Heertrompeten blasen und die jubelnden Truppen ausrücken, sandte dann von Neuem einen Herold, der den feindlichen Vorposten zu- rief, sie möchten sich ergeben, die gefiügelten Menschen hätten sich gefunden, sie seien über ihren Häuptern, längerer Widerstand sei nicht möglich. Die Barbaren, bestürzt und überzeugt, daß die Ma- cedonier einen Weg auf den Felsen entdeckt, zögerten nicht länger, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und Alexander zog klin- genden Spieles in die Sogdianische Felsenburg ein. Reiche Beute fiel dort in seine Hand, unter dieser viel Frauen und Töchter Sogdianischer und Baktrischer Häuptlinge, auch des Oxyartes Ge- mahlin und seine Tochter Roxane, die Perle des Morgenlandes; es staunte Alexander vor ihrem Anblick, und das gefangene Mäd- chen besiegte des Siegers stolzen Sinn; sie erkor er, mit ihr den Thron des Morgenlandes zu theilen, die Vermählung mit ihr sollte den Frieden im Transoxianischen Lande besiegeln. Auf die Kunde hiervon eilte Roxane's Vater zu Alexander; um seines Kindes Willen ward ihm verziehen. Der greise Artabazus, der die Bak- trische Satrapie niederzulegen gewünscht hatte, erhielt die Felsen- burg und das theure Kleinod in ihr zu hüten, bis der Tag des Friedens gekommen sei 68).
Alexander selbst kehrte vom Sogdianischen Felsen nach Ma- rakanda zurück; er gedachte gegen die Oxianischen Grenzgebirge aufzubrechen, wo Baktrianische und Sogdianische Empörer Zu- flucht gefunden hatten. An Artabazus Stelle wurde die Baktri- sche Satrapie dem schwarzen Klitus bestimmt, der dem Könige am Granikus das Leben gerettet hatte und seit Philotas Verrath mit Hephästion den Befehl über die Macedonische Ritterschaft theilte. Alexander wollte die Rückkehr des Hephästion abwarten, um mit dessen Truppen verstärkt, gegen die nordwestlichen Grenzen vorzu- rücken. Große Jagden und Gastmähler füllten die Zwischenzeit,
68) Nach Strabo XI. p. 440., der an dieser Stelle unbegreiflich verwirrt ist, wäre Roxane auf dem Felsen des Sysimithres gefan- gen worden; doch ist nicht abzusehen, warum der Baktrische Fürst die Seinen an die entfernteste Westgränze Sogdianas an den Nu- ratagh sollte geflüchtet haben.
Heertrompeten blaſen und die jubelnden Truppen ausruͤcken, ſandte dann von Neuem einen Herold, der den feindlichen Vorpoſten zu- rief, ſie moͤchten ſich ergeben, die gefiuͤgelten Menſchen haͤtten ſich gefunden, ſie ſeien uͤber ihren Haͤuptern, laͤngerer Widerſtand ſei nicht moͤglich. Die Barbaren, beſtuͤrzt und uͤberzeugt, daß die Ma- cedonier einen Weg auf den Felſen entdeckt, zoͤgerten nicht laͤnger, ſich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und Alexander zog klin- genden Spieles in die Sogdianiſche Felſenburg ein. Reiche Beute fiel dort in ſeine Hand, unter dieſer viel Frauen und Toͤchter Sogdianiſcher und Baktriſcher Haͤuptlinge, auch des Oxyartes Ge- mahlin und ſeine Tochter Roxane, die Perle des Morgenlandes; es ſtaunte Alexander vor ihrem Anblick, und das gefangene Maͤd- chen beſiegte des Siegers ſtolzen Sinn; ſie erkor er, mit ihr den Thron des Morgenlandes zu theilen, die Vermaͤhlung mit ihr ſollte den Frieden im Transoxianiſchen Lande beſiegeln. Auf die Kunde hiervon eilte Roxane’s Vater zu Alexander; um ſeines Kindes Willen ward ihm verziehen. Der greiſe Artabazus, der die Bak- triſche Satrapie niederzulegen gewuͤnſcht hatte, erhielt die Felſen- burg und das theure Kleinod in ihr zu huͤten, bis der Tag des Friedens gekommen ſei 68).
