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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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vor Allen ausgezeichnet, doch schwieg er. Immer lauter wurde der
Streit; auch König Philipps Thaten kamen zur Sprache, und als
nun behauptet wurde, er habe nichts Großes und Bewunderungs-
würdiges gethan, sein Ruhm sei, Alexanders Vater zu heißen, da
sprang Klitus von seinem Sessel auf, den Namen seines alten Kö-
nigs zu vertreten, Alexanders Thaten zu verkleinern, sich selbst und
die alten Generale zu rühmen, des todten Parmenion und seiner
Söhne zu gedenken, alle die glücklich zu preisen, die gefallen oder
hingerichtet seien, ehe sie die Macedonier mit Medischen Ruthen
gepeitscht und bei den Persern um Zutritt zum Könige bitten ge-
sehen. Mehrere der alten Generale standen auf, verwiesen dem
von Wein und Eifer erhitzten Klitus seine Rede und suchten
vergeblich die steigende Unruhe zu stillen; Alexander wandte sich
zu seinem Tischnachbarn, einem Griechen, und sprach: "nicht
wahr, ihr Griechen scheint euch unter den Macedoniern wie Halb-
götter unter Thieren umherzuwandeln?" Klitus aber lärmte weiter;
er wandte sich mit lauter Stimme an den König: "diese Hand hat
dich, Alexander, am Granikus errettet! du aber rede, was dir ge-
fällt, und lade fürder nicht freie Männer zu deiner Tafel, sondern
Barbaren und Sclaven, die deiner Kleider Saum küssen und dei-
nen Gürtel anbeten!" Länger hielt Alexander seinen Zorn nicht,
er sprang auf, nach seinen Waffen zu greifen; die Freunde hatten
sie fortgeschafft; er schrie seinen Hypaspisten auf Macedonisch zu, ih-
ren König zu rächen; keiner kam; er donnerte dem Trompeter zu,
Lärm zu blasen, und schlug ihn mit der Faust ins Angesicht, da er
nicht gehorchte. Indeß war Klitus, der nicht abließ den König zu
verlachen und frech zu prahlen, von den Freunden hinaus geführt
vor die Wälle des Schlosses; es war still im Saal, nur Ale-
xander ging in der heftigsten Bewegung auf und ab: gerade so
weit sei es mit ihm gekommen, wie mit Darius zu jener Zeit, da
er von Bessus und dessen Genossen gefangen fortgeschleppt sei
und nichts als den elenden Namen des Königs gehabt habe; und
der ihn verrathe, das sei dieser Mensch, der ihm Alles danke, die-
ser Klitus! Kaum daß er den Namen genannt, da trat der arge
Mann zum anderen Ende des Saales herein, und ihm gegenüber
rief er: "hier ist ja Klitus, o Alexander!" er sang das Spottlied: o
armes Griechenland, wie geht es dir so bös! Da riß Alexander ei-

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vor Allen ausgezeichnet, doch ſchwieg er. Immer lauter wurde der
Streit; auch Koͤnig Philipps Thaten kamen zur Sprache, und als
nun behauptet wurde, er habe nichts Großes und Bewunderungs-
wuͤrdiges gethan, ſein Ruhm ſei, Alexanders Vater zu heißen, da
ſprang Klitus von ſeinem Seſſel auf, den Namen ſeines alten Koͤ-
nigs zu vertreten, Alexanders Thaten zu verkleinern, ſich ſelbſt und
die alten Generale zu ruͤhmen, des todten Parmenion und ſeiner
Soͤhne zu gedenken, alle die gluͤcklich zu preiſen, die gefallen oder
hingerichtet ſeien, ehe ſie die Macedonier mit Mediſchen Ruthen
gepeitſcht und bei den Perſern um Zutritt zum Koͤnige bitten ge-
ſehen. Mehrere der alten Generale ſtanden auf, verwieſen dem
von Wein und Eifer erhitzten Klitus ſeine Rede und ſuchten
vergeblich die ſteigende Unruhe zu ſtillen; Alexander wandte ſich
zu ſeinem Tiſchnachbarn, einem Griechen, und ſprach: „nicht
wahr, ihr Griechen ſcheint euch unter den Macedoniern wie Halb-
goͤtter unter Thieren umherzuwandeln?“ Klitus aber laͤrmte weiter;
er wandte ſich mit lauter Stimme an den Koͤnig: „dieſe Hand hat
dich, Alexander, am Granikus errettet! du aber rede, was dir ge-
faͤllt, und lade fuͤrder nicht freie Maͤnner zu deiner Tafel, ſondern
Barbaren und Sclaven, die deiner Kleider Saum kuͤſſen und dei-
nen Guͤrtel anbeten!“ Laͤnger hielt Alexander ſeinen Zorn nicht,
er ſprang auf, nach ſeinen Waffen zu greifen; die Freunde hatten
ſie fortgeſchafft; er ſchrie ſeinen Hypaspisten auf Macedoniſch zu, ih-
ren Koͤnig zu raͤchen; keiner kam; er donnerte dem Trompeter zu,
Laͤrm zu blaſen, und ſchlug ihn mit der Fauſt ins Angeſicht, da er
nicht gehorchte. Indeß war Klitus, der nicht abließ den Koͤnig zu
verlachen und frech zu prahlen, von den Freunden hinaus gefuͤhrt
vor die Waͤlle des Schloſſes; es war ſtill im Saal, nur Ale-
xander ging in der heftigſten Bewegung auf und ab: gerade ſo
weit ſei es mit ihm gekommen, wie mit Darius zu jener Zeit, da
er von Beſſus und deſſen Genoſſen gefangen fortgeſchleppt ſei
und nichts als den elenden Namen des Koͤnigs gehabt habe; und
der ihn verrathe, das ſei dieſer Menſch, der ihm Alles danke, die-
ſer Klitus! Kaum daß er den Namen genannt, da trat der arge
Mann zum anderen Ende des Saales herein, und ihm gegenuͤber
rief er: „hier iſt ja Klitus, o Alexander!“ er ſang das Spottlied: o
armes Griechenland, wie geht es dir ſo boͤs! Da riß Alexander ei-

