es waren gerade die Tage eines Dionysischen Festes 69), das aber der König, wie es heißt, zu Ehren der Dioskuren feierte; der Gott Dionysus, glaubten die Griechen, habe darum gezürnt und den Kö- nig nicht ungewarnt zu schwerem Frevel getrieben. Sie erzählen, Alexander habe schöne Früchte vom Meere her gesandt erhalten, und Klitus einladen lassen, daß er mit ihm äße; und Klitus habe das Opfer, das er eben beginnen wollte, verlassen und sei zum Kö- nige geeilt; ihm nach seien drei zum Opfer besprengte Schaafe ge- laufen, nach Aristanders Deutung ein trauriges Zeichen; der König habe für Klitus zu opfern befohlen, doppelt besorgt durch einen seltsamen Traum, den er in dieser Nacht gehabt, und in dem er Klitus im schwarzen Kleide zwischen den blutenden Söhnen Par- menions habe sitzen sehen. -- Abends kam Klitus zur Tafel, man war beim Weine froh bis in die Nacht; man sprach von den gro- ßen Thaten Alexanders, er habe Größeres gethan, als die Diosku- ren, selbst Herakles sei ihm nicht zu vergleichen, nur der Neid sei es, der dem Lebenden die gleichen Ehren mit jenen Heroen mis- gönne. Schon war Klitus vom Wein erhitzt, längst hatte die Persische Umgebung Alexanders, die übergroße Bewunderung der Jüngeren, die frechen Schmeicheleien Hellenischer Sophisten, die der König in seiner Nähe duldete, ihn im Innersten verdrossen; jenes leichtsinnige Spiel mit den Namen der großen Heroen brachte ihn auf: das sei nicht die Art, des Königs Ruhm zu feiern, seine Thaten seien auch nicht so gar groß, wie jene meinten, zum gu- ten Theile gebühre den Macedoniern der Ruhm. Alexander hörte mit Unwillen diese rücksichtslosen Reden von einem Manne, den er
vor
69) St. Croix meint, dieß seien die großen Dionysien gewesen, deren Feier vom 8. bis 18. Elaphebolion, also im Jahre 328 vom 20. bis 30. März fällt; außer der Möglichkeit, daß die Macedonier gleiche Dionysien mit den Athenern feierten, läßt sich nichts zur Begrün- dung dieser Vermuthung anführen, vielmehr scheint das Durchziehen der Sogdiana und die Einnahme des Felsens einige Zeit gekostet zu haben, so daß man für die Rückkehr nach Marakanda lieber den Juni ansetzen möchte.
es waren gerade die Tage eines Dionyſiſchen Feſtes 69), das aber der Koͤnig, wie es heißt, zu Ehren der Dioskuren feierte; der Gott Dionyſus, glaubten die Griechen, habe darum gezuͤrnt und den Koͤ- nig nicht ungewarnt zu ſchwerem Frevel getrieben. Sie erzaͤhlen, Alexander habe ſchoͤne Fruͤchte vom Meere her geſandt erhalten, und Klitus einladen laſſen, daß er mit ihm aͤße; und Klitus habe das Opfer, das er eben beginnen wollte, verlaſſen und ſei zum Koͤ- nige geeilt; ihm nach ſeien drei zum Opfer beſprengte Schaafe ge- laufen, nach Ariſtanders Deutung ein trauriges Zeichen; der Koͤnig habe fuͤr Klitus zu opfern befohlen, doppelt beſorgt durch einen ſeltſamen Traum, den er in dieſer Nacht gehabt, und in dem er Klitus im ſchwarzen Kleide zwiſchen den blutenden Soͤhnen Par- menions habe ſitzen ſehen. — Abends kam Klitus zur Tafel, man war beim Weine froh bis in die Nacht; man ſprach von den gro- ßen Thaten Alexanders, er habe Groͤßeres gethan, als die Diosku- ren, ſelbſt Herakles ſei ihm nicht zu vergleichen, nur der Neid ſei es, der dem Lebenden die gleichen Ehren mit jenen Heroen mis- goͤnne. Schon war Klitus vom Wein erhitzt, laͤngſt hatte die Perſiſche Umgebung Alexanders, die uͤbergroße Bewunderung der Juͤngeren, die frechen Schmeicheleien Helleniſcher Sophiſten, die der Koͤnig in ſeiner Naͤhe duldete, ihn im Innerſten verdroſſen; jenes leichtſinnige Spiel mit den Namen der großen Heroen brachte ihn auf: das ſei nicht die Art, des Koͤnigs Ruhm zu feiern, ſeine Thaten ſeien auch nicht ſo gar groß, wie jene meinten, zum gu- ten Theile gebuͤhre den Macedoniern der Ruhm. Alexander hoͤrte mit Unwillen dieſe ruͤckſichtsloſen Reden von einem Manne, den er
