten hervor, die ſich uͤber die fuͤnf Stroͤme
gen Oſten bis zur Wuͤſte, gen Suͤden bis zur Indusmuͤndung aus-
dehnte, eine Muſterkarte kleinerer und groͤßerer Voͤlker, Fuͤrſtenthuͤmer
und Republiken, ein buntes Durcheinander politiſcher Zerſplitterung
und religioͤſer Verwirrung, unter einander ohne andere Gemein-
ſchaft als die der gegenſeitigen Eiferſucht und des ſteten Wechſels
von treuloſen Buͤndniſſen und ſelbſtſuͤchtigen Fehden. —
Alexander hatte mit der Unterwerfung des Sogdianiſchen Landes
die Beſitznahme des Perſerreiches vollendet; die Satrapie des
Paropamiſus, die er im Jahre 329 beſetzt hatte, war, wenn ſchen
von Indiern bewohnt, doch ein Theil des Achaͤmenidenreiches, deſſen
Grenzen er noch nicht uͤberſchritten, aber allerdings ſchon auf die ent-
ſchiedenſte und nach allen Seiten hin drohendſte Weiſe beſetzt hatte.
Seiner Abſicht, auch in Indien das Gluͤck ſeiner Waffen zu ver-
ſuchen, boten die politiſchen Verhaͤltniſſe der Fuͤrſten des Indus-
landes eine erwuͤnſchte Gelegenheit. Leider ſind die Nachrichten
daruͤber mangelhaft, und kaum daß uns die Folgen der vielfachen
ſchon fruͤher angeknuͤpften Verbindungen uͤber ihren Charakter und
ihren Zweck einigen Aufſchluß geben. Von uͤberwiegender Wichtigkeit
war Alexanders Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten von Taxila; das Reich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/374>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.