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[337/0351] vor Allen ausgezeichnet, doch ſchwieg er. Immer lauter wurde der Streit; auch Koͤnig Philipps Thaten kamen zur Sprache, und als nun behauptet wurde, er habe nichts Großes und Bewunderungs- wuͤrdiges gethan, ſein Ruhm ſei, Alexanders Vater zu heißen, da ſprang Klitus von ſeinem Seſſel auf, den Namen ſeines alten Koͤ- nigs zu vertreten, Alexanders Thaten zu verkleinern, ſich ſelbſt und die alten Generale zu ruͤhmen, des todten Parmenion und ſeiner Soͤhne zu gedenken, alle die gluͤcklich zu preiſen, die gefallen oder hingerichtet ſeien, ehe ſie die Macedonier mit Mediſchen Ruthen gepeitſcht und bei den Perſern um Zutritt zum Koͤnige bitten ge- ſehen. Mehrere der alten Generale ſtanden auf, verwieſen dem von Wein und Eifer erhitzten Klitus ſeine Rede und ſuchten vergeblich die ſteigende Unruhe zu ſtillen; Alexander wandte ſich zu ſeinem Tiſchnachbarn, einem Griechen, und ſprach: „nicht wahr, ihr Griechen ſcheint euch unter den Macedoniern wie Halb- goͤtter unter Thieren umherzuwandeln?“ Klitus aber laͤrmte weiter; er wandte ſich mit lauter Stimme an den Koͤnig: „dieſe Hand hat dich, Alexander, am Granikus errettet! du aber rede, was dir ge- faͤllt, und lade fuͤrder nicht freie Maͤnner zu deiner Tafel, ſondern Barbaren und Sclaven, die deiner Kleider Saum kuͤſſen und dei- nen Guͤrtel anbeten!“ Laͤnger hielt Alexander ſeinen Zorn nicht, er ſprang auf, nach ſeinen Waffen zu greifen; die Freunde hatten ſie fortgeſchafft; er ſchrie ſeinen Hypaspisten auf Macedoniſch zu, ih- ren Koͤnig zu raͤchen; keiner kam; er donnerte dem Trompeter zu, Laͤrm zu blaſen, und ſchlug ihn mit der Fauſt ins Angeſicht, da er nicht gehorchte. Indeß war Klitus, der nicht abließ den Koͤnig zu verlachen und frech zu prahlen, von den Freunden hinaus gefuͤhrt vor die Waͤlle des Schloſſes; es war ſtill im Saal, nur Ale- xander ging in der heftigſten Bewegung auf und ab: gerade ſo weit ſei es mit ihm gekommen, wie mit Darius zu jener Zeit, da er von Beſſus und deſſen Genoſſen gefangen fortgeſchleppt ſei und nichts als den elenden Namen des Koͤnigs gehabt habe; und der ihn verrathe, das ſei dieſer Menſch, der ihm Alles danke, die- ſer Klitus! Kaum daß er den Namen genannt, da trat der arge Mann zum anderen Ende des Saales herein, und ihm gegenuͤber rief er: „hier iſt ja Klitus, o Alexander!“ er ſang das Spottlied: o armes Griechenland, wie geht es dir ſo boͤs! Da riß Alexander ei- 22

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/351>, abgerufen am 28.04.2024.