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69) St. Croix meint, dieß ſeien die großen Dionyſien geweſen, deren Feier vom 8. bis 18. Elaphebolion, alſo im Jahre 328 vom 20. bis 30. Maͤrz faͤllt; außer der Moͤglichkeit, daß die Macedonier gleiche Dionyſien mit den Athenern feierten, laͤßt ſich nichts zur Begruͤn- dung dieſer Vermuthung anfuͤhren, vielmehr ſcheint das Durchziehen der Sogdiana und die Einnahme des Felſens einige Zeit gekoſtet zu haben, ſo daß man fuͤr die Ruͤckkehr nach Marakanda lieber den Juni anſetzen moͤchte.
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es waren gerade die Tage eines Dionyſiſchen Feſtes 69), das aber der
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Dionyſus, glaubten die Griechen, habe darum gezuͤrnt und den Koͤ-
nig nicht ungewarnt zu ſchwerem Frevel getrieben. Sie erzaͤhlen,
Alexander habe ſchoͤne Fruͤchte vom Meere her geſandt erhalten,
und Klitus einladen laſſen, daß er mit ihm aͤße; und Klitus habe
das Opfer, das er eben beginnen wollte, verlaſſen und ſei zum Koͤ-
nige geeilt; ihm nach ſeien drei zum Opfer beſprengte Schaafe ge-
laufen, nach Ariſtanders Deutung ein trauriges Zeichen; der Koͤnig
habe fuͤr Klitus zu opfern befohlen, doppelt beſorgt durch einen
ſeltſamen Traum, den er in dieſer Nacht gehabt, und in dem er
Klitus im ſchwarzen Kleide zwiſchen den blutenden Soͤhnen Par-
menions habe ſitzen ſehen. — Abends kam Klitus zur Tafel, man
war beim Weine froh bis in die Nacht; man ſprach von den gro-
ßen Thaten Alexanders, er habe Groͤßeres gethan, als die Diosku-
ren, ſelbſt Herakles ſei ihm nicht zu vergleichen, nur der Neid ſei
es, der dem Lebenden die gleichen Ehren mit jenen Heroen mis-
goͤnne. Schon war Klitus vom Wein erhitzt, laͤngſt hatte die
Perſiſche Umgebung Alexanders, die uͤbergroße Bewunderung der
Juͤngeren, die frechen Schmeicheleien Helleniſcher Sophiſten, die
der Koͤnig in ſeiner Naͤhe duldete, ihn im Innerſten verdroſſen; jenes
leichtſinnige Spiel mit den Namen der großen Heroen brachte ihn
auf: das ſei nicht die Art, des Koͤnigs Ruhm zu feiern, ſeine
Thaten ſeien auch nicht ſo gar groß, wie jene meinten, zum gu-
ten Theile gebuͤhre den Macedoniern der Ruhm. Alexander hoͤrte
mit Unwillen dieſe ruͤckſichtsloſen Reden von einem Manne, den er
vor
69) St. Croix meint, dieß ſeien die großen Dionyſien geweſen,
deren Feier vom 8. bis 18. Elaphebolion, alſo im Jahre 328 vom
20. bis 30. Maͤrz faͤllt; außer der Moͤglichkeit, daß die Macedonier gleiche
Dionyſien mit den Athenern feierten, laͤßt ſich nichts zur Begruͤn-
dung dieſer Vermuthung anfuͤhren, vielmehr ſcheint das Durchziehen
der Sogdiana und die Einnahme des Felſens einige Zeit gekoſtet
zu haben, ſo daß man fuͤr die Ruͤckkehr nach Marakanda lieber den
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/350>, abgerufen am 27.11.2024.
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