Alexander ſelbſt kehrte vom Sogdianiſchen Felſen nach Ma- rakanda zuruͤck; er gedachte gegen die Oxianiſchen Grenzgebirge aufzubrechen, wo Baktrianiſche und Sogdianiſche Empoͤrer Zu- flucht gefunden hatten. An Artabazus Stelle wurde die Baktri- ſche Satrapie dem ſchwarzen Klitus beſtimmt, der dem Koͤnige am Granikus das Leben gerettet hatte und ſeit Philotas Verrath mit Hephaͤſtion den Befehl uͤber die Macedoniſche Ritterſchaft theilte. Alexander wollte die Ruͤckkehr des Hephaͤſtion abwarten, um mit deſſen Truppen verſtaͤrkt, gegen die nordweſtlichen Grenzen vorzu- ruͤcken. Große Jagden und Gaſtmaͤhler fuͤllten die Zwiſchenzeit,
68) Nach Strabo XI. p. 440., der an dieſer Stelle unbegreiflich verwirrt iſt, waͤre Roxane auf dem Felſen des Syſimithres gefan- gen worden; doch iſt nicht abzuſehen, warum der Baktriſche Fuͤrſt die Seinen an die entfernteſte Weſtgraͤnze Sogdianas an den Nu- ratagh ſollte gefluͤchtet haben.
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Heertrompeten blaſen und die jubelnden Truppen ausruͤcken, ſandte
dann von Neuem einen Herold, der den feindlichen Vorpoſten zu-
rief, ſie moͤchten ſich ergeben, die gefiuͤgelten Menſchen haͤtten ſich
gefunden, ſie ſeien uͤber ihren Haͤuptern, laͤngerer Widerſtand ſei
nicht moͤglich. Die Barbaren, beſtuͤrzt und uͤberzeugt, daß die Ma-
cedonier einen Weg auf den Felſen entdeckt, zoͤgerten nicht laͤnger,
ſich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und Alexander zog klin-
genden Spieles in die Sogdianiſche Felſenburg ein. Reiche Beute
fiel dort in ſeine Hand, unter dieſer viel Frauen und Toͤchter
Sogdianiſcher und Baktriſcher Haͤuptlinge, auch des Oxyartes Ge-
mahlin und ſeine Tochter Roxane, die Perle des Morgenlandes;
es ſtaunte Alexander vor ihrem Anblick, und das gefangene Maͤd-
chen beſiegte des Siegers ſtolzen Sinn; ſie erkor er, mit ihr den
Thron des Morgenlandes zu theilen, die Vermaͤhlung mit ihr ſollte
den Frieden im Transoxianiſchen Lande beſiegeln. Auf die Kunde
hiervon eilte Roxane’s Vater zu Alexander; um ſeines Kindes
Willen ward ihm verziehen. Der greiſe Artabazus, der die Bak-
triſche Satrapie niederzulegen gewuͤnſcht hatte, erhielt die Felſen-
burg und das theure Kleinod in ihr zu huͤten, bis der Tag des
Friedens gekommen ſei 68).
Alexander ſelbſt kehrte vom Sogdianiſchen Felſen nach Ma-
rakanda zuruͤck; er gedachte gegen die Oxianiſchen Grenzgebirge
aufzubrechen, wo Baktrianiſche und Sogdianiſche Empoͤrer Zu-
flucht gefunden hatten. An Artabazus Stelle wurde die Baktri-
ſche Satrapie dem ſchwarzen Klitus beſtimmt, der dem Koͤnige am
Granikus das Leben gerettet hatte und ſeit Philotas Verrath mit
Hephaͤſtion den Befehl uͤber die Macedoniſche Ritterſchaft theilte.
Alexander wollte die Ruͤckkehr des Hephaͤſtion abwarten, um mit
deſſen Truppen verſtaͤrkt, gegen die nordweſtlichen Grenzen vorzu-
ruͤcken. Große Jagden und Gaſtmaͤhler fuͤllten die Zwiſchenzeit,
68) Nach Strabo XI. p. 440., der an dieſer Stelle unbegreiflich
verwirrt iſt, waͤre Roxane auf dem Felſen des Syſimithres gefan-
gen worden; doch iſt nicht abzuſehen, warum der Baktriſche Fuͤrſt
die Seinen an die entfernteſte Weſtgraͤnze Sogdianas an den Nu-
ratagh ſollte gefluͤchtet haben.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/349>, abgerufen am 27.11.2024